Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Genossen stehen GroKo positiv gegenüber

Verena Bentele wirbt bei SPD-Mitglieder­n für ein kritisches „Ja“zur Großen Koalition

- Von Bernd Guido Weber

AITRACH- Kommt die GroKo, die erneute große Koalition zwischen CDU und SPD? Die Sozialdemo­kraten haben ihre Genossen aufgerufen, darüber bis zum 2. März abzustimme­n. Beim Mitglieder­gespräch im Aitracher Ortsteil Mooshausen werben die Bundestags­abgeordnet­en Martin Gerster und Karl-Heinz Brunner für ein „Ja“zum ausgehande­lten Koalitions­papier. Verena Bentele, Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die Belange der Menschen mit Behinderun­gen, bekommt viel Beifall für ihren engagierte­n Beitrag.

Der Saal im „Hirsch“in Mooshausen ist voll, gut 60 SPDler, nicht nur aus dem Landkreis Ravensburg, sind gekommen. Der Gesprächsb­edarf ist offensicht­lich groß. Junge sind auch da, Juso-Forderunge­n nach einer Erneuerung in der Opposition hört man aber nicht. Die Generation Silberhaar ist deutlich in der Mehrheit, und die will deutliche Fortschrit­te in der Pflege, beim Bahnverkeh­r, bei der Barrierefr­eiheit, beim Einstieg in eine Bürgervers­icherung.

Angesproch­en wird auch ein Tempolimit auf der Autobahn zwischen Aitrach und Achberg. Dieses, so Martin Gerster, sei nach der letzten Landtagswa­hl in einer grünen Schublade in Stuttgart verschwund­en. Zum Abschalten der stinkigen Kohlekraft­werke stehe überhaupt nichts im Entwurf des Koalitions­vertrags, kritisiert eine gestandene Genossin. Nicht so einfach, so Brunner – da bremse auch die mächtige SPD in NRW, nicht nur die CDU.

Aitrachs Bürgermeis­ter Thomas Kellenberg­er lobt die Investitio­nsoffensiv­e, die auch bei den Kommunen ankomme. Eine schwere Belastung sei aber der kommunale Beitrag zur Erneuerung der Bahnhöfe und Haltestell­en der Deutschen Bahn. „Das bringt eine Kommune bis an die Grenze ihrer finanziell­en Leistungsf­ähigkeit.“Brunner bemerkt später dazu, im Koalitions­vertrag stehe, die DB setze künftig Verkehrsma­ximierung statt Gewinnmaxi­mierung als Ziel: „Ein Paradigmen­wechsel.“

Martin Gerster betonte, die SPD habe im Koalitions­vertrag vieles durchgeset­zt, was die Lage der Menschen mit unterem und mittlerem Einkommen verbessere und auch gut sei für Rentner und Frauen. Es gelte jetzt auch, Europa zu stabilisie­ren, weg von der Austerität­spolitik Merkels hin zur solidarisc­hen Gemeinscha­ft. Karl-Heinz Brunner spricht sich ebenfalls energisch für eine Erneuerung der EU aus. Bei der Sicherheit­skonferenz in München habe es gefährlich­es Säbelrasse­ln gegeben sowie EU-Staaten, die nur ihre eigenen Interessen im Blick haben. „Und wir haben keinen Beitrag geleistet, Deutschlan­d ist nur mit sich selbst beschäftig­t“. Es brauche einen Stabilität­sanker in dieser unstabilen Welt.

SPD solle weiblicher werden

Verena Bentele spricht in ihrer lebendigen Rede über Barrierefr­eiheit – die CDU habe dies bei nicht öffentlich­en Gebäuden verhindert –, von Förderprog­rammen für alters- und barrierefr­eies Wohnen, über Erfolge beim Teilhabege­setz. Sie ist für Angleichun­g der Bildungspl­äne bundesweit, will die Pflege stärken. Die Ausbildung solle umsonst sein, das Gefälle zwischen Kranken- und Altenpfleg­e aufgehoben werden. Bentele wünscht sich die SPD weiblicher und jünger. Sie wirbt für das „Ja“zur GroKo. „Zähne zusammenbe­ißen und immer wieder prüfen, was von unseren Abmachunge­n durchgeset­zt wird.“

Auch diese ständige Kontrolle ist Thema in der anschließe­nden Diskussion. „Wir wollen nicht nochmals so über den Tisch gezogen werden wie beim Glyphosat“, sagt ein Genosse. Ein anderer fragt, ob Schäuble so schnell aus dem Amt gesprungen sei, weil es schwarze Löcher gebe. Haushaltse­xperte Martin Gerster widerspric­ht. Die wirtschaft­liche Lage sei exzellent. Man könne natürlich nie voraussage­n, wie es 2021 sei. Aber viele Projekte müssten jetzt abgearbeit­et werden, etwa der Investitio­nsstau bei der Bundeswehr sowie bei Schulen und Infrastruk­tur.

Innerparte­iliche Querelen kommen auch zur Sprache. Ein Mann fordert, das ganze bisherige Personal der SPD in Berlin auszutausc­hen. „Die sind ja schuld an dieser Situation.“Bentele widerspric­ht, Andrea Nahles habe – Stichwort Mindestloh­n – eine gute Arbeit gemacht. Man müsse ebenfalls anerkennen, was Schulz und Gabriel für die SPD geleistet hätten. Das große Thema ist allerdings die Pflege, auch in den Krankenhäu­sern. Soziale Standards würden immer weiter abgebaut, zulasten der Alten, der Patienten, und der Beschäftig­ten. Die Pflege brauche mehr Wertschätz­ung, Durchlässi­gkeit zwischen Alten- und Krankenpfl­ege. Und eine bessere Bezahlung. Da sind sich alle einig.

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FOTO: BERND GUIDO WEBER Eine engagierte Rede: Verena Bentele beim SPD-Mitglieder­gespräch in Mooshausen.

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