Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Polizei: Jede Fahndung ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit
Wird ein Erwachsener als vermisst gemeldet, steht die Polizei vor einem Dilemma. „Wir wissen, dass sich die Angehörigen Sorgen machen und müssen ihnen gerecht werden“, sagt Wolfgang Jürgens, im Polizeipräsidium Ulm für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Aber wir müssen auch dem Betroffenen gerecht werden.“Schließlich habe jeder das Recht, sich frei zu bewegen, wann und wohin er will. Forsche die Polizei nach dem Aufenthaltsort einer Person, stelle dies einen Eingriff in sein Grundrecht auf Freizügigkeit dar. „Das dürfen wir als Staat nicht einschränken“, betont Jürgens. Um jemand zur Fahndung auszuschreidie ben, müssten deshalb konkrete Hinweise auf ein Verbrechen oder einen Suizid vorliegen. „Das kann von Fall zu Fall verschieden sein“, erklärt der Polizeisprecher. Abschiedsbriefe von Suizidalen gehörten dazu oder wenn längere Zeit kein Geld mehr vom Konto des Vermissten abgehoben werde. Gefahndet wird auch, wenn sich die vermisste Person in einer hilflosen Lage befinden könnte. Bei Kindern und Jugendlichen sei dies generell der Fall, aber auch bei alten Menschen kommen solche Fälle immer wieder vor. Dann setze die Polizei Hubschrauber, Streifen und Rettungshundestaffel bei der Vermisstensuche ein, teilweise werde auch Feuerwehr hinzugezogen. In der Regel klärten sich Vermisstenfälle schnell wieder auf – und sie kommen relativ häufig vor: Jeden Tag werden im Bezirk des Polizeipräsidiums Ulm drei bis fünf Personen als vermisst gemeldet, so Jürgens Erfahrung. Etwa 95 Prozent von ihnen tauchen innerhalb kurzer Zeit wieder auf. Angehörige sollten sich jedoch keinesfalls scheuen, die Polizei aufzusuchen, appelliert Jürgens. „Wenn jemand Befürchtungen hat, dass einem Familienangehörigen etwas zugestoßen ist, sollte er auf jeden Fall zur Polizei kommen.“Dann würden gemeinsam die weiteren Schritte besprochen. (grü)