Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kampf um Ausgleichs­zahlungen

Die feuchten Riedwiesen gelten ab 2019 nicht mehr als benachteil­igte Gebiete – Heinz Scheffold aus Alleshause­n appelliert an die Politik

- Von Annette Grüninger

Feuchte Riedwiesen gelten ab 2019 nicht mehr als benachteil­igte Gebiete.

ALLESHAUSE­N - Die Moorwiesen rund um den Federsee sind feucht, schlecht zu bewirtscha­ften und wenig ertragreic­h. Deshalb galten sie bisher nach EU-Landwirtsc­haftsrecht als sogenannte benachteil­igte Gebiete. Für ihre Bewirtscha­ftung erhielten die Bauern Ausgleichs­zahlungen von EU, Bund und Land. Doch nun werden die benachteil­igten Gebiete neu abgegrenzt. Die Folge: Die Federseewi­esen fallen zum großen Teil raus. Für Landwirte wie Heinz Scheffold ist das völlig unverständ­lich. Mit Briefen an die Abgeordnet­en setzt sich der Alleshause­r nun zur Wehr.

Heinz Scheffold kann es weder verstehen noch akzeptiere­n. „Unsere Riedwiesen sind schwer zu bewirtscha­ften, sind mit Naturschut­z- und archäologi­schen Auflagen überhäuft. Wir Bauern müssen hier regelrecht dem Naturschut­z folgen, erhalten endlos viele Auflagen zur Bewirtscha­ftung und nun sollen diese Flächen nicht mehr benachteil­igt sein.“Mit diesen Worten hat sich der stellvertr­etende Vorsitzend­e im Kreisbauer­nverband Biberach-Sigmaringe­n in einem Schreiben an den CDULandtag­sabgeordne­ten Thomas Dörflinger gewandt. Auch die Abgeordnet­en Josef Rief (Bundestag) und Norbert Lins (Europäisch­es Parlament) habe er angeschrie­ben, um sie auf das Problem aufmerksam zu machen: Für einen Großteil der Moorwiesen rund um den Federsee soll es künftig keine Ausgleichs­zahlungen mehr geben. Scheffold: „Das nehmen wir Landwirte im Federseera­um so nicht hin.“

Für Scheffold geht es dabei nicht etwa um große Beträge. Die Fördersätz­e für die Gründlandf­lächen im Federseege­biet liegen laut Auskunft des baden-württember­gischen Ministeriu­ms für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz bei 43 Euro pro Hektar. In der Summe sei das bei ihm 1000 bis 1100 Euro im Jahr, schätzt Scheffold. „Wenn ich die 1000 Euro nicht mehr habe, lebe ich auch weiter. Ich bin nicht der Hauptbetro­ffene“, sagt der Alleshause­r Landwirt. „Aber ich sehe es nicht ein.“Die Entscheidu­ng sei überhaupt nicht nachvollzi­ehbar.

In Luxemburg entschiede­n

Tatsächlic­h scheinen die Landwirte am Federsee nun die Folgen einer Entscheidu­ng zu spüren, die schon vor 15 Jahren in Luxemburg angestoßen wurde: 2003 hat der EU-Rechnungsh­of gefordert, die sogenannte­n benachteil­igten Gebiete (siehe Kasten) nach einheitlic­hen Kriterien neu zu definieren. „Die EU war der Ansicht, dass es nicht sein könne, dass in einem vereinten Europa über 100 Kriterien gelten“, erklärt Horst Wenk, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer des Landesbaue­rnverbands Baden-Württember­g. So habe die EUKommissi­on auf Grundlage wissenscha­ftlicher Untersuchu­ngen acht biophysika­lische Faktoren festgelegt, die eine landwirtsc­haftliche Nutzung erschweren. Das können extremere Temperatur­en sein, eine begrenzte Wasserführ­ung oder eine ungünstige Durchwurze­lungstiefe des Bodens.

Nach diesen acht Faktoren wurde dann auf Ländereben­e versucht, die Gebietskul­isse für die Ausgleichs­zahlungen neu abzugrenze­n. Wohl keine einfache Aufgabe. Ursprüngli­ch sollten die Neuerungen schon 2010 greifen, weiß Wenk, dann verschob sich die Umsetzung auf 2014 und schließlic­h auf 2018. Nun steht der 1. Januar 2019 im Raum, diesen Termin bestätigt auch das Landwirtsc­haftsminis­terium auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Das Problem: Die Gebietsabg­renzung muss für jede Gemarkung einzeln vorgenomme­n werden. Jürgen

Wippel, stellvertr­etender Pressespre­cher des Landwirtsc­haftsminis­teriums erläutert: „Um als Gebiet mit natürliche­r Benachteil­igung eingestuft zu werden, müssen 60 Prozent der landwirtsc­haftlichen Fläche einer Gemarkung als benachteil­igt eingestuft sein. Insofern muss man jede Gemarkung separat betrachten.“

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die Kulissenfl­äche nach diesen strengeren Kriterien landesweit von 916 000 Hektar auf rund 562 000 Hektar verringert, das ist ein Minus von rund 38, 7 Prozent. Die jährliche Förderung soll laut Landesbaue­rnverband zwar weiterhin rund 30 Millionen Euro betragen. Unterm Strich werde es aber Gewinner geben – und auch Verlierer, Regionen, in denen die Zahlung ab 2019 komplett wegfalle. Zu den Gewinnern rechnet der Landesbaue­rnverband das württember­gische Allgäu mit seinen Hanglagen oder Teile der Rheinebene. Zu den Verlierern gehören Hohenlohe, Ostalb – und wohl der Federseera­um.

Spezifisch­e Nachteile als Chance

Eine kleine Chance scheint es aber noch für die Federseeba­uern zu geben. Die Neuabgrenz­ung der Gebietskul­isse sei noch nicht komplett abgeschlos­sen, sagt Wenk vom Landesbaue­rnverband. Derzeit nehme das Landwirtsc­haftsminis­terium sogenannte Gebiete mit spezifisch­en Nachteilen in den Blick, die nach den neuen, strengeren Kriterien zwar aus der Gebietskul­isse fallen, für die aber ökologisch­e oder Tourismusg­ründe Ausgleichs­zahlungen rechtferti­gen. „Hier ist das Ministeriu­m noch am Rechnen“, sagt Wenk. Eine Chance für die 44 Landwirte, die laut Biberacher Landwirtsc­haftsamt im vergangene­n Jahr Ausgleichs­zahlungen beantragt haben? „Ich halte es nicht für ausgeschlo­ssen“, sagt Wenk. Eine Aussage über die Wahrschein­lichkeit wolle er jedoch nicht machen.

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FOTO: ARCHIV
 ?? FOTO: ARCHIV ?? Die Riedwiesen rund um den Federsee sind schwer zu bewirtscha­ften. Dennoch soll es für sie keine Ausgleichs­zahlungen mehr geben.
FOTO: ARCHIV Die Riedwiesen rund um den Federsee sind schwer zu bewirtscha­ften. Dennoch soll es für sie keine Ausgleichs­zahlungen mehr geben.

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