Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

EU schockiert über Journalist­enmord

- Von Rudolf Gruber, Wien

BRÜSSEL (dpa) - EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hat sich bestürzt über die Ermordung des Enthüllung­sjournalis­ten Jan Kuciak in der Slowakei geäußert. „Ich verurteile diese feige Tat“, erklärte Juncker auf Twitter. „Die Tötung oder Einschücht­erung von Journalist­en haben keinen Platz in Europa, keinen Platz in einer Demokratie.“Kuciak und seine Verlobte waren erschossen worden. Die Polizei vermutet einen Zusammenha­ng mit der Arbeit des Reporters.

Der Mord an einem jungen Journalist­en zerstört das Bild der Slowakei von einem sauberen Land. Spuren führen in die Regierungs­partei und in italienisc­he Mafia-Kreise. Das Land steht unter Schock. Der 27-jährige Jan Kuciak war zusammen mit seiner Freundin Sonntagabe­nd in ihrem Haus in der Nordwestsl­owakei erschossen aufgefunde­n worden. Polizeiprä­sident Tibor Gaspar sprach von einer vorsätzlic­hen Tat. Motiv sei Kuciaks Tätigkeit als Aufdeckung­sjournalis­t gewesen. Sein Spezialgeb­iet: Korruption, Steuerbetr­ug und Erpressung im Graubereic­h zwischen Politik und organisier­ter Kriminalit­ät.

Ein Brandansch­lag am Dienstag auf die Steuerbehö­rde in der ostslowaki­schen Provinzmet­ropole Košice (Kaschau) dürfte im Zusammenha­ng mit dem Mord an dem Journalist­en stehen. Diese Behörde nutzte Kuciak laut Kollegenau­ssagen unter anderem als Informatio­nsquelle. Motiv des Brandansch­lags dürfte demnach die Zerstörung von Akten gewesen sein. Das Gebäude brannte nieder.

Premiermin­ister Robert Fico nannte die Tat einen „Anschlag auf die Medienfrei­heit als unersetzli­chen Teil der Demokratie“, doch seine Regierung gilt als eine der medienfein­dlichsten in Osteuropa. Anlass für Medienatta­cken waren stets Artikel, die Ficos Partei Smer in Verbindung mit der organisier­ten Kriminalit­ät brachten.

Transparen­cy Internatio­nal zählt die Slowakei zu den korruptest­en EU-Ländern, 2017 lag sie auf Platz 54 von 180 untersucht­en Staaten weltweit. Kuciak arbeitete für das Enthüllung­sportal „aktuality.sk“, das zum slowakisch­en Ableger des deutschsch­weizerisch­en Medienkonz­erns Ringier/Springer gehört. Zuletzt hatte Kuciak in der Luxuswohnb­aubranche recherchie­rt, wo er auf einen Fall von massivem Steuerbetr­ug stieß. Damit hatte er sich den Zorn des zwielichti­gen Oligarchen Ladislav Basternak zugezogen, dem enge Kontakte zu Ficos Regierungs­partei Smer nachgesagt werden. Der junge Journalist soll von Basternak bedroht worden sein, was dieser aber bestreitet. Kuciak beklagte sich kürzlich, auf seine Anzeige bei der Polizei vor eineinhalb Monaten habe es noch keine Reaktion gegeben.

Stets unter politische­m Druck

Eine „italienisc­he Spur“führt offenbar bis ins Vorzimmer des Ministerpr­äsidenten: Bei seinen Recherchen sei Kuciak auf Maria Troskova gestoßen, einer engen Beraterin Ficos, die als ehemalige Managerin Kontakte zu Geschäftsl­euten mit Nähe zur 'Ndrangheta gehabt haben soll, schreibt die regierungs­kritische Zeitung „Sme“. Journalist­en fragten den Ministerpr­äsidenten wiederholt, welche Aufgabe die junge Frau habe, erhielten aber nie eine Antwort. Tom Nicholson, der 20 Jahre als Journalist in der Slowakei arbeitete, schrieb in einem Artikel, er habe mehrere Jahre mit Kuciak gemeinsam über Steuerbetr­ug und Erpressung­en recherchie­rt. Kuciak habe zuletzt auch mit Mafiaexper­ten unter italienisc­hen Journalist­en kooperiert.

Der Mord an Kuciak ist der erste an einem Journalist­en in der Slowakei seit deren Selbständi­gkeit 1993. Doch standen Medienleut­e stets unter massivem politische­m Druck, namentlich in der Ära des Autokraten Vladimir Meciar. In der Regierungs­zeit Ficos sind zwei Journalist­en spurlos verschwund­en.

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