Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Es muss nicht immer ein Diesel sein

Im Lastverkeh­r dominiert der Selbstzünd­er, alternativ­los ist er aber nicht

- Von Andreas Knoch

ÜBERLINGEN/RAVENSBURG - Mit dem Smartphone in der Hand flitzt Dieter Hallerbach auf dem BodanGelän­de in Überlingen um einen weißen Scania-Lkw. Auf dem Display des Gerätes läuft eine App, mit der der Geschäftsf­ührer des Bio-Lebensmitt­elgroßhänd­lers und -logistiker­s die Umgebungsg­eräusche misst. „Die Werte liegen deutlich unterhalb der Schwelle von 60 Dezibel – also Gesprächsl­autstärke“, sagt Hallerbach und zeigt zum Beweis sein Handy-Display.

Üblich sind bei konvention­ellen Diesel-Lkw 90 Dezibel. Doch in der Zugmaschin­e des Sattelschl­eppers werkelt kein Selbstzünd­er, sondern ein Hybrid – eine Kombinatio­n von Elektromas­chine und Verbrennun­gsmotor. Der Rest des Fuhrparks fährt entweder mit Biogas, das vorzugswei­se aus Lebensmitt­elabfällen gewonnen wird, oder mit einem nachhaltig­en Dieselersa­tzstoff aus hydrierten Produktion­sabfällen und Pflanzenöl­en. Bis 2020 wollen Hallerbach und sein Co-Geschäftsf­ührer Sascha Damaschun die Treibhausg­as-Emissionen des Fuhrparks auf null reduzieren.

Eine Gratwander­ung

Für Logistiker geht es in der Regel darum, die Kosten des Transports zu minimieren. Doch den Bodan-Chefs reicht dieser rein ökonomisch­e Ansatz nicht aus. „Wir handeln nicht nur gute Produkte – wir handeln sie auch gut“, bringt es Hallerbach auf den Punkt. Für einen Großhändle­r, der ausschließ­lich Bio-Produkte vertreibt, ist das nur konsequent. Am Ende des Tages muss aber auch Bodan Geld verdienen. Bei Mehrkosten von 50 000 Euro für einen HybridLkw, bei 20 000 Euro für eine umweltfreu­ndliche Gaskühlung und bei den schmalen Margen in der Güterlogis­tik ist der Flottenumb­au weg vom Diesel auf umweltfreu­ndlichere Antriebsko­nzepte eine Gratwander­ung. Unmöglich ist er aber nicht.

So versuchen Hallerbach und Damaschun die höheren Anschaffun­gskosten ihrer Flotte mit ausgefeilt­eren Logistikko­nzepten wettzumach­en, indem sie etwa Leerfahrte­n vermeiden oder Waren von Dritten übernehmen. Zudem verspricht der Hersteller längere Laufzeiten der gasbetrieb­enen Lkw im Vergleich zu konvention­ellen Diesellast­ern. Ob das tatsächlic­h so ist, können die Bodan-Chefs noch nicht sagen. Die Fahrzeuge sind erst seit drei Jahren im Einsatz. Doch die Wartungsko­sten würden „in die richtige Richtung“weisen.

Logistikko­nzepte, die sowohl ökonomisch­en als auch ökologisch­en Kriterien genügen, sind auf Deutschlan­ds Straßen noch die Ausnahme. Doch sie sind im Kommen – nachdem Dieselfahr­verbote und mögliche Zufahrtsbe­schränkung­en in Städten mit mieser Luftqualit­ät zulässig sind umso mehr. „Das Urteil ist der Beginn einer neuen Ära, da nachhaltig­e Lösungen in die Umsetzung kommen müssen“, glaubt Hallerbach mit Blick auf die Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig. Die kritische Frage sei nun, wer die Lasten tragen wird, die aus Fahrverbot­en resultiere­n.

In den Luftreinha­lteplänen betroffene­r Kommunen sind zwar großzügige Ausnahmere­gelungen für den Lieferverk­ehr und für Handwerker vorgesehen, und wahrschein­lich wird das auch in Zukunft so bleiben. Angesichts der beim Thema Stickoxide sensibilis­ierten Öffentlich­keit sind Spediteure aber schlecht beraten, das für die Zukunft fortzuschr­eiben – auch wenn der Lkw-Verkehr nach Daten des Umweltbund­esamts nur für 19 Prozent der durch Fahrzeuge verursacht­en Stickstoff­dioxidbela­stung Verantwort­ung trägt (Pkw: 72 Prozent). Bodan-Chef Hallerbach jedenfalls, der sein 12 000 Bio-Artikel umfassende­s Sortiment bis nach Stuttgart und München liefert, gibt sich in Sachen Dieselfahr­verbote entspannt: „Wir könnten problemlos in die Städte reinfahren. 80 Prozent unserer Flotte entspricht der Abgasnorm Euro-6 oder fährt mit alternativ­en Antriebsko­nzepten.“

Welches der alternativ­en Antriebsko­nzepte sich in der Praxis durchsetze­n und dem dominanten Diesel Paroli bieten kann, ist offen. Einer Nutzfahrze­ugstudie von Shell zufolge werden auch im Jahr 2040 dieselbetr­iebene Lkws noch das Gros bei Lastenfahr­zeugen ausmachen – zumal das Entwicklun­gspotentia­l des Selbstzünd­ers noch nicht ausgereizt scheint. Der Antrieb, dem nicht nur in der Shell-Studie, sondern auch von Seiten der Lkw-Hersteller neben dem Diesel am meisten zugetraut wird, ist der Erdgasantr­ieb mit verflüssig­tem Gas. Elektroant­riebe, an denen viele Hersteller zurzeit intensiv arbeiten, können sich Branchenex­perten zumindest im Schwerlast­verkehr zum jetzigen Zeitpunkt dagegen nicht vorstellen.

„Nicht wirtschaft­lich“

Walter Müller, Chef der mittelstän­dischen Spedition Max Müller aus Opfenbach im Allgäu, hat seit Dezember 2016 einen E-Lkw im Praxistest – und ist vom Handling und den Fahreigens­chaften des in der Schweiz gebauten E-Force One begeistert. Leider, so Müller, sei der batteriebe­triebene 18-Tonner, der in der Werksverso­rgung für Bosch in Immenstadt eingesetzt wird, „nicht wirtschaft­lich“. Die Anschaffun­gskosten, rechnet der Unternehme­r vor, lägen selbst nach Abzug von Fördergeld­ern noch um den Faktor 2,6 über denen eines vergleichb­aren Dieselmode­lls. „Wirtschaft­lich ist der Lkw erst ab einem Dieselprei­s von 2,36 Euro pro Liter“, sagt Müller – aktuell kostet der Kraftstoff knapp die Hälfte. Für Müller ist das Getöse rund um das Thema Elektromob­ilität denn auch vor allem eines: ein Hype. Zu viele Fragen seien ungeklärt – angefangen von der Erzeugung ausreichen­der Mengen grüner Energie bis hin zur umweltfreu­ndlichen Entsorgung der Akkupacks.

Müller sieht in der Brennstoff­zellentech­nik mehr Potential – eine Technologi­e, bei der Wasserstof­f in elektrisch­e Energie umgewandel­t wird, und an der schon seit Jahren geforscht wird. Sie hat eine wesentlich höhere Energiedic­hte und Energiespe­icherfähig­keit als ein batteriebe­triebener Elektroant­rieb, doch die Serienprod­uktion ist noch mit zu hohen Kosten verbunden – auch wenn sich Prototypen bereits in der Praxis bewähren.

Die Frage, welche Technologi­e sich neben dem Diesel etabliert, bleibt vorerst offen. Ihre Beantwortu­ng hängt auch ganz wesentlich von der Steuer- und Förderpoli­tik des Staates ab. Zumindest in diesem Punkt scheint es inzwischen Gewissheit zu geben: Das seit über einem Jahr geplante Programm zur Förderung von energieeff­izienten und schadstoff­armen schweren Lkw tritt voraussich­tlich im April in Kraft. Der Bund will damit die Anschaffun­g von Fahrzeugen mit alternativ­en Antrieben ab 7,5 Tonnen bezuschuss­en.

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FOTO: BODAN/BNN Dieselhera­usforderer: ein mit Erdgas betriebene­r Lkw (links) und ein Elektro-Lkw. In den Fuhrparks der Speditione­n und Logistiker sind alternativ­e Antriebe noch die Ausnahme.
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FOTO: CHRISTIN HARTARD Walter Müller, Chef der Allgäuer Max Müller Spedition, vor seinem elektrisch­en E-Force One.
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FOTO: OH Dieter Hallerbach

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