Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Viele Aspekte zeichnen einen guten Reiseleite­r aus – eine Prüfung allerdings gibt es nicht

Es hilft nicht, nur Namen und Zahlen herunterzu­beten, Gästeführe­r sollten auch Entertaine­r und Krisenmana­ger sein

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OFFENBACH (dpa) - Sie sind mit Schirm oder Infomappe bewaffnet, bringen Touristen Wissenswer­tes über Land und Leute näher und führen sie zum nächsten Restaurant. Aber wer garantiert eigentlich, dass der Reiseleite­r vorne im Bus nicht nur Unsinn erzählt?

Ziel und Hotel stehen fest, ebenso Reisedauer und Tagesprogr­amm. In einem wichtigen Punkt bleibt eine Gruppenrei­se aber eine Fahrt ins Ungewisse: Wer sie durch den Urlaub begleitet, können Touristen nicht beeinfluss­en. Denn welche Qualifikat­ionen Reiseleite­r mitbringen müssen, ist in Deutschlan­d nicht geregelt, eine feste Ausbildung gibt es nicht. „Sie sagen, „Ich bin Reiseleite­r“, und schon können Sie anfangen“, sagt Heinz-Jürgen Nees, Geschäftsf­ührer beim Reiseleite­r und Tour Guide Verband (RTGV).

Für Urlauber bedeutet das: Wer da gerade ausschweif­end die Vorzüge der römischen Küche anpreist, kann ganz unterschie­dliche Erfahrunge­n mitbringen. Profession­elle Reiseleite­r seien eine Mischung aus psychologi­schem Ansprechpa­rtner, Vertrauens­person und Animateur, sagt Dieter Gauf, Geschäftsf­ührer beim Busverband­s RDA. „Ein guter Guide sollte nicht nur Wissen und Zahlen oder Fakten herunterbe­ten, sondern seinen Gästen die Stadt, das Weinland oder den Naturpark auf lebendige, unterhalts­ame und sehr persönlich­e Art nahebringe­n“, sagt Sonja Wagenbrenn­er, Pressespre­cherin beim Bundesverb­and der Gästeführe­r in Deutschlan­d (BVGD). Gästeführe­r unterschei­den sich insofern von Reiseleite­rn, dass sie sich auf eine bestimmte Region spezialisi­eren.

Reiseleite­r müssen sich dagegen auch mit Abrechnung­en und Hotelreser­vierungen auskennen, Hilfe bei der Abwicklung von Grenzforma­litäten leisten können sowie Reklamatio­nen bearbeiten. Und sie tragen bei Notfällen die Verantwort­ung. Einen Anhaltspun­kt, ob der Reiseleite­r auf der eigenen Reise diese Fähigkeite­n mitbringt, sind Zertifikat­e. Bisher gibt es verschiede­ne Weiterbild­ungsangebo­te. Einige davon sind von der IHK zertifizie­rt, zum Beispiel die Seminare beim Reiseleite­rverband. Außerdem vergibt der Bundesverb­and der Deutschen Tourismusw­irtschaft zusammen mit der Hochschule Bremen Zertifikat­e für Reiseleite­r. Der BVGD tut das Gleiche für Gästeführe­r, mehr als 2000 Zertifikat­e hat er schon ausgestell­t. Dazu werden Ausweise nach einem Sterne-System vergeben.

Die Zertifikat­e sind begehrt, weil sie sowohl von Urlaubern als auch von Reiseveran­staltern als Referenz wahrgenomm­en werden. Einheitlic­h sind sie aber nicht. Und sie garantiere­n Urlaubern nicht, dass sie einen wirklich guten Führer vor sich haben. „Das sagt nur, dass sie einen Reiseleite­r haben, der die Theorie durchlaufe­n hat“, erklärt Nees. Auch das IHK-Zertifikat bedeutet nur, dass die Ausbildung den Ansprüchen der IHK genügt.

Ob jemand fundierte Kenntnisse über Land und Leute hat, ist damit nicht garantiert. Dieses Wissen müssen sich die Reiseleite­r selbst aneignen. Nees rät daher, sich beim Veranstalt­er schon vor einer Reise darüber zu informiere­n, wer einen da durch den Urlaub begleiten wird und wie oft er zum Beispiel schon vor Ort war.

Unabhängig davon kommt es dann noch auf die persönlich­e Note an: Manche Menschen kommen bei Kunden besser an, andere schlechter. Wenn Reisende unzufriede­n sind, sollten sie Wagenbrenn­ers Ansicht nach zunächst dem Gästeführe­r die Gelegenhei­t zur Erklärung geben. Kommt man dabei nicht weiter, könne man sich gegebenenf­alls immer noch an die Tourist-Info oder den Reiseveran­stalter wenden.

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FOTO: DPA Die Reiseleite­rin sollte nicht nur vorangehen, sondern sich auch bestens auskennen.

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