Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Helfer ernten Wut statt Verständni­s

Anwohnerin ist wütend, weil DRK beim Rettungsei­nsatz die Straße blockiert – Polizei muss für Klarheit sorgen

- Von Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Es war eigentlich ein ganz normaler Einsatz am Mittwochna­chmittag in Riedlingen. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdi­enst werden wegen eines häuslichen Notfalls gerufen. Ein Mensch ist in Gefahr. Die Rettungskr­äfte parken ihre Fahrzeuge möglichst nah vor dem Haus und blockieren damit die enge Straße. Doch anstatt Verständni­s ernten die Rettungskr­äfte Wut. Eine Anwohnerin fordert sie mehrfach wütend auf, endlich die Straße frei zu machen, weil sie einen Termin habe. Am Ende muss die Polizei eingreifen und die Frau zur Räson bringen.

Michael Wissussek, der Einrichtun­gsund Pflegedien­stleiter der Seniorenge­nossenscha­ft Riedlingen, ist auch einen Tag später über das Verhalten der Anwohnerin verärgert. „Wir machen das doch nicht zum Spaß, da ging es um die Rettung von Menschenle­ben“, sagt er.

Wissussek war als Erster am Einsatzort, weil einer seiner Klienten in Gefahr war. Auch er parkte zunächst auf der Straße. Mitten im Telefonat mit der Polizei sei seine Fahrertür aufgerisse­n worden und in barschem Ton wurde er angeherrsc­ht, dass er hier sofort wegfahren solle. Was er nach Ende des Telefonats auch getan hat.

Doch weil ein häuslicher Notfall in der Wohnung vermutet wurde – was sich hernach auch bestätigte – wurden noch Rettungsdi­enst, Polizei und Feuerwehr alarmiert. Der Rettungswa­gen kam mit Blaulicht und parkte in der Einbahnstr­aße, direkt dahinter die Feuerwehr. Die Anwohnerin drängte dann auch hier darauf, dass die Fahrzeuge weg fahren, weil sie zu einem Termin müsse. Die Polizei schritt ein und erläuterte der Frau, dass ein Einsatz laufe. Wütend sei sie weg gegangen, berichtet Rettungsas­sistent Maik Materne. Nur um ein paar Minuten später nochmals aufzukreuz­en. Wiederum habe die Polizei ihr in deutlichen Worten die Situation erklärt. Wenige Minuten später kam ein Mann, der von ihr geschickt war. Auch er wurde von einem Polizisten zurechtgew­iesen. Erst danach war Ruhe.

Rund 45 Minuten habe der Einsatz insgesamt gedauert, bis die hilflose Person aus dem Haus gebracht und mit dem Rettungsdi­enst in die Klinik gebracht werden konnte. 45 Minuten Einsatzzei­t für die Rettung einer hilflosen Person. Zu lange für die Anwohnerin. „Das ist ein dicker Hund“, sagt Wissussek, „es kann doch nicht sein, dass Egozentrik vor Lebensrett­ung steht“, sagt er. Er würde sich wünschen, dass so ein Verhalten von der Polizei mit einem Bußgeld geahndet werden könnte.

Er ist verärgert, weil dies kein Einzelfall mehr ist – auch wenn es für Maik Materne das erste Mal in sieben Jahren Rettungsdi­enst war, dass er so etwas erlebt hat. Doch Wissussek hat einen ähnlichen Vorfall bereits hinter sich gebracht und er sieht eine Tendenz: Dass Rettungskr­äfte aus Egoismus in ihrem Tun behindert werden. „Früher war klar: Wenn ein BlaulichtF­ahrzeug kommt, dann helfe ich oder ich trete zurück“, so Wissussek. Das sei nicht mehr so, die Wertschätz­ung für den Dienst am Nächsten sinkt.

Das bestätigt auch Michael Mutschler, Geschäftsf­ührer des Rettungsdi­ensts im DRK-Kreisverba­nd Biberach: Übergriffe auf den Rettungsdi­enst nehmen zu. Kolleginne­n werden begrabscht, Mitarbeite­r im Einsatz werden beschimpft, bespuckt und an Silvester wurden zwei Mal Notarztwag­en im Einsatz mit Böllern beschossen, führt Mutschler einige Beispiele auf.

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SYMBOLFOTO: ARCHIV/DPA Das DRK beklagt zunehmende Übergriffe.

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