Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das Klima in der EU wird kühler
Einst schrieb Hermann Hesse: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“Auf diesen Zauber hoffen in Italien rund 70 Prozent aller Wähler. Diejenigen, die am Wahlsonntag Parteien gewählt haben, die mit der politischen Vergangenheit brechen wollen. Das ist eine Koalition aus Mitte-rechts-Parteien, die jetzt vom ultrarechten Lega-Chef Matteo Salvini geführt wird. Und das ist die inzwischen stärkste Partei Italiens, die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich als weder links noch rechts definiert und recht populistische Ansichten vertritt. Auf den Schultern dieser Bewegung frustrierter Bürger und der rechten Lega ruht nun Italiens politische Zukunft.
Doch wenn so viele Italiener sich für den Zauber eines politischen Neuanfangs entschieden haben, gibt es dann keinen Grund zur Hoffnung? Sollte man nicht miteinstimmen in den Chor derer, die behaupten, dass man den Siegern eine Chance geben sollte? Sicherlich, denn schließlich haben sie die demokratischen Wahlen gewonnen. Auch wenn es vielen anderen, darunter der EU-Kommission in Brüssel sowie den Regierungen in Paris und Berlin nicht passt.
Von Zauber kann aber aufseiten der Enttäuschten in Italien und im übrigen Europa keine Rede sein. Sie werden sich mit einer Regierung herumschlagen müssen, die Einwanderer am liebsten ins Mittelmeer zurück befördern möchte, die Italiens und Europas Grenzen dicht verschließen will, die eine Einheitssteuer und ein Grundgehalt für alle arbeitenden Bürger einführen will.
Die Sieger, so unterschiedlich sie auch sind, drohen zwar nicht mehr mit dem Austritt aus der EU, aber mit knallharten Forderungen an Brüssel. Die leidenschaftlichen EU-Befürworter in Berlin und Paris bekommen jetzt also auch noch Gegenwind aus Rom und nicht nur aus Ost- und Südwesteuropa. Das Klima in der EU wird noch kühler. Mit Leuten wie Lega-Chef Salvini und der Führung der Fünf-Sterne-Bewegung, die in Brüssel den Leibhaftigen am Werke sieht, wird nicht gut Kirschen essen sein. Es sei denn in Italien geschieht ein Wunder. Aber wer glaubt noch an politische Wunder?