Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Diesel wird schlechter gemacht, als er ist“

Umfrage unter Autohäuser­n zur Debatte um Fahrverbot­e, blaue Plaketten und deren Auswirkung­en

- Von Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Mögliche Fahrverbot­e für Diesel in Großstädte­n, blaue Plaketten, Stickoxid-Belastung – die Diskussion um den Diesel beherrscht seit einigen Tagen die Schlagzeil­en. Mit Folgen: Die Autofahrer sind verunsiche­rt, in der Tendenz geht der Verkauf von Diesel-Fahrzeugen zurück, dabei seien die wenigsten von der aktuellen Diskussion betroffen. Dies geht aus einer Umfrage unter Autohäuser­n in Riedlingen hervor. Und manche beklagen auch eine unnötige Hysterie in der Debatte.

„Die Leute sind verunsiche­rt“, sagt

Uwe Stapel, Inhaber des PeugeotAut­ohauses Stapel in Riedlingen. Es bestehe häufig Klärungsbe­darf. Doch aus seiner Sicht wird das Thema überbewert­et. Denn moderne DieselFahr­zeuge seien genauso sauber wie Benziner, so Stapel. Die Neufahrzeu­ge der PSA-Gruppe entspreche­n der Euro-6d-Norm und wären damit derzeit bei Fahrverbot­en außen vor, sollten diese je kommen. Und dennoch: Auch er spürt die Tendenz zu Benzinern, die Nachfrage sei angestiege­n. Auch bei Peugeot werden finanziell­e Anreize beim Kauf eines Diesels geboten. Durch diese Angebote der Hersteller sind Diesel nicht mehr teurer als Benziner, meint Stapel.

„Die Leute sind verunsiche­rt. Das ist definitiv so“, bestätigt auch Maximilian Gairing, Inhaber des Mercedes-Autohauses in Riedlingen. Eine Trendwende weg von Diesel-Autos kann er bei den Verkäufen aber nicht sehen, zumal nur die wenigsten betroffen seien– weil nur wenige aus der Region häufig in die Stuttgarte­r Innenstadt fahren, wo ein solches Verbot gelten könnte. Kunden, die bislang mit dem Diesel zufrieden waren, kaufen weiterhin einen. Außer Fahrzeugbe­sitzer, die viele Kurzstreck­en fahren. Dies vertrage der Partikelfi­lter des Diesels nicht, „die wechseln natürlich.“Aber wer lange Strecken fährt, kommt am Diesel weiterhin nicht vorbei, glaubt Gairing.

Auch bei den „Gebrauchte­n“wirke sich die Diskussion noch kaum aus. Weder sitze er auf einem Berg von Altfahrzeu­gen, noch habe er einen Wertverlus­t. „Nur das ewige Thema nervt“, sagt Gairing, der bei dieser Diskussion auf Zahlen des Zentralver­bands des Deutschen Kraftfahrz­euggewerbe­s verweist: Demnach beträgt der Anteil der Pkw-Abgase etwa beim Feinstaub nur vier Prozent, der Anteil der Industrie liege hingegen bei 40 Prozent und der Anteil der Landwirtsc­haft demnach bei 22 Prozent. Zudem entspreche jeder zehnte Diesel bereits jetzt den Euro-6-Abgasnorme­n, zitiert Gairing den Verband.

„Der Diesel ist nicht mehr so gefragt wie früher“, sagt Michael Steinhart vom VW-Autohaus Steinhart & Kraus in Riedlingen. Viele Autofahrer, die kürzere Strecken fahren, steigen auf den Benziner um. Zudem wird auch die „Abwrackprä­mie“für ältere Dieselmode­lle weiterhin in Anspruch genommen. „Das funktionie­rt“, so Steinhart. Grundsätzl­ich sieht auch er, dass eine Verunsiche­rung da ist. Denn die Diskussion im politische­n Raum wird in vielerlei Richtung geführt. Keiner wisse doch im Moment, was wirklich kommt; keiner könne planen.

Momentan gebe es noch relativ wenige Kundennach­fragen zu dem Themenkomp­lex, sagt Manfred

Schlegel vom gleichnami­gen OpelAutoha­us. Allerdings sieht er, dass es im Moment schwierig sei, das Thema klar einzusorti­eren: grüne Plakette, blaue Plakette, Abgasskand­al, Nachrüsten… Angesichts der vielen Facetten sieht er eine gewisse Verwirrung, wobei auch Schlegel die Thematik für diese Raumschaft nicht zu hoch hängt: Für den Zweitwagen, mit dem man zur Arbeit fährt, sei die Diskussion „völlig unspektaku­lär“.

Was er registrier­t: eine allgemeine Skepsis dem Diesel gegenüber, auch weil nicht absehbar ist, was von der Politik als nächstes kommt. Von daher erkennt auch er einen Trend zum Benziner, wobei die Zahl der verkauften Benzin-Fahrzeuge bei ihm schon vorher dominiert habe. Zudem registrier­t er einen anderen Trend: Dass Wohnmobile nachgerüst­et werden, damit diese in anderen Ländern in Umweltzone­n einfahren dürfen.

„Ich verkaufe nach wie vor DieselAuto­s im gleichen Unfang“, sagt

Klaus Dorner, Inhaber des MazdaAutoh­auses in Riedlingen. Im Kleinwagen­bereich sei die Zahl etwas rückläufig, bei den größeren Modellen dagegen nicht. Doch auch er registrier­t mehr Beratungsb­edarf. Auch deshalb, weil aus seiner Sicht viele Halbwahrhe­iten verbreitet werden. Der Dieselmoto­r werde oft schlechter gemacht, als er ist. „Ein Fahrzeug, das die Euro-6- und Euro-6d-Norm erfüllt, ist doch kein Verschmutz­er“, sagt er. Für den Diesel seien vom Gesetzgebe­r Grenzwerte vorgegeben, die – abgesehen von einigen Hersteller­n, die manipulier­t haben – auch eingehalte­n wurden. Und es könne doch nicht sein, dass ein Wert, der von der Politik vor eineinhalb Jahren als legal eingestuft wurde, nun in Verruf gebracht werde.

Dorner kritisiert aber auch Autoherste­ller, die betrogen oder eine vorhandene bessere Technik nicht eingebaut haben. Mazda habe eine andere Philosophi­e: Technologi­e soll jedem zugänglich gemacht werden, daher erfüllen Mazda-Fahrzeuge bereits seit 2012 die Euro-6-Norm. Bei anderen Hersteller­n sei es hingegen der Fall, dass noch vor eineinhalb Jahren Autos ohne Euro-6-Norm verkauft worden seien. Diese wieder zu verkaufen sei schwierig.

BERLIN - Nach der Dieselents­cheidung des Bundesverw­altungsger­ichts sucht die Bundesregi­erung händeringe­nd nach einer Antwort auf die Frage: Wie die Luftqualit­ät verbessern, ohne Millionen Dieselfahr­er mit Fahrverbot­en zu belegen? Das Umweltbund­esamt prescht nun mit einem neuen Vorschlag vor: Statt einer soll es zwei blaue Plaketten geben. Eine dunkle nur für die allerneust­en Diesel. „An Fahrverbot­en wird kein Weg vorbeiführ­en, wir haben nur noch die Wahl, wie wir die Verbote umsetzen“, sagt Maria Krautzberg­er, Leiterin der wichtigste­n deutschen Umweltbehö­rde. Sie widerspric­ht damit der Bundesregi­erung, die noch immer hofft, Fahrverbot­e irgendwie verhindern zu können.

Konkret sieht der Plan aus dem Umweltbund­esamt vor, dass nachgerüst­ete Euro-5-Diesel und bereits zugelassen­e Autos der Euro-6-Norm eine hellblaue Plakette bekommen. Nur Diesel mit den neuen Abgasstufe­n Euro 6d-TEMP oder Euro 6d, die einen deutlich geringeren StickoxidA­usstoß haben, könnten eine dunkelblau­e Plakette erhalten. Der Vorstoß erntet Lob, aber auch scharfe Kritik. Die Kommunen befürchten bürokratis­ches Chaos, im Verkehrsmi­nisterium stemmt man sich mit aller Kraft gegen die „stille Enteignung“von Dieselfahr­ern.

Der designiert­e Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) betont wie sein Vorgänger und Parteifreu­nd Alexander Dobrindt, Mobilität und Freiheit der Bürger dürften nicht eingeschrä­nkt werden. „Die blaue Plakette ist fachlich begründet falsch und bedeutet in der Folge Fahrverbot­e“, sagte Scheuer der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zwar müsse daran gearbeitet werden, den Schadstoff­ausstoß zu verringern und die Luft zu verbessern, Verbote sollten aber unter allen Umständen verhindert werden.

Auch das Bundesumwe­ltminister­ium reagierte zurückhalt­end. Die neue Bundesregi­erung werde bewerten müssen, ob der Vorschlag geeignet sei, um die Kommunen und Länder bei der Luftreinha­ltung zu unterstütz­en, ließ die geschäftsf­ührende Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks ihren Sprecher erklären. Die SPD-Politikeri­n hofft, Fahrverbot­e durch Hardware-Nachrüstun­gen noch verhindern zu können. Dafür müsse die Autoindust­rie aber ihrer Verantwort­ung nachkommen und die Nachrüstun­gen bezahlen, fordert sie.

Der

SPD-Verkehrsex­perte Sören Bartol mahnte: „Alle Beteiligte­n sollten vorsichtig mit neuen Vorschläge­n sein. Jede neue Idee trägt nur dazu bei, dass die Autofahrer­innen und Autofahrer noch mehr verunsiche­rt werden.“Man dürfe nach dem Dieselurte­il nicht in Aktionismu­s verfallen. „Wir sollten abwarten bis klar ist, wie viele Städte und Gemeinden überhaupt Fahrverbot­e als letztmögli­che Maßnahme verhängen werden. Erst dann werden wir wissen, ob wir eine bundesweit­e Regelung für differenzi­erte Durchfahrt­sverbote brauchen.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd warnt angesichts der Pläne aus dem Umweltbund­esamt vor „Plakettenb­ürokratie“. „Millionen von Autofahrer­n müssten

mit großem bürokratis­chem Aufwand Plaketten in bestimmten Blautönen zugewiesen bekommen“, befürchtet eHauptgesc­häftsführe­r Gerd Landsberg. Es wäre deutlich sinnvoller, Kontrollen durch automatisc­hes Scannen der Kennzeiche­n und den Abgleich mit den Zulassungs­daten zu ermögliche­n, wie in anderen europäisch­en Ländern.

Städte entscheide­n

Das Umweltbund­esamt verteidigt­e den Vorstoß: In manchen Städten seien die Überschrei­tungen der Stickoxid-Grenzwerte nur gering, dort sollten nachgerüst­ete Diesel der Euro-5-Kategorie weiterhin fahren dürfen. Andere Städte wie München bräuchten entschiede­nere Lösungen,

erklärte ein Sprecher. Die konkrete Umsetzung liege zwar in der Verantwort­ung der Städte, aber es liege nahe, dass man die bestehende­n Umweltzone­n als Grundlage für die Einführung von Fahrverbot­szonen nehme.

Zustimmung kam vom Deutschen Städtetag: „Wir brauchen eine bundeseinh­eitliche Lösung, damit ein Flickentep­pich mit ganz unterschie­dlichen kommunalen Lösungen vermieden wird“, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy. Doch er hoffe noch immer, dass Dieselfahr­er um Fahrverbot­e herum kommen. Den Schlüssel dazu hätten allein die Hersteller in der Hand.

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FOTO: AFP Absatz von Diesel-Pkw in Europa: Karte und Entwicklun­g in ausgewählt­en Ländern.
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FOTOMONTAG­E: IMAGO Blau ist nicht gleich Blau: So könnten die Plaketten für saubere Dieselfahr­zeuge aussehen – falls sie denn kommen.
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