Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Diesel wird schlechter gemacht, als er ist“
Umfrage unter Autohäusern zur Debatte um Fahrverbote, blaue Plaketten und deren Auswirkungen
RIEDLINGEN - Mögliche Fahrverbote für Diesel in Großstädten, blaue Plaketten, Stickoxid-Belastung – die Diskussion um den Diesel beherrscht seit einigen Tagen die Schlagzeilen. Mit Folgen: Die Autofahrer sind verunsichert, in der Tendenz geht der Verkauf von Diesel-Fahrzeugen zurück, dabei seien die wenigsten von der aktuellen Diskussion betroffen. Dies geht aus einer Umfrage unter Autohäusern in Riedlingen hervor. Und manche beklagen auch eine unnötige Hysterie in der Debatte.
„Die Leute sind verunsichert“, sagt
Uwe Stapel, Inhaber des PeugeotAutohauses Stapel in Riedlingen. Es bestehe häufig Klärungsbedarf. Doch aus seiner Sicht wird das Thema überbewertet. Denn moderne DieselFahrzeuge seien genauso sauber wie Benziner, so Stapel. Die Neufahrzeuge der PSA-Gruppe entsprechen der Euro-6d-Norm und wären damit derzeit bei Fahrverboten außen vor, sollten diese je kommen. Und dennoch: Auch er spürt die Tendenz zu Benzinern, die Nachfrage sei angestiegen. Auch bei Peugeot werden finanzielle Anreize beim Kauf eines Diesels geboten. Durch diese Angebote der Hersteller sind Diesel nicht mehr teurer als Benziner, meint Stapel.
„Die Leute sind verunsichert. Das ist definitiv so“, bestätigt auch Maximilian Gairing, Inhaber des Mercedes-Autohauses in Riedlingen. Eine Trendwende weg von Diesel-Autos kann er bei den Verkäufen aber nicht sehen, zumal nur die wenigsten betroffen seien– weil nur wenige aus der Region häufig in die Stuttgarter Innenstadt fahren, wo ein solches Verbot gelten könnte. Kunden, die bislang mit dem Diesel zufrieden waren, kaufen weiterhin einen. Außer Fahrzeugbesitzer, die viele Kurzstrecken fahren. Dies vertrage der Partikelfilter des Diesels nicht, „die wechseln natürlich.“Aber wer lange Strecken fährt, kommt am Diesel weiterhin nicht vorbei, glaubt Gairing.
Auch bei den „Gebrauchten“wirke sich die Diskussion noch kaum aus. Weder sitze er auf einem Berg von Altfahrzeugen, noch habe er einen Wertverlust. „Nur das ewige Thema nervt“, sagt Gairing, der bei dieser Diskussion auf Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes verweist: Demnach beträgt der Anteil der Pkw-Abgase etwa beim Feinstaub nur vier Prozent, der Anteil der Industrie liege hingegen bei 40 Prozent und der Anteil der Landwirtschaft demnach bei 22 Prozent. Zudem entspreche jeder zehnte Diesel bereits jetzt den Euro-6-Abgasnormen, zitiert Gairing den Verband.
„Der Diesel ist nicht mehr so gefragt wie früher“, sagt Michael Steinhart vom VW-Autohaus Steinhart & Kraus in Riedlingen. Viele Autofahrer, die kürzere Strecken fahren, steigen auf den Benziner um. Zudem wird auch die „Abwrackprämie“für ältere Dieselmodelle weiterhin in Anspruch genommen. „Das funktioniert“, so Steinhart. Grundsätzlich sieht auch er, dass eine Verunsicherung da ist. Denn die Diskussion im politischen Raum wird in vielerlei Richtung geführt. Keiner wisse doch im Moment, was wirklich kommt; keiner könne planen.
Momentan gebe es noch relativ wenige Kundennachfragen zu dem Themenkomplex, sagt Manfred
Schlegel vom gleichnamigen OpelAutohaus. Allerdings sieht er, dass es im Moment schwierig sei, das Thema klar einzusortieren: grüne Plakette, blaue Plakette, Abgasskandal, Nachrüsten… Angesichts der vielen Facetten sieht er eine gewisse Verwirrung, wobei auch Schlegel die Thematik für diese Raumschaft nicht zu hoch hängt: Für den Zweitwagen, mit dem man zur Arbeit fährt, sei die Diskussion „völlig unspektakulär“.
Was er registriert: eine allgemeine Skepsis dem Diesel gegenüber, auch weil nicht absehbar ist, was von der Politik als nächstes kommt. Von daher erkennt auch er einen Trend zum Benziner, wobei die Zahl der verkauften Benzin-Fahrzeuge bei ihm schon vorher dominiert habe. Zudem registriert er einen anderen Trend: Dass Wohnmobile nachgerüstet werden, damit diese in anderen Ländern in Umweltzonen einfahren dürfen.
„Ich verkaufe nach wie vor DieselAutos im gleichen Unfang“, sagt
Klaus Dorner, Inhaber des MazdaAutohauses in Riedlingen. Im Kleinwagenbereich sei die Zahl etwas rückläufig, bei den größeren Modellen dagegen nicht. Doch auch er registriert mehr Beratungsbedarf. Auch deshalb, weil aus seiner Sicht viele Halbwahrheiten verbreitet werden. Der Dieselmotor werde oft schlechter gemacht, als er ist. „Ein Fahrzeug, das die Euro-6- und Euro-6d-Norm erfüllt, ist doch kein Verschmutzer“, sagt er. Für den Diesel seien vom Gesetzgeber Grenzwerte vorgegeben, die – abgesehen von einigen Herstellern, die manipuliert haben – auch eingehalten wurden. Und es könne doch nicht sein, dass ein Wert, der von der Politik vor eineinhalb Jahren als legal eingestuft wurde, nun in Verruf gebracht werde.
Dorner kritisiert aber auch Autohersteller, die betrogen oder eine vorhandene bessere Technik nicht eingebaut haben. Mazda habe eine andere Philosophie: Technologie soll jedem zugänglich gemacht werden, daher erfüllen Mazda-Fahrzeuge bereits seit 2012 die Euro-6-Norm. Bei anderen Herstellern sei es hingegen der Fall, dass noch vor eineinhalb Jahren Autos ohne Euro-6-Norm verkauft worden seien. Diese wieder zu verkaufen sei schwierig.
BERLIN - Nach der Dieselentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sucht die Bundesregierung händeringend nach einer Antwort auf die Frage: Wie die Luftqualität verbessern, ohne Millionen Dieselfahrer mit Fahrverboten zu belegen? Das Umweltbundesamt prescht nun mit einem neuen Vorschlag vor: Statt einer soll es zwei blaue Plaketten geben. Eine dunkle nur für die allerneusten Diesel. „An Fahrverboten wird kein Weg vorbeiführen, wir haben nur noch die Wahl, wie wir die Verbote umsetzen“, sagt Maria Krautzberger, Leiterin der wichtigsten deutschen Umweltbehörde. Sie widerspricht damit der Bundesregierung, die noch immer hofft, Fahrverbote irgendwie verhindern zu können.
Konkret sieht der Plan aus dem Umweltbundesamt vor, dass nachgerüstete Euro-5-Diesel und bereits zugelassene Autos der Euro-6-Norm eine hellblaue Plakette bekommen. Nur Diesel mit den neuen Abgasstufen Euro 6d-TEMP oder Euro 6d, die einen deutlich geringeren StickoxidAusstoß haben, könnten eine dunkelblaue Plakette erhalten. Der Vorstoß erntet Lob, aber auch scharfe Kritik. Die Kommunen befürchten bürokratisches Chaos, im Verkehrsministerium stemmt man sich mit aller Kraft gegen die „stille Enteignung“von Dieselfahrern.
Der designierte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) betont wie sein Vorgänger und Parteifreund Alexander Dobrindt, Mobilität und Freiheit der Bürger dürften nicht eingeschränkt werden. „Die blaue Plakette ist fachlich begründet falsch und bedeutet in der Folge Fahrverbote“, sagte Scheuer der „Schwäbischen Zeitung“. Zwar müsse daran gearbeitet werden, den Schadstoffausstoß zu verringern und die Luft zu verbessern, Verbote sollten aber unter allen Umständen verhindert werden.
Auch das Bundesumweltministerium reagierte zurückhaltend. Die neue Bundesregierung werde bewerten müssen, ob der Vorschlag geeignet sei, um die Kommunen und Länder bei der Luftreinhaltung zu unterstützen, ließ die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ihren Sprecher erklären. Die SPD-Politikerin hofft, Fahrverbote durch Hardware-Nachrüstungen noch verhindern zu können. Dafür müsse die Autoindustrie aber ihrer Verantwortung nachkommen und die Nachrüstungen bezahlen, fordert sie.
Der
SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol mahnte: „Alle Beteiligten sollten vorsichtig mit neuen Vorschlägen sein. Jede neue Idee trägt nur dazu bei, dass die Autofahrerinnen und Autofahrer noch mehr verunsichert werden.“Man dürfe nach dem Dieselurteil nicht in Aktionismus verfallen. „Wir sollten abwarten bis klar ist, wie viele Städte und Gemeinden überhaupt Fahrverbote als letztmögliche Maßnahme verhängen werden. Erst dann werden wir wissen, ob wir eine bundesweite Regelung für differenzierte Durchfahrtsverbote brauchen.“
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt angesichts der Pläne aus dem Umweltbundesamt vor „Plakettenbürokratie“. „Millionen von Autofahrern müssten
mit großem bürokratischem Aufwand Plaketten in bestimmten Blautönen zugewiesen bekommen“, befürchtet eHauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Es wäre deutlich sinnvoller, Kontrollen durch automatisches Scannen der Kennzeichen und den Abgleich mit den Zulassungsdaten zu ermöglichen, wie in anderen europäischen Ländern.
Städte entscheiden
Das Umweltbundesamt verteidigte den Vorstoß: In manchen Städten seien die Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte nur gering, dort sollten nachgerüstete Diesel der Euro-5-Kategorie weiterhin fahren dürfen. Andere Städte wie München bräuchten entschiedenere Lösungen,
erklärte ein Sprecher. Die konkrete Umsetzung liege zwar in der Verantwortung der Städte, aber es liege nahe, dass man die bestehenden Umweltzonen als Grundlage für die Einführung von Fahrverbotszonen nehme.
Zustimmung kam vom Deutschen Städtetag: „Wir brauchen eine bundeseinheitliche Lösung, damit ein Flickenteppich mit ganz unterschiedlichen kommunalen Lösungen vermieden wird“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Doch er hoffe noch immer, dass Dieselfahrer um Fahrverbote herum kommen. Den Schlüssel dazu hätten allein die Hersteller in der Hand.