Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Heimatbuch als Erinnerungsort
Karl Werner Steim stellte die Ortschronik Neufra vor und erhielt viel Lob dafür
NEUFRA - „Yesterday“von den Beatles hat das Bläser-Quintett des Musikvereins Neufra am Freitagabend im Foyer der Donauhalle intoniert und dabei den Nagel auf den Kopf getroffen, hatte sich doch die Hauptperson des Abends mit dem Gestern des Riedlinger Teilorts beschäftigt. Karl Werner Steim stellte sein Buch „Neufra an der Donau – Von der Adelsherrschaft zum Königreich Württemberg“vor und viele waren gekommen, um seine Arbeit zu würdigen, sich bei seinem kleinen Einblick Appetit aufs Lesen zu holen und schließlich die ersten druckfrischen Exemplare zu sichern, selbstverständlich vom Autor signiert.
„Es wird ein bedeutsamer Abend für Neufra“, prognostizierte Riedlingens Bürgermeister Marcus Schafft in seiner Begrüßung. In ihr hob er jene hervor, die durch Entscheidungen, aber auch durch Zuarbeit das Buch möglich gemacht haben, insbesondere aber mit Karl Werner Steim die Person, die sich „sehr viel Arbeit gemacht“und die Fakten zusammengetragen habe, damit sich „jeder mit der Geschichte befassen kann“.
Steim galt auch der Dank von Ortsvorsteher Hermann Hennes. Er habe sich wie kein anderer in die Geschichte Neufras vertieft. 2011 habe er ihn angefragt und seine Begeisterung geweckt, einer anderen Chronik wegen aber „mussten wir uns eben noch etwas in Geduld üben“. Als man feststellte, dass die Geschichte über Neufra so viel Stoff liefert, dass er die zeitlichen Ressourcen eines einzelnen Autors sprengt, wurden zwei Bände vereinbart. Steim hat die Zeit von 1227 bis 1806 bearbeitet, Ferdinand Kramer ist dabei, das Ortsgeschehen von damals bis heute darzustellen. Dank eigener Nachforschungen oder der Weitergabe von Unterlagen fachkundiger Menschen an die Autoren sei auch für ihn der Werdegang Neufras klarer geworden und er verstehe jetzt manche Entwicklung besser, so Hennes. Die Chronik wolle Jung und Alt die Heimat näher bringen und das Heimatbewusstsein vertiefen. „Mit Ihrem Einsatz, Ihrem Wissen und Ihrer großen Erfahrung haben Sie sich mit diesem Werk große Verdienste um die Geschichte Neufras erworben“, bedankte er sich bei Karl Werner Steim, der seinerseits sagte: „Ohne Ortsvorsteher Hermann Hennes gäbe es kein Heimatbuch“. Es sei „sein Tag“. Er habe nicht nur initiiert, sondern vielfältig unterstützt.
Die Kelten waren die Ersten
Heimatbücher fungierten als Erinnerungsorte und stifteten Identität, sagte Steim, bevor er einen kleinen Abriss in das gab, was er erkundet hat. Die ersten Siedlungen waren in Neufra wohl die Kelten, so solle sich nordöstlich von Neufra ein Grabhügel befinden. War dies noch eine Mutmaßung, so erklärte er: „Auf jeden Fall siedelten hier die Römer im zweiten, dritten Jahrhundert nach Christus“, was ein ebenfalls nicht ausgegrabener Gutshof beweise. Ihnen folgten die Alamannen im sechsten, siebten Jahrhundert. Von ihnen wurden Reihengräber aufgedeckt.
Einen interessanten Einblick schenkte er in Adelsherrschaften und offenbarte die Bedeutung einzelner Adeliger als Diplomaten, deren Beziehungen bis ins englische Königshaus reichten, was ein eigener Bericht von Dr. Kurt Diemer veranschaulicht.
Wer das Buch liest, kann nachvollziehen, wie die Altvorderen lebten, als Leibeigene zum Beispiel, wobei er hierin keine nennenswerten Einschränkungen erkannte. Der Leser erfährt, was es mit den Lehenshöfen auf sich hatte und wie sich die Landwirtschaft entwickelte. Auch wenn die spätere französische Kaiserin Marie Antoinette auf ihrer Reise 1770 nach Paris in Neufra nicht angehalten habe, so sei es doch ein großes Ereignis gewesen und die Leute seien Spalier gestanden. Vom Schulwesen in Neufra wurde schon berichtet, doch zählte 1533 ein von den Gundelfingern gegründetes Spital zu den öffentlichen Einrichtungen und um 1400 gab es schon eine Badstube.
Das Heimatbuch von Karl Werner Steim offenbart bedeutende Persönlichkeiten aus Neufra: den Organisten und Komponisten Johann Benn, dessen „Kyrie“beim Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland aufgeführt wurde. Mehrere Äbte verschiedener Klöster stammen aus Neufra, wie auch der Barockmaler Johann Georg Wegscheider, dessen Sohn Joseph Ignaz den Vater als Künstler noch weit übertraf, sagte er.
Steim gab seiner Freude über die reichhaltige Ausstattung mit 300 Bildern Ausdruck, die meisten davon bislang unveröffentlicht. Er habe sich bemüht, Bilder aus der jeweils beschriebenen Zeit beizufügen. Akten, Pläne und Zeichnungen ergänzen sie.
„Ein Glücksgriff “
Sein Dank galt auch der Stadt Riedlingen. Ohne ihr finanzielles Engagement wäre das Buch nicht möglich gewesen. Nicht zuletzt freute sich Steim über die unkomplizierte Zusammenarbeit mit Verlagsleiter Achim Zepp. Die Biberacher Verlagsdruckerei habe Text und Bilder in Form gebracht und „ein schön gestaltetes Buch daraus gemacht“. Zepp seinerseits bescheinigte Riedlingen, mit Karl Werner Steim „einen Glücksgriff“getan zu haben.
Dass er ihm einen „ganzen Meter Akten“zur Verfügung gestellt habe, verriet Ferdinand Kramer, der sich mit der Geschichte Neufras 1806, als es zum Königreich Württemberg kam, bis heute befasst und Band II der Ortschronik schreiben wird. Zunächst aber möge man das Buch von Karl Werner Steim lesen und ihm noch etwas Zeit schenken.
Die Ortschronik „Neufra an der Donau – Von der Adelsherrschaft zum Königreich Württemberg“von Karl Werner Steim hat 440 Seiten und ist reich bebildert. Es ist in der Biberacher Verlagsdruckerei erschienen und kostet 29,80 Euro.