Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Wilde Gärtner“kämpfen für Sortenviel­falt

Beim Oberschwäb­ischen Saatgut-Festival interessie­ren sich 1000 Besucher für Wildpflanz­en und Anbaumetho­den

- Von Angela Körner-Armbruster

BAD SCHUSSENRI­ED - Die „Wilden Gärtner“vom BUND Biberach und Klaus Lang haben am Samstag mehr als 1000 Besucher beim zweiten Oberschwäb­ischen Saatgut-Festival in Bad Schussenri­ed mit Informatio­nen versorgt. Die Gäste schwelgten in Vorträgen und Sortenviel­falt. Sie begutachte­ten Pendelhack­e und Wühlmausfa­lle, Sachbücher oder Rapskissen gegen Kreuzschme­rzen.

Jeder feiert an diesem Samstag in der Stadthalle in Bad Schussenri­ed sein eigenes Festival und das ist nicht von der Größe des Balkons oder Gartens abhängig. Beate Reitberger-Hug beispielsw­eise hat vergangene­s Jahr den Bürogarten ihres Mannes gerodet, um einen Bienengart­en anzulegen. Sie hat Nachtviole­n und spanische Gänseblümc­hen erstanden und schwärmt von flatternde­m Besuch. Ihr ist die Freude ebenso ins Gesicht gemalt wie alle jenen, die in Tütchen, Schachteln und Körbchen Saatkartof­feln, Bohnenkern­e oder Zucchinisa­men gesammelt haben.

Raritäten locken zum Gedankenau­stausch. Da ist beispielsw­eise die Yaconknoll­e, die roh oder als gekochtes Gemüse schmeckt oder zu Sirup verarbeite­t werden kann, und die Gummibären­pflanze. Sie heilt Fieber zu und und wer die gelben Blüten zwischen den Fingern zerreibt, wundert sich über einen Gummibärch­enduft. Auch die Namen scheinen zu duften. Neckarköni­gin und Schwarze Schildkröt­e, Immergrün und Wahres Gold suchen einen neuen Gartenbesi­tzer und die Mitarbeite­r des „Campus Galli“aus Meßkirch haben Herzgespan­n dabei und spinatähnl­ichen „Roten Meier“. Fenchel und Beeren für Terrasse und Garten sind bereits im Korb, doch Erdbeer-Rhabarber und Indianerbl­ume seien leider schon weg, bedauert ein junger Mann aus Ringschnai­t. Gemeinsam mit Freunden bewirtscha­ftet er ein großes Stück Erde. Suchende Blicke wechseln zu strahlende­m Besitzerlä­cheln und Jung und Alt diskutiere­n über Luffa-Schwammgur­ken und den „Alten deutschen Dickkopf“.

„Total nette Leute sind unterwegs, genau unser Zielpublik­um“wird am Stand des Obst- und Gartenbauv­ereins Bad Schussenri­ed gelobt. „Das sind keine Hightech-Gärtner, sondern Rückbesinn­er. Es war vergangene­s Jahr schon total genial, denn alle sind rundum motiviert.“Zwei freuen sich über den Ansturm besonders. Andrea Heber, die Leiterin der „Wilden Gärtner“, ist die „Mutter des Saatgut-Festivals“und ihr Ziel ist, die Artenvielf­alt zu erhalten. „Es bewegt mich so, dass bereits 75 Prozent unserer Kulturpfla­nzen unwiederbr­inglich ausgestorb­en sind. Deshalb haben wir die ,Wilden Gärtner’ gegründet. Man muss wieder ,anders gärteln’, damit nicht alles in der Hand von vier oder fünf Konzernen bleibt. Klaus Lang leistet da mit seinem mehreren hundert Sorten einen wertvollen Beitrag.“

Jener Klaus Lang machte vor Jahren an der Wolfegger Ach verwildert­e Muttererde urbar. Sein Erfolg ist das, was die Erde schenkt – und was er weitergibt. Vernetzt sein, Kontakte pflegen, Wissen teilen. Auch mit dem Fernsehtea­m.

Ein Festival der Nachhaltig­keit könnte man es nennen, aber auch ein Fest der Gesundheit, der Kreativitä­t und der selbstvera­ntwortlich­en Arbeit. Das Oberschwäb­ische SaatgutFes­tival kämpft mit Vorträgen und Vielfalt gegen F1-Hybriden, die sich nicht zur Vermehrung eignen und eine Sackgasse für Landwirte und Verbrauche­r seien. „Wir wollen vorleben, wie man Wildpflanz­en und Wildtiere schützen kann“sagt Initiatori­n Andrea Heber kämpferisc­h und die Besucher stimmen an diesem Tag mit den Füßen gegen die Goldgrube der Konzerne und für historisch­e Ressourcen.

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FOTO: ANGELA KÖRNER-ARMBRUSTER Harald Zimmermann aus Horb-Betra zeigt beim Oberschwäb­ischen Saatgut-Festival in Bad Schussenri­ed, wie man Saatgut aufbereite­t.

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