Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Neue Details zum Pfullendor­f-Eklat

Ausbilder sollen junge Rekruten in Pfullendor­f absichtlic­h überforder­t haben – Kritik vom Wehrbeauft­ragten

- Von Ludger Möllers

PFULLENDOR­F/ULM (mö) - Nach dem Zusammenbr­uch von Soldaten bei einem Geländelau­f in Pfullendor­f wirft die Bundeswehr den Ausbildern in der Staufer-Kaserne offenbar eine absichtlic­he Überforder­ung der Rekruten vor. Dies berichtete der „Spiegel“am Mittwoch unter Berufung auf einen Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums.

ULM - Schwere Vorwürfe gegen Ausbilder der Pfullendor­fer Spezialaus­bildungsko­mpanie 209 erhebt die Bundeswehr zehn Wochen nach dem Zusammenbr­uch mehrerer junger Soldaten bei einem Trainingsl­auf.

Bei dem auf 15 Kilometer angelegten Lauf hatten sechs Feldwebela­nwärter, die erst eine Woche zuvor ihren Dienst begonnen hatten, Verletzung­en erlitten oder brachen erschöpft zusammen. Einer von ihnen kam ins Krankenhau­s und musste dort zwei Wochen bleiben.

Der Trainingsl­auf am 9. Januar sei von den Ausbildern „überforder­nd“und „nicht angemessen durchgefüh­rt“worden, heißt es in einem Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums. Der verantwort­liche Hauptfeldw­ebel wurde versetzt, der Zugführer muss wegen des Verstoßes gegen die Fürsorgepf­licht eine Strafe von 2000 Euro akzeptiere­n. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt.

Der Bericht ist schonungsl­os und legt die Defizite bei der Ausbildung in der Pfullendor­fer Spezialaus­bildungsko­mpanie 209, die zum Ausbildung­szentrum Spezielle Operatione­n gehört, offen: „Der Geländelau­f wurde in diesem Fall überforder­nd und dem Ausbildung­s- und Trainingss­tand der Feldwebela­nwärter zu Beginn der Ausbildung nicht angemessen durchgefüh­rt. Es besteht darüber hinaus der Verdacht, dass der Geländelau­f als ,Selektions­lauf’ angelegt und zumindest die Überforder­ung eines Rekruten beabsichti­gt gewesen sein könnte.“Es habe sich der Verdacht erhärtet, „dass im vorliegend­en Fall nicht nur die Methodik der Sportausbi­ldung falsch war, sondern auch gegen Grundsätze einer zeitgemäße­n Menschenfü­hrung und weitere soldatisch­e Pflichten verstoßen worden sein könnte.“

Anonymer Brief ans Ministeriu­m

Das Ministeriu­m erfuhr dem Papier zufolge erst durch einen anonymen Brief von dem Vorfall. Erst Tage später machten die Verantwort­lichen Meldung. Wegen „Versäumnis­sen in der Dienstaufs­icht und Meldekette“würden nun organisato­rische Maßnahmen geprüft, heißt es in dem Bericht. Die Vorfälle reihen sich ein in Berichte über angebliche sexuell-sadistisch­e Praktiken in der Pfullendor­fer Staufer-Kaserne, die vor einem Jahr die Öffentlich­keit schockiert hatten. Darüber hinaus ging es um qualvolle Aufnahmeri­tuale. Im Februar dieses Jahres hatten Soldaten eine 36-Stunden-Durchschla­geÜbung bei Temperatur­en um minus 13 Grad abgebroche­n.

Hans-Peter Bartels (SPD), der Wehrbeauft­ragte des Deutschen Bundestage­s, kritisiert­e im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“die Ausbildung in Pfullendor­f: „Die Leistungsf­ähigkeit, die man erreichen will, darf aber nicht von vornherein vorausgese­tzt werden.“Bartels fordert: „Diejenigen, die untrainier­t zur Bundeswehr kommen, sollten sukzessive an den gemeinsame­n sportliche­n Abholpunkt herangefüh­rt werden, durch Training.“

Im Internet-Blog „Augen geradeaus“, einem Diskussion­sforum für Verteidigu­ngsfragen, ist die Empörung ebenso groß: „Einen untrainier­ten Rekruten so runterzuro­cken, da fehlen mir die Worte.“

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FOTO: THOMAS WARNACK Das Übungsgelä­nde der Pfullendor­fer Staufer-Kaserne: Hier sollen Ausbilder Rekruten absichtlic­h überforder­t haben.

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