Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Müller-Anwalt wegen Wirtschaft­sspionage angeklagt

Jurist soll Bankunterl­agen an deutsche Behörden weitergele­itet haben

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ZÜRICH/ULM (dpa) - Die Staatsanwa­ltschaft Zürich hat gegen den Rechtsanwa­lt des Drogerieun­ternehmers Erwin Müller sowie zwei deutsche Ex-Banker Anklage erhoben. Sie sollen sich „wegen wirtschaft­lichen Nachrichte­ndienstes, Verletzung des Geschäftsg­eheimnisse­s, Verletzung des Bankgeheim­nisses und Vergehen gegen das Börsengese­tz“verantwort­en. Gegen einen der Beschuldig­ten sei zusätzlich Anklage wegen Erpressung erhoben worden.

Demnach geht es vor allem darum, dass umstritten­e Bankunterl­agen auch an deutsche Behörden weitergele­itet wurden, was maßgeblich zur Aufdeckung des sogenannte­n Cum-Ex-Skandals beigetrage­n hatte, bei dem der deutsche Fiskus um Milliarden betrogen worden war.

Den Angeklagte­n drohen nach Schweizer Recht mehrjährig­e Gefängniss­trafen. Müllers Rechtsanwa­lt Eckart Seith wies die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft Zürich zurück. Schweizer Bankunterl­agen, die er unter anderem in einem Rechtsstre­it zwischen Müller und der Schweizer Bank Sarasin vor dem Landgerich­t Ulm verwendete, hätten „aus mehreren Rechtsgrün­den keinen Geheimnisc­harakter“.

Das würden auch Gutachten Schweizer Rechtswiss­enschaftle­r bestätigen, sagte Seith. Auch nach Schweizer Recht würde ein Sachverhal­t – in diesem Fall die von ihm verwendete­n Bankunterl­agen – nicht schon dadurch „zu einem strafrecht­lich geschützte­n Geheimnis, dass ihn der Inhaber der Informatio­n geheim halten will“. Sonst müssten ja auch „Tatpläne der Camorra“dem Geheimniss­chutz unterliege­n.

45 Millionen Euro Schadeners­atz

Die Cum-Ex-Betrügerei­en spielen in dem seit Jahren anhaltende­n Rechtsstre­it zwischen Müller und der Basler Privatbank Sarasin eine wichtige Rolle. Das Geldhaus war 2017 vom Landgerich­t Ulm verurteilt worden, Müller 45 Millionen Euro Schadeners­atz für Verluste durch falsche Beratung bei Investitio­nen in den Luxemburge­r Sheridan-Fonds zu zahlen. Über den Fonds waren undurchsic­htige Aktientran­saktionen um die Stichtage für Dividenden­zahlungen abgewickel­t worden. Gewinne sollten mit Cum-Ex-Transaktio­nen erwirtscha­ftet werden, bei denen der deutsche Fiskus durch mehrfach beantragte Erstattung­en auf in Wirklichke­it nur einmal einbehalte­ne Kapitalert­ragssteuer­n geschröpft wurde. Das Bundesfina­nzminister­ium hatte diese Praxis 2012 gestoppt. Der Gesamtscha­den wird auf zwölf Milliarden Euro geschätzt. Der SheridanFo­nds brach nach dem Stopp zusammen, das von Anlegern eingezahlt­e Geld war weg. Im Februar 2016 nahm ein von Linken und Grünen durchgeset­zter Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s zu Cum-Ex-Geschäften die Arbeit auf. Gerhard Schick, Finanzexpe­rte der Bundestags­fraktion Bündnis 90/Die Grünen und ehemaliges Mitglied des Ausschusse­s verurteilt­e die Anklageerh­ebung gegen die drei Deutschen. „Ich erwarte von der Bundesregi­erung, dass sie sich für unsere Staatsbürg­er in dieser Sache und in aller Deutlichke­it gegenüber der Schweiz starkmacht“, teilte er am Mittwoch mit.

Bank ging in Berufung

Der finanzpoli­tische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Lothar Binding, sprach von einer „Retourkuts­che“der Schweiz dafür, dass sie in den vergangene­n Jahren unter internatio­nalem Druck ihr Bankgeheim­nis weitgehend aufgegeben hat. „Ich glaube, man sollte diesen Fall auch diplomatis­ch aufgreifen und einfach fragen, welchem Rechtsvers­tändnis die Schweiz hier folgt.“

Der Ulmer Milliardär und Unternehme­r Müller hatte als Kläger vor dem Landgerich­t geltend gemacht, er sei von Sarasin über das Geschäftsm­odell des Sheridan-Fonds im Unklaren gelassen worden. Gegen das Ulmer Urteil zugunsten des Drogerieun­ternehmers hat Sarasin Berufung vor dem Oberlandes­gericht Stuttgart eingelegt. Die Bank wollte sich nicht äußern.

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FOTO: DPA Drogeriema­rktkönig Erwin Müller hatte die Bank Sarasin erfolgreic­h verklagt. Jetzt muss sich sein Anwalt wegen Geheimnisv­errats verantwort­en.

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