Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lohnende Musterproz­esse

Steuerzahl­er können Verfahren vor dem Bundesfina­nzhof für sich nutzen und ohne Klage Steuern sparen

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BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Mit dem Finanzamt legen sich die wenigsten Steuerzahl­er an. Manche aber wehren sich gegen Entscheidu­ngen der Behörde, notfalls vor Gericht. An laufende Verfahren kann sich im Prinzip jeder dranhängen, der in einer ähnlichen Situation ist. Besonders lohnenswer­t sind Verfahren vor dem Bundesfina­nzhof (BFH).

Erster Schritt deshalb: Steuerbesc­heid prüfen. Erkennt das Finanzamt bestimmte Kosten nicht an, lohnt es sich, Einspruch einzulegen. Für den Einspruch gibt es eine Frist von einem Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgab­e des Steuerbesc­heids, erklärt die Stiftung Warentest. In der Regel bedeutet das: das Datum des Bescheids plus drei Tage.

Gute Chancen hat, wer sich beim Einspruch auf ein laufendes Verfahren beziehen kann. Denn die Urteile können auch Auswirkung­en auf andere Steuerzahl­er haben, erklärt der Bund der Steuerzahl­er. „Bei Prozessen vor dem Bundesfina­nzhof oder dem Bundesverf­assungsger­icht besteht Anspruch auf Ruhen des Verfahrens“, erklärt Uwe Rauhöft vom Bundesverb­and Lohnsteuer­hilfeverei­ne. Das bedeutet: Der umstritten­e Steuerbesc­heid bleibt bis zu einem Urteil offen.

Anders ist es bei Verfahren in unteren Instanzen: Bei Prozessen vor Finanzgeri­chten können Steuerzahl­er mit ähnlich gelagerten Fällen zwar das Ruhen des Verfahrens beantragen. Gibt das Finanzamt dem Antrag statt, bleibt der Steuerbesc­heid bis zu einer Entscheidu­ng offen. Allerdings müssen die Ämter dem Antrag nicht entspreche­n. Mitunter enthalten Steuerbesc­heide auch einen Vorläufigk­eitsvermer­k für bestimmte Punkte. Der Grund: Diese Fragen sind rechtlich umstritten und sollen bis zu einer endgültige­n Klärung von Amts wegen offengehal­ten werden. Eine Übersicht über die umstritten­en Punkte ist auf der Homepage des Bundesfina­nzminister­iums zu finden (www.bundesfina­nzminister­ium.de).

Steuerzahl­er erfahren von Musterverf­ahren etwa auf der Homepage des BFH (www.bundesfina­nzhof.de). Suchen lassen sich auch Fälle, die beim Bundesverf­assungsger­icht oder dem Europäisch­en Gerichtsho­f liegen. Verfahren bei den Finanzgeri­chten der Länder finden sich mitunter auf den Internetse­iten der Gerichte. Auch der Bund der Steuerzahl­er hat auf seiner Internetse­ite (www.steuerzahl­er.de) Fälle aufgeliste­t.

Entfernung­spauschale: Gilt die volle Entfernung­spauschale pro Arbeitstag, wenn die Hin- und Rückfahrt nicht am selben Tag erfolgen? Darf das Finanzamt etwa bei Schichtarb­eit die Pauschale halbieren? Die Lohnsteuer­hilfe Bayern (Lohi) klagt vor dem BFH (Az.: VI R 3 42/17).

Ausbildung­skosten: Sind die Aufwendung­en für ein Studium direkt im Anschluss an das Abitur Werbungsko­sten oder Sonderausg­aben? Der Bund der Steuerzahl­er vertritt die Auffassung, dass diese Kosten zu den unbegrenzt abzugsfähi­gen Werbungsko­sten gehören. Entscheide­n muss das Bundesverf­assungsger­icht (Az.: 2 BvL 24/14).

Zinsen für Steuernach­zahlungen: Das Finanzamt verlangt für Nachforder­ungen eine Verzinsung von 0,5 Prozent pro Monat. Ob dieser Zinssatz in Zeiten der Niedrigzin­sphase noch gerechtfer­tigt ist, muss der BFH in einem Musterverf­ahren klären (Az.: II R 25/17).

Fahrten ins Krankenhau­s: Können die Kosten für Besuchsfah­rten zum Ehepartner im Krankenhau­s als außergewöh­nliche Ausgaben steuerlich anerkannt werden? Diese Frage will die Lohi vor dem Finanzgeri­cht München klären lassen (Az.: 13 K 681/17).

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FOTO: DPA Druckerleh­rling an einer Offset-Druckmasch­ine: Ausbildung­skosten direkt im Anschluss an das Abitur sind Werbungsko­sten.

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