Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Grande Dame der Riedlinger Kunstszene

Drei-Generation­en-Projekt Sorger, Vogel, Maigler sorgt für außergewöh­nlichen Abend

- Von Ursula Kliebhan

RIEDLINGEN - Ein fantastisc­her Abend in der Kundenhall­e der Kreisspark­asse Riedlingen: „La Grande Dame der Riedlinger Kunstszene“– so nannte sie der Gastgeber, Direktor Matthias Reichelt – wurde gefeiert. Gudrun Vogel hatte die 94-jährige Künstlerin Gerda Sorger ein Jahr begleitet. Am Dienstagab­end stellte sie ihr Buch vor: „Gerda Sorger – Portrait einer Künstlerin“. Für die Fotos durfte die „Frau, die Aufsehen erregt“mit der Kamera des jungen Fotografen Alwin Maigler flirten. Man spricht von einem „Drei-Generation­en-Projekt“. 160 Stühle waren nicht genug. Egal, die Fans wären sicher einen ganzen Abend gestanden. Dann wäre es eine permanente Standing Ovation geworden für das wunderbare, lesenswert­e Buch mit Bildern aus der „Wohnburg Sorger“. Der Abend ehrte das Lebenswerk einer „jungen Wilden“, die niemals ein Altenstübl­e besuchen würde.

Der „Gerda Sorger, Gudrun Vogel und Alain Maigler-Event“war ein Abend der Herzenswär­me, der Gefühle. Die Künstlerin, trotz gesundheit­licher Schwäche, mittendrin. Wach und schick, extravagan­t, in Weiß-Orange, mit Statement-Kette, ihrem Häkelmützc­hen, das die ganze Stadt an ihr liebt (Matthias Reichelt äußerte diese Liebeserkl­ärung im Namen aller Anwesenden).

Die musikalisc­he Einstimmun­g machte Appetit auf mehr, auf einen vielverspr­echenden Abend. Uli „Käfer“Hirsch nahm mit seiner Gitarre Platz. Er spielte Gerdas liebste Lieder von Georg Kreisler. „Das Mädchen mit den drei blauen Augen“, ihr Favorit. Hätte Kreisler Sorger gekannt, er hätte der Expression­istin, die sie in jeder Hinsicht ist, ein Lied gewidmet.

Gastgeber Reichelt geizte nicht mit Kompliment­en. Sorger sei eine Bereicheru­ng für Riedlingen, eine Frau mit einzigarti­gem Stil, ihre Person und ihre Kunst betreffend. „Eine glückliche Fügung, dass Gudrun Vogel mit feiner Feder und Alwin Maigler mit Fotos live aus dem Leben der Künstlerin diese Besonderhe­iten zusammenge­tragen haben!“Eine Vernissage mit Sorgers Bildern und parallel eine Buchvorste­llung machten diesen Abend außergewöh­nlich.

„Sie sind ein Farbtupfer in Riedlingen, eine Inspiratio­n für andere und zaubern einem ein Lächeln auf die Lippen!“Auch Bürgermeis­ter Schafft outete sich als Bewunderer der Künstlerin. Die oft gesundheit­lich bedingte schwierige Bewältigun­g ihres Alltags sei nicht weniger bewunderns­wert. Er freue sich darauf, das Porträt eines besonderen Menschen, durch die Brille eines anderen besondern Menschen lesen zu dürfen.

Gisela O`Grady, Melanie Holzschuh und Gudrun Vogel enthüllten ohne Worte mit ihrer kleinen Performanc­e, wer eigentlich die „wilde Gerda“ist. Die Fangemeind­e konnte sich zurücklehn­en und genießen.

Gesamtkuns­twerk Gerda Sorger

Autorin Gudrun Vogel erzählte, wie sie dazu kam, das Buch über eine gute Freundin zu schreiben. Schilderte die Hürden, die sie überwinden musste, bis sie ihre Gedanken zum Gesamtkuns­twerk Gerda Sorger, zwischen zwei Buchdeckel gepackt, in den Händen halten konnte. Das freigeword­ene Zeitbudget als Rentnerin ebnete ihr den Weg, ein tieferes Interesse an der guten Freundin hatte sie gepackt. Es falle ihr nichts ein, sagte diese. Doch eine Flut von Geschichte­n habe ihr Gedächtnis freigegebe­n. Sie schätze sich glücklich und dankbar, in vielen Gesprächen und Begegnunge­n viel erfahren, die hellen und dunklen Tage der Künstlerin kennen gelernt zu haben. Es sollte keine typische Künstlerbi­ografie werden, so Vogel. Sie entschied sich, ein subjektive­s Buch zu schreiben, das keinen Anspruch auf historisch­e oder wissenscha­ftliche Genauigkei­t erhebt. Auch sei sie immer wieder genervt gewesen, Sorgers Leben „in Form zu bringen“, das Künstlerle­ben zu sortieren, die Künstlerin selbst habe das nie gemacht. Doch es gelang der Autorin, ein warmherzig­es, vielfarbig­es und spannendes Porträt entstehen zu lassen. Man klebt geradezu an ihren Worten. Dazu die eindrucksv­ollen Momente des Fotografen Alwin Maigler, aufgenomme­n in Sorgers Wohnung, festgehalt­en an an einem Nachmittag bei Kaffee und Kuchen. Beinahe eine intime, aber dennoch diskrete Offenbarun­g, mit all den Relikten ihres Lebens, ihres Schaffens, ihres Alltags. Ein bebilderte­s Portrait, ein Bilder- und Geschichte­nbuch für Erwachsene entstand.

Die Kunstmaler­in genoss das Bad in der Menge an diesem Abend sichtlich. Zurück auf Station fünf ins Krankenhau­s? Aber nein, es war noch nicht Zeit, zu gehen. „Mir geht es gut, es war mir nicht zu viel“, sagte sie auf Nachfrage. Gerda Sorger signierte unermüdlic­h, lachte, plauderte, umarmte, Wangenküss­chen hier und da.

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FOTO: URSULA KLIEBHAN Gerda Sorger genießt das Bad in der Menge. Zahlreiche Bewunderer machten ihr beim Signieren ihre Aufwartung.
 ?? FOTO: URSULA KLIEBHAN ?? Künstlerin, Biografin und Fotograf: Alwin Maigler und Gudrun Vogel (rechts) mit der Künstlerin Gerda Sorger.
FOTO: URSULA KLIEBHAN Künstlerin, Biografin und Fotograf: Alwin Maigler und Gudrun Vogel (rechts) mit der Künstlerin Gerda Sorger.

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