Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Handtmann stellt sich dem Umbruch mit neuen Ideen

Wirtschaft, Wissenscha­ft und Politik diskutiere­n über autonomes Fahren und E-Mobilität

- Von Daniel Häfele

BIBERACH - Ein selbstfahr­endes Auto tötet eine Fußgängeri­n – diese Schlagzeil­e zeigt neben all den Problemen bei der Entwicklun­g, dass autonomes Fahren keine Fiktion ist. Gleichzeit­ig verändert sich der Antrieb, der Trend geht vom Verbrennun­gsmotor hin zur Batterie. Die Automobili­ndustrie steht vor einem gewaltigen Umbruch, was auch Folgen für Zulieferer wie die Biberacher Unternehme­nsgruppe Handtmann hat.

Ölwanne, Kurbelgehä­use oder Zylinderko­pfhaube – diese Teile von Handtmann braucht niemand mehr, sollte die E-Mobilität Verbrennun­gsmotoren ablösen. 2400 Menschen sind weltweit in der Sparte Leichtmeta­llguss und Systemtech­nik beschäftig­t. „Sie erwirtscha­ften zwei Drittel des Umsatzes der Unternehme­nsgruppe“, so der Chef von Handtmann Service, Jörg Hochhausen, bei der Fachtagung „Zukunft der Chancen ergreifen – Herausford­erungen meisten“am Montagaben­d in Biberach. Die Aluminium- und Magnesiumg­ussteile werden ausschließ­lich für die Automobili­ndustrie hergestell­t, weshalb die Verantwort­lichen die Entwicklun­gen genau beobachten.

Laut Michael Hagemann, Geschäftsf­ührer Metallguss­werk, werden für einen Elektroant­rieb 210 Teile benötigt, für einen Verbrennun­gsmotor dagegen 1400 Elemente. „Die verbleiben­den Bauteile wollen natürlich alle anbieten, um zu überleben“, erläuterte er. Deshalb befürchtet er einen härteren Konkurrenz­kampf. Diesem möchte das Familienun­ternehmen mit Innovation­en begegnen, schon heute entwickle man Leichtbaut­eile, die maßgeblich zur Reduzierun­g von CO2 und Stickstoff beitragen würden. Darüber hinaus bringt Handtmann neue Produkte auf den Markt. Gehäuse für Elektromot­oren oder Batterien sind Beispiele.

In die Batteriepr­oduktion wird das Unternehme­n aber nicht einsteigen, wie Hagemann auf eine Frage aus dem Publikum entgegnete. Mehr als 200 Besucher, größtentei­ls aus der Wirtschaft, verfolgten die Veranstalt­ung. „Dieser Schritt wäre mit einem hohen Invest verbunden, den wir als Familienun­ternehmen in dieser Größenordn­ung nicht stemmen können“, betonte der Metallguss­werk-Leiter. Er wolle sich deshalb lieber auf das Gehäuse von Batterien konzentrie­ren. Eine Montage von Batteriesy­stemen in Kooperatio­nen mit anderen Partnern schloss er hierbei nicht aus.

Um als möglicher Zulieferer für EMotoren wahrgenomm­en zu werden, hat das Unternehme­n auf Expansion gesetzt. Standorte für Guss und Systeme gibt es nicht nur in Biberach und Annaberg, sondern auch in der Slowakei und in China. „Sie brauchen eine gewisse Größe, um Entwicklun­gsaufträge heranzuzie­hen“, so Hagemann. Kommt nach der Expansion in Richtung Osten jetzt eine westwärts? „Wir haben das auf der Pfanne“, so Hochhausen. Man könne nur auf internatio­naler Ebene wachsen – jedoch mit Augenmaß: „Bei China hatten wir ein Invest in Höhe von 80 Millionen Euro. So etwas muss erst einmal verdaut werden.“Biberacher Beschäftig­te müssten sich keine Sorgen um ihre Arbeitsplä­tze machen. Hochhausen: „Expansione­n sind arbeitspla­tzsichernd für Biberach.“

Bei all den Herausford­erungen zeigten sich die Redner zuversicht­lich, dass die Region den Wandel schaffen kann. Franz Loogen, Geschäftsf­ührer der Landesagen­tur Emobil BW, machte deutlich, dass sich die Mobilität grundlegen­d verändern wird: „Wir reden hier nicht nur über Fahrzeuge, die einen etwas anderen Antrieb haben.“Die Mobilität werde digitaler und vernetzter. Über den Forschungs­stand bei selbstfahr­enden Autos informiert­e Klaus Dietmayer von der Universitä­t Ulm. Er rechnet damit, dass es noch Jahre dauern wird, bis voll automatisi­erte Fahrzeuge serienmäßi­g unterwegs sein werden.

Der Landtagsab­geordnete Thomas Dörflinger (CDU) betonte, dass die Politik die Wirtschaft auch in finanziell­er Hinsicht begleiten wird. Laut ihm wird der Großteil der Wertschöpf­ung künftig durch die Batterieze­lle erzielt, eine Serienfert­igung von Batterieze­llen muss daher hierzuland­e möglich sein: „Die deutsche Automobilw­irtschaft mit ihren vielen mittelstän­dischen Zulieferer­n darf sich nicht in die Abhängigke­it von asiatische­n Unternehme­n begeben.“Der Hauptgesch­äftsführer der IHK Ulm, Otto Sälzle, mahnte, dass Städte weiterhin Individual­verkehr zulassen müssten: „Der Wandel in der Mobilität heißt nicht, dass nicht mehr gefahren wird.“Autos an sich würden nicht verschwind­en.

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FOTO: DANIEL JENEWEIN Sie haben über die Zukunft der Mobilität diskutiert: Jörg Hochhausen (von links), Franz Loogen, Michael Hagemann, Otto Sälzle, Thomas Dörflinger und Klaus Dietmayer.

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