Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Haltungen sind längst ausgetauscht
Die DFL will dennoch „ergebnisoffen“über die 50+1-Regel diskutieren
FRANKFURT (SID/dpa) - Die Debatte über den Verlauf der Debatte dürfte weitere Debatten hervorrufen – allen Beschwichtigungsversuchen vonseiten der Verantwortlichen zum Trotz. Es werde „lediglich der geplante Verfahrensverlauf einer Diskussion“thematisiert, ließ die Deutsche Fußballliga (DFL) vor der Versammlung der 36 Proficlubs am Donnerstag mit Blick auf eine mögliche Neufassung der 50+1-Regel wissen. Doch obwohl „keine Entscheidung in Bezug auf eine Veränderung“getroffen wird, ist der Streit um die Regel, die es so nur in Deutschland gibt und die den Einfluss der Investoren im deutschen Fußball beschränken soll, längst in vollem Gange.
Auch Videobeweis Thema
Die Meinungen sind schon vor dem Treffen der Clubchefs in Frankfurt, bei dem ganz nebenbei über die Einführung des Videobeweises auch in der Zweiten Liga entschieden wird, bereits ausgetauscht. Die Lager haben sich gebildet. Laut diversen Umfragen steht es mehr oder weniger unentschieden zwischen Befürwortern, einer Reformierung oder gänzlichen Abschaffung der Regel, die besagt, dass Vereine mindestens 50 Prozent und eine Stimme der stimmfähigen Anteile der ausgelagerten Profifußballgesellschaften halten müssen, und Gegnern einer Neuerung.
Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge plädiert für eine Freigabe, jeder Club solle selbst entscheiden, ob er sich für Investoren ganz oder teilweise oder überhaupt nicht öffnen wolle. Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist für den Erhalt der Regel, Eintracht Frankfurts Vorstand Axel Hellmann plädiert etwa für eine Reform. Befürworter der Freigabe oder Reform argumentieren, dass die jetzige Regel Investoren vor Investitionen im großen Stil abhalte und die Bundesliga somit im internationalen Vergleich weiter abgehängt werden könnte. Gegner der Abschaffung warnen vor einem Ausverkauf des Fußballs, noch mehr Kommerz und einer weiteren Kostenexplosion.
Verhältnis vor Zerreißprobe
Vor allem die Fans protestieren seit Monaten lautstark gegen eine Aufweichung oder gar Abschaffung der Regel.„Bundesweit wird ein Sturm heraufziehen, sollten die Verantwortlichen bei DFB und DFL nicht schleunigst ein Machtwort für den Erhalt von 50+1 in seiner jetzigen Form sprechen: Die angestrebte Diskussion um 50+1 ist eben nicht nur eine Schönheitsdiskussion um irgendwelche Vereins-und Unternehmensstrukturen, sondern definitiv der sportpolitisch wichtigste Kampf in der nahen Zukunft für alle Fans“, verkündete das überregionale Bündnis ProFans unlängst.
Fast 3000 Fangruppen haben sich deutschlandweit mittlerweile der Initiative „#50plus1bleibt“angeschlossen. Sie alle fürchten, im Zuge der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs auf der Strecke zu bleiben. Als mahnendes Beispiel wird immer wieder die englische Premier League angeführt, wo die Fankultur in den vergangenen Jahren einen schleichenden Tod erfuhr.
Das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen den Fans und den Fußball-Dachorganisationen DFB und DFL stünde vor einer Zerreißprobe, sollten die Profivereine den Weg für eine gravierende Änderung der Regel freimachen.
Diese Gemengelage hat dazu geführt, dass DFL-Boss Christian Seifert das Thema ergebnisoffen und so transparent wie möglich moderieren will. „Das wird eine Generaldebatte ohne Hinterzimmer-Kommissionen“, sagte er: „Die Clubs können sich eine Meinung bilden und sich dann zurückmelden. Zudem werden wir das Kartellamt konsultieren und gegebenenfalls auch die Europäische Kommission.“
Deshalb ist nach Ansicht Seiferts mit einer Entscheidung, die im Fall einer Änderung eine Zwei-DrittelMehrheit benötigt, „nicht vor Ende des Jahres“zu rechnen. Der DFLBoss selbst ist „absolut gegen“den total freien Markt und den Wegfall der Regel: „Aber ob jetzt der Scheich kommt oder der Russe - auf diesem Niveau kann man die Debatte nicht führen. Das wird der Thematik nicht gerecht.“