Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bürgermeisterwechsel in Betzenweiler
Abschied in Betzenweiler: Dietmar Rehm übergibt an Tobias Wäscher
Abschied von Dietmar Rehm und Einsetzung von Tobias Wäscher.
BETZENWEILER - Mit einem „großen Bahnhof“ist am Samstag in Betzenweiler Bürgermeister Dietmar Rehm nach 16 Amtsjahren verabschiedet und sein Nachfolger Tobias Wäscher vereidigt worden. Wäschers Amtszeit beginnt am 1. April. Gemeinderat Georg Gehweiler, der als stellvertretender Bürgermeister die Funktion eines Zeremonienmeisters hatte, konstatierte hinterher: „Wir hatten den größten Bürgermeister im Landkreis, jetzt haben wir den schönsten“.
Rein rechnerisch dürfte gut die Hälfte der Einwohnerschaft Betzenweilers gekommen sein. Die Mehrzweckhalle, eine Errungenschaft aus Rehms Amtszeit, war zum Brechen voll. Gehweiler begrüßte unter anderem als „Mutti der Bürgermeister“die Leiterin der Kommunalaufsicht Monika Ludi-Wagner, die „Federseemafia“vom Gemeindeverwaltungsverband mit dem Buchauer Bürgermeister Diesch an der Spitze, die Bürgermeister der umliegenden Gemeinden, die Abgeordneten, die Vertreter der örtlichen Vereine und des Gewerbes – und viele Bürgerinnen und Bürger, darunter auch zahlreiche Jugendliche, wie Gehweiler anmerkte: „Die Jugend hat Zukunft.“
Dietmar Rehm habe in 16 Jahren viel bewegt und erreicht, sagte Landrat Dr. Heiko Schmid. Zu Beginn seiner Amtszeit habe Betzenweiler 729 Einwohner und 254 Beschäftigte gehabt, heute seien es 740 Einwohner, aber 462 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Statistisch falle auf jeden 15- bis 65-Jährigen ein Arbeitsplatz im Ort, also eine 100-ProzentQuote: „Das ist schon enorm.“Die Stadt Riedlingen als Mittelzentrum komme gerade auf 50 Prozent, selbst Laupheim habe „nur“eine Beschäftigungsquote von rund 80 Prozent. Betzenweiler habe ein Gewerbegebiet, das in einer Gemeinde dieser Größe seinesgleichen suche. Seit zwölf Jahren lägen die Gewerbesteuereinnahmen bei über einer Million Euro, im Jahr 2015 entfielen 2060 Euro auf einen Einwohner. „Das ist viermal so hoch wie der landesweite Durchschnitt.“Abgesehen von blanken Zahlen spiegle sich die hohe Lebensqualität der Gemeinde auch am bürgerschaftlichen Engagement, am aktiven Gemeinwesen und am kirchlichen Einbringen.
Als „Sohn der Gemeinde“bezeichnete Schmid Rehms Nachfolger. Als Mitarbeiter des Landratsamts, gerade des Kommunalamts, bringe Tobias Wäscher „eigentlich alles mit, was man als Bürgermeister so braucht: Sie wissen, wie es geht, dazu als waschechter Betzenweiler die Ortskenntnisse und -bedürfnisse sowie als Familienvater die Vision einer nachhaltigen Entwicklung.“Das Thema Digitalisierung werde den bisherigen Breitbandkoordinator auch in Betzenweiler nicht loslassen: Für die Kommune 4.0 sind Sie der richtige Mann zur richtigen Zeit.“Dietmar Rehm hinterlasse große Fußspuren – „so 46 oder 47.“Er ermutige den Nachfolger, dies als Leitplanken zu nutzen „und vor allem eigene Spuren und Fährten zu legen.“
Das höchste Schwabenlob sprach Bürgermeister Peter Diesch von der „Federseemafia“Rehm aus: „Bisch an echter Hauptkerle.“Rehm sei immer ein berechenbarer und fairer Verhandlungspartner gewesen.
Er habe „wohl einiges richtig gemacht“, kommentierte Dietmar Rehm die große Zahl an Gästen. Dabei habe seine erste Kandidatur in Betzenweiler unter keinen guten Vorzeichen gestanden. Zuvor war er 1988 ausgerechnet in seiner Heimatgemeinde Dürmentingen bei der Bürgermeisterwahl gescheitert. In Betzenweiler gab es dann neun Bewerber – „erschwerend kam hinzu, dass ich Dürmentinger bin.“Zwischen beiden Gemeinden habe eine alte, gewachsene Rivalität geherrscht. Seine „vielleicht wahlentscheidende Aussage“im Wahlkampf sei gewesen, dass er ja großmütterlicherseits zu einem Viertel ein Betzenweiler sei. Mit über 90 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von über 70 Prozent habe er dann von seinem Vorgänger Franz Geiser eine intakte Gemeinde übernommen.
Keine Finanzabenteuer
Rehms Fazit seiner Amtszeit: „Ich habe erreicht, was ich den Wählern zugesagt habe“. Er habe vorsichtig agiert und keine Finanzabenteuer unternommen. Seit 2005 sei Betzenweiler schuldenfrei, obwohl fast zehn Millionen Euro investiert worden seien. Ohne ELR-Mittel, aber mit viel Eigenleistungen der Vereine sei die Mehrzweckhalle gebaut worden: „Das Wir-Gefühl in der Gemeinde ist ausgesprochen gut“. Dank des Dorfladens sei die Grundversorgung gesichert, die VR-Bank sei am Ort präsent, der Kindergarten werde mit zwei Gruppen geführt, Gehwege, Kanalisation und Feldwegenetz wurden ausgebaut, 80 Prozent des Orts ist für die Breitbandversorgung erschlossen. Es gebe attraktive Wohngebiete und - dank vorausschauender Planung – prosperierendes Gewerbe. Es sei ihm eine Ehre und Freude und persönliche Befriedigung“gewesen, „der Gemeinde dienen zu können.“Als künftiger „Pensionär und Hausmann“wolle er jetzt seiner Frau Andrea „etwas zurückgeben“und auch seinen Sohn beruflich unterstützen. Als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Moos bleibt er aber auch dem Verwaltungsverband vorerst erhalten.
„Daheim war ich nie irgendwo anders“, sagte Tobias Wäscher in seiner Antrittsrede: „Ich würde am liebsten jeden persönlich begrüßen; ich kenne ja jeden.“Das Votum der Bürgermeisterwahl sei „wahnsinnig motivierend, sein Bestes zu geben.“Das gehe aber nur, „wenn man einen Partner hat, der uneingeschränkt hinter einem steht“. Der Zusammenhalt in Betzenweiler sei beispielhaft. „Ich möchte, dass wir moderne, aufgeschlossene Betzenweiler sind“, bat Wäscher. Man muss Bewährtes halten und offen für Neues sein“. Zum ersten Mal sei die Haushaltslage angespannt: „Wir müssen uns zurücknehmen.“In den nächsten Jahren gelte es, neue Wege zu beschreiten. „Wenn wir alle an einem Strang ziehen, haben wir aber eine sehr gute Zukunft.“
Nach dem Musikverein gab auch der Chor „Voice Projekt“Kostproben seines Könnens. Die Kindergartenkinder hatten einen „Rehm-Rap“zum Besten gegeben. Und auch die Vereine ließen es sich nicht nehmen, den alten Schultes zu verabschieden und den neuen willkommen zu heißen – jeweils mit einem Familienbaum, einen großen für Rehm und einen kleineren für Wäscher. Die engste Mitarbeiterin des Bürgermeisters, Irmtrud Weber, steuerte einige persönliche Anekdoten in Reimform bei. Weitere Grußworte sprachen Pfarrer Martin Dörflinger, die Abgeordneten Thomas Dörflinger und Josef Rief.