Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Das Wort Zuversicht nehme ich mit“
Karl-Heinz Brunner meint, dass die Deutschen in Afghanistan strategische Geduld brauchen
BERLIN - Mit Hoffnungen auf eine bessere Zukunft ist Karl-Heinz Brunner, der Verteidigungsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, gerade aus Afghanistan zurückgekehrt. Brunner, Abgeordneter aus Illertissen, war Mitglied einer Delegation von Parlamentariern, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begleitet haben. In Mazar-iSharif und Kabul traf er neben den Gesprächen mit den Soldatinnen und Soldaten vor allem mit Vertreterinnen und Vertretern von in Afghanistan tätigen Nichtregierungsorganisationen zusammen. Über seine Einschätzung der Lage sprach Sabine Lennartz mit ihm.
Herr Brunner, gerade sind zehn Afghanen aus Deutschland in ihre Heimat zurückgeführt worden. Ist das zu verantworten?
Ja, das ist es. Denn die zurückgeführten Afghanen sind alle einer Einzelfallprüfung unterzogen worden. Wir achten darauf, dass sie nur in die Gebiete kommen, in denen die Sicherheitslage für afghanische Verhältnisse gut ist. Wir können auch nicht hinnehmen, dass bei uns straffällig gewordene Personen in der Bundesrepublik Zuflucht finden, während aus anderen Ländern 400 000 bis 600 000 freiwillig zurückkehren.
Die Bundeswehr hat gerade das Mandat auf 1300 Soldaten aufgestockt. Ist das Land wirklich sicher?
Wir mussten unser Mandat erhöhen, um humanitäre Hilfe zu leisten, Infrastruktur aufzubauen, rechtsstaatliche Strukturen zu ermöglichen und Polizei auszubilden. Das geht nur, wenn die entsprechenden Helferinnen und Helfer den entsprechenden Eigenschutz bekommen. Den bieten unsere Soldaten.
Welche Gedanken bringen Sie mit von Ihrer Reise?
Mir ist aufgefallen, dass wir uns in Deutschland zu stark auf den militärischen Einsatz fokussieren und auf die Flüchtlinge aus Afghanistan. Dass wir aber nicht sehen, wie viele NichtRegierungsorganisationen in Afghanistan präsent sind, die vom Tunnelbauen über Unternehmensgründungen, Landwirtschaft und Resettlement für Flüchtlinge hervorragende Arbeit leisten. Wir haben auf unserer Kurzreise manche NGOs besucht. Das Wort Zuversicht ist das, was ich mitnehme.
Und trotzdem: Wird der Afghanistan-Einsatz nicht zur EndlosSchleife?
Nein, aber man sollte besser in Dekaden als in Jahren denken. Es sind langsame Schritte, aber es ist zu sehen, dass Afghanistan sich gesellschaftlich entwickelt. Es gibt derzeit bei Taliban und IS ein Aufbäumen gegen das sich entwickelnde bürgerschaftliche Engagement und die zivilgesellschaftlichen Strukturen. Aber die Menschen freuen sich nicht nur auf die bevorstehende Wahl, sie sind auch engagiert. In einem Land, das 40 Jahre im Krieg ist, kann man nicht einfach nur den Reset-Knopf drücken. Man braucht einen langen Atem und man braucht strategische Geduld.
Macht die Regierung von Afghanistan genug?
Wir haben mit Präsident Aschraf Ghani und Regierungschef Abdullah Abdullah gesprochen, beide sind redlich bemüht. Sie haben ihre Streitkräfte und Polizei hochmotiviert ausgebildet. Sie bitten dringend darum, dass Deutschland weiter hilft.