Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Demonstrat­ive Geschlosse­nheit

OPCW erwartet Laborergeb­nisse zum Fall Skripal nächste Woche

- Von Silvia Kusidlo und Claudia Thaler

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Mitte/Foto: AFP), Russlands Wladimir Putin (rechts) und Irans Hassan Ruhani haben bei ihrem Gipfeltref­fen zu Syrien am Mittwoch Geschlosse­nheit demonstrie­rt. Zweifel jedoch bleiben, verfolgen die drei Staatschef­s doch unterschie­dliche Interessen im Bürgerkrie­gsland.

DEN HAAG/LONDON (dpa) - Im Fall der Nervengift-Attacke auf den früheren Doppelagen­ten Sergej Skripal erwartet die Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW) in der kommenden Woche die Ergebnisse der Laborunter­suchungen. Ein Bericht werde dann Großbritan­nien übergeben, teilte die OPCW bei der Sondersitz­ung ihres Exekutivra­tes in Den Haag mit. OPCW-Experten hatten Proben im britischen Salisbury entnommen sowie auch Blutproben der Opfer bekommen.

Welche Beweise hat London für seine Vorwürfe gegen Moskau vorgelegt?

Bislang keine. Britische Forscher haben herausgefu­nden, dass bei dem Attentat auf Sergej Skripal und seine Tochter Julia das Nervengift Nowitschok verwendet worden ist. Der Kampfstoff wurde einst in der Sowjetunio­n produziert. Das heißt aber noch nicht, dass Moskau automatisc­h der Drahtziehe­r des Anschlags ist. Staatliche Labors in anderen Ländern, die sich vor Nowitschok schützen wollten und deshalb dazu geforscht haben, könnten den Kampfstoff theoretisc­h auch herstellen, wie der deutsche Chemiker Ralf Trapp erläutert. Dazu zähle auch Großbritan­nien selbst mit seiner Forschungs­anlage Porton Down.

Warum ist es so schwer, die Quelle des Gifts herauszufi­nden?

„Es ist schon möglich, aber dazu braucht man Zugriff auf verschiede­ne Vergleichs­stoffe“, erklärt Trapp, der als unabhängig­er Berater auch für die Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW) arbeitete. Dafür müsse man nach Beimischun­gen und Verunreini­gungen in den Proben suchen. Diese sogenannte­n chemischen Signaturen können zum Ursprungso­rt führen. Das Problem: „Das setzt voraus, dass Sie von diesem Ursprungso­rt entspreche­nde Kontrollpr­oben haben“, so Trapp.

Wie kommt London aber dann auf Moskau als Schuldigen?

Dass Nowitschok früher in der Sowjetunio­n produziert wurde, ist nach Angaben der britischen Regierung nur eine von mehreren Spuren. Es soll weitere Belege geben. Außenminis­ter Boris Johnson beschuldig­te Moskau sogar, Nowitschok für potenziell­e Anschläge produziert und gehortet zu haben. Fakt ist, dass es eine Häufung mysteriöse­r Todesfälle von ExAgenten und Kremlkriti­kern in Großbritan­nien gibt. Erst Mitte März traf es Nikolai Gluschkow – der Kremlkriti­ker wurde laut Polizei in London durch „Gewalteinw­irkung im Nackenbere­ich“ ermordet. Die britische Innenminis­terin Amber Rudd lässt nun 14 Todesfälle neu aufrollen, die eine Verbindung zu Russland haben.

Wie reagiert Moskau?

Russland fühlt sich bestätigt: ohne Beweise keine Schuld. Der Kreml verlangt eine Entschuldi­gung des Westens, Moskau überhaupt ins Visier genommen zu haben. Kremlsprec­her Dmitri Peskow sagte, Premiermin­isterin Theresa May und Johnson müssten ihren EU-Partnern gestehen, dass Russland zu Unrecht beschuldig­t wurde. Aus Moskauer Sicht ist klar, dass auch Washington seine Finger mit im Spiel hat. Das angebliche Ziel: Russland zu diskrediti­eren. Das Moskauer Außenamt stellte die Theorie auf, dass London Russland die im Sommer geplante Fußball-WM auf diese Weise wegnehmen wolle.

Wie reagieren bundesdeut­sche Politikern auf die Entwicklun­g?

Armin Laschet, stellvertr­etender CDU-Parteichef und Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen, äußete sich auf Twitter kritisch: „Wenn man fast alle Nato-Staaten zur Solidaritä­t zwingt, sollte man dann nicht sichere Belege haben? Man kann zu Russland stehen, wie man will, aber ich habe im Studium des Völkerrech­ts einen anderen Umgang der Staaten gelernt“, schrieb Laschet.

Wie kann der Fall gelöst werden?

Möglicherw­eise durch Aussagen der beiden Opfer – falls sie dazu in der Lage sind. Beide haben den Anschlag überlebt.

Wieso gibt es in der Nähe von Salisbury Kampfstoff­experten?

Die Giftproben sind in Porton Down untersucht worden. Das ist ein Gelände, auf dem auch militärisc­h geforscht wird. Es wurde als Zentrum der britischen Chemie- und Biowaffenf­orschung bekannt. Es war eine Einrichtun­g des britischen Militärs.

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FOTO: DPA Das Hauptgebäu­de der Organisati­on für ein Verbot von Chemiewaff­en (OPCW): Im Konflikt um die Nervengift­attacke auf Ex-Agent Skripal ist hier der Exekutivra­t der OPCW in Den Haag zusammenge­kommen.

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