Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Demonstrative Geschlossenheit
OPCW erwartet Laborergebnisse zum Fall Skripal nächste Woche
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Mitte/Foto: AFP), Russlands Wladimir Putin (rechts) und Irans Hassan Ruhani haben bei ihrem Gipfeltreffen zu Syrien am Mittwoch Geschlossenheit demonstriert. Zweifel jedoch bleiben, verfolgen die drei Staatschefs doch unterschiedliche Interessen im Bürgerkriegsland.
DEN HAAG/LONDON (dpa) - Im Fall der Nervengift-Attacke auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal erwartet die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) in der kommenden Woche die Ergebnisse der Laboruntersuchungen. Ein Bericht werde dann Großbritannien übergeben, teilte die OPCW bei der Sondersitzung ihres Exekutivrates in Den Haag mit. OPCW-Experten hatten Proben im britischen Salisbury entnommen sowie auch Blutproben der Opfer bekommen.
Welche Beweise hat London für seine Vorwürfe gegen Moskau vorgelegt?
Bislang keine. Britische Forscher haben herausgefunden, dass bei dem Attentat auf Sergej Skripal und seine Tochter Julia das Nervengift Nowitschok verwendet worden ist. Der Kampfstoff wurde einst in der Sowjetunion produziert. Das heißt aber noch nicht, dass Moskau automatisch der Drahtzieher des Anschlags ist. Staatliche Labors in anderen Ländern, die sich vor Nowitschok schützen wollten und deshalb dazu geforscht haben, könnten den Kampfstoff theoretisch auch herstellen, wie der deutsche Chemiker Ralf Trapp erläutert. Dazu zähle auch Großbritannien selbst mit seiner Forschungsanlage Porton Down.
Warum ist es so schwer, die Quelle des Gifts herauszufinden?
„Es ist schon möglich, aber dazu braucht man Zugriff auf verschiedene Vergleichsstoffe“, erklärt Trapp, der als unabhängiger Berater auch für die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) arbeitete. Dafür müsse man nach Beimischungen und Verunreinigungen in den Proben suchen. Diese sogenannten chemischen Signaturen können zum Ursprungsort führen. Das Problem: „Das setzt voraus, dass Sie von diesem Ursprungsort entsprechende Kontrollproben haben“, so Trapp.
Wie kommt London aber dann auf Moskau als Schuldigen?
Dass Nowitschok früher in der Sowjetunion produziert wurde, ist nach Angaben der britischen Regierung nur eine von mehreren Spuren. Es soll weitere Belege geben. Außenminister Boris Johnson beschuldigte Moskau sogar, Nowitschok für potenzielle Anschläge produziert und gehortet zu haben. Fakt ist, dass es eine Häufung mysteriöser Todesfälle von ExAgenten und Kremlkritikern in Großbritannien gibt. Erst Mitte März traf es Nikolai Gluschkow – der Kremlkritiker wurde laut Polizei in London durch „Gewalteinwirkung im Nackenbereich“ ermordet. Die britische Innenministerin Amber Rudd lässt nun 14 Todesfälle neu aufrollen, die eine Verbindung zu Russland haben.
Wie reagiert Moskau?
Russland fühlt sich bestätigt: ohne Beweise keine Schuld. Der Kreml verlangt eine Entschuldigung des Westens, Moskau überhaupt ins Visier genommen zu haben. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Premierministerin Theresa May und Johnson müssten ihren EU-Partnern gestehen, dass Russland zu Unrecht beschuldigt wurde. Aus Moskauer Sicht ist klar, dass auch Washington seine Finger mit im Spiel hat. Das angebliche Ziel: Russland zu diskreditieren. Das Moskauer Außenamt stellte die Theorie auf, dass London Russland die im Sommer geplante Fußball-WM auf diese Weise wegnehmen wolle.
Wie reagieren bundesdeutsche Politikern auf die Entwicklung?
Armin Laschet, stellvertretender CDU-Parteichef und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, äußete sich auf Twitter kritisch: „Wenn man fast alle Nato-Staaten zur Solidarität zwingt, sollte man dann nicht sichere Belege haben? Man kann zu Russland stehen, wie man will, aber ich habe im Studium des Völkerrechts einen anderen Umgang der Staaten gelernt“, schrieb Laschet.
Wie kann der Fall gelöst werden?
Möglicherweise durch Aussagen der beiden Opfer – falls sie dazu in der Lage sind. Beide haben den Anschlag überlebt.
Wieso gibt es in der Nähe von Salisbury Kampfstoffexperten?
Die Giftproben sind in Porton Down untersucht worden. Das ist ein Gelände, auf dem auch militärisch geforscht wird. Es wurde als Zentrum der britischen Chemie- und Biowaffenforschung bekannt. Es war eine Einrichtung des britischen Militärs.