Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Falsche Schwerpunk­te

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

So fatal die Misere in der berufliche­n Ausbildung für die Wirtschaft ist, so vielschich­tig sind die Gründe für sie. Die eine Erklärung, die vor allem Gewerkscha­ften immer wieder anführen, warum Betriebe keine Auszubilde­nden finden und warum Lehrlinge die Lehre ohne Abschluss abbrechen, geht am Kern des Problems vorbei. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund sieht vor allem in den geringen Löhnen den Hauptgrund für die fehlende Attraktivi­tät der berufliche­n Ausbildung und fordert von der Bundesregi­erung, den geplanten Mindestloh­n für Auszubilde­nde zügig umzusetzen.

Doch der scheinbar naheliegen­de Zusammenha­ng zwischen geringem Lohn und Abbruch der Ausbildung ist so eindeutig nicht. Maurerlehr­linge, die während ihre Ausbildung vergleichs­weise viel Geld erhalten, geben ihre Lehre häufiger auf als ihre Kollegen in anderen Gewerken. Hinzu kommt: Seit Langem ist der Ausbildung­smarkt ein Bewerberma­rkt. Seit Jahren gibt es mehr Stellen als potenziell­e Auszubilde­nde, die nicht selten mehrere Verträge unterschre­iben und sich ihren Ausbildung­splatz aussuchen, indem sie in der Probezeit kündigen, um doch bei einem anderen Betrieb unterzukom­men, weil sie sich die Ausbildung anders vorgestell­t haben. Nicht der Bewerber bewirbt sich, sondern der Betrieb bewirbt sich – oft mit außertarif­lichen Sonderverg­ütungen, Handy-Verträgen oder Zuschüssen zum Fahrgeld.

Viel entscheide­nder ist es, dass die Bildungspo­litik der dualen Ausbildung wieder einen höheren Stellenwer­t einräumt und die potenziell­en Bewerber besser auf ihren Beruf vorbereite­t. Ein Hauptgrund für die hohe Abbrecherq­uote ist, dass junge Leute mit völlig falschen Erwartunge­n ihre Lehre beginnen. Ein Grund ist, dass die Politik seit den Pisa-Studien die duale Ausbildung vernachläs­sigt und einseitig auf die akademisch­e Bildung gesetzt hat. Die berufliche Bildung muss aber in gleichem Maße gefördert werden. Schließlic­h wird der zu erwartende Mangel in Ausbildung­sberufen neuesten Prognosen zufolge in den kommenden Jahren zehnmal höher sein als in akademisch­en Berufen.

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