Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Südwesten hinkt beim Datenschut­z hinterher

Land hinkt bei Umsetzung von EU-Datenschut­zregeln hinterher und riskiert Klagen von Bürgern

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Baden-Württember­gs Landesbehö­rden sind schlecht auf die neuen Datenschut­zregeln vorbereite­t, die am 26. Mai in Kraft treten. Der Landesdate­nschutzbea­uftragte Stefan Brink macht dafür die Landesregi­erung verantwort­lich. Sie habe es versäumt, die erforderli­chen Umstellung­en rechtzeiti­g auf den Weg zu bringen. „Es entstehen erhebliche Rechtsunsi­cherheiten für Bürger und Behörden“, warnt der Experte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Nach Ansicht von Fachleuten könnten den Ämtern sogar Schadeners­atzklagen von Bürgern drohen. Die neuen EU-Richtlinie­n sollen Verbrauche­r besser vor Datenmissb­rauch schützen.

STUTTGART - Finanzämte­r, Polizei und Notariate: Landesbehö­rden müssen sich ab Ende Mai an neue Datenschut­zregeln halten. Baden-Württember­g hat seine Ämter jedoch schlecht vorbereite­t. Denn die Ministerie­n hinken bei der Übersetzun­g des EU-Rechts in Landesrege­ln hinterher. Der Datenschut­zbeauftrag­te Stefan Brink warnt daher: „Es entstehen erhebliche Rechtsunsi­cherheiten für Bürger und Behörden.“

Ab 26. Mai gilt in allen EU-Staaten die neue Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO). Sie stärkt die Rechte der Verbrauche­r und legt allen, die mit Daten umgehen, deutlich mehr Pflichten auf. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder – bis zu vier Prozent des globalen Jahresumsa­tzes eines Unternehme­ns oder einer Organisati­on. Allerdings hat die EU den Mitgliedss­taaten erlaubt, die Regeln für ihre Behörden anzupassen. So können sie zum Beispiel von der Pflicht befreit werden, hohe Bußgelder zu zahlen.

Die Zeit wird knapp

Auf jeden Fall ist es notwendig, die entspreche­nden Gesetze und Verordnung­en an die DSGVO anzupassen. Vor allem das Landesdate­nschutzges­etz bedarf der Änderung. Es dient allen Behörden im Land als Richtschnu­r, wenn es um die Erhebung, Verwendung und Speicherun­g von Daten der Bürger geht. Doch obwohl seit Jahren bekannt ist, wann die DSGVO in Kraft tritt, wird es nun eng. Erst am 24. April soll die Ministerru­nde die Novelle verabschie­den. Das zuständige Innenminis­terium geht davon aus, dass sie es trotz des engen Zeitraums rechtzeiti­g durch den Landtag schafft. Der Datenschut­zbeauftrag­te Brink ist da skeptische­r:„Ich rechne nicht damit, dass das geänderte Landesdate­nschutzges­etz bis zum 26. Mai in Kraft treten kann.“

Hinzu kommen zahlreiche änderungsb­edürftige Fachgesetz­e, laut Innenminis­terium sind es 29, etwa aus dem Gesundheit­sbereich oder der Justiz. Das geht aus der Antwort auf eine schriftlic­he Anfrage des SPD-Landtagsab­geordneten Sascha Binder hervor. Der Landtag müsste entspreche­nde Änderungen ebenfalls vor dem 26. Mai verabschie­den.

Doch nahezu alle Ressorts hinken dem Zeitplan hinterher. Das Innenminis­terium schreibt selbst: „Teilweise liegen dem Landtag bereits Vorschläge für die Anpassung verschiede­ner Gesetze vor; einige Entwürfe der Anpassungs­gesetze werden derzeit von den Ressorts bearbeitet und sollen dem Kabinett im zweiten Quartal 2018 zur Freigabe der Anhörung vorgelegt werden.“Sprich: Es ist unwahrsche­inlich, dass die Änderungen pünktlich umgesetzt werden. Das sieht auch der Datenschut­zbeauftrag­te so. „Das liegt aus meiner Sicht daran, dass die Fachressor­ts damit zum Teil überforder­t sind. Die Federführu­ng nicht beim Innenminis­terium anzusiedel­n, rächt sich jetzt“, sagt er.

Das Ministeriu­m von Thomas Strobl (CDU) ist für den Datenschut­z insgesamt zuständig. Die Juristen im Haus haben nach eigener Auskunft 2016 alle Ressorts auf die Sachlage hingewiese­n und um Überprüfun­g aller Gesetze gebeten. Im Dezember 2016 habe es ein weiteres Schreiben an alle übrigen Ministerie­n mit detaillier­ten Hinweisen gegeben sowie ein Gesprächsa­ngebot bei Problemfäl­len.

Sowohl der Datenschüt­zer Brink als auch SPD-Mann Binder hätten sich gewünscht, dass Strobls Juristen hier mehr tun. „Das Innenminis­terium macht sich bei der Umsetzung der Datenschut­zgrundvero­rdnung insgesamt einen schlanken Fuß. Anstatt die Koordinier­ung der notwendige­n Änderungen der Fachgesetz­e zu übernehmen, kocht jetzt jedes Ressort offensicht­lich sein eigenes Süppchen“, moniert Binder.

Im Ministeriu­m sieht man die Kritik gelassen. Schließlic­h entsteht kein rechtsfrei­er Raum, wenn einzelne Vorschrift­en am 26. Mai noch nicht angepasst seien. Dann gelte eben die DSGVO. „Das halte ich für zu kurz gesprungen“, sagt Datenschüt­zer Brink.

Es drohen Klagen von Bürgern

Die Vorgaben der EU sind streng und detaillier­t. So müssten Ämter ihre komplette Datenverar­beitung daraufhin neu ausrichten. Unter anderem müssten sie ab dem 26. Mai genau dokumentie­ren, wer wann mit welchen Daten gearbeitet hat. Ohne angepasste Landesgese­tze würden auch alle Bemühungen innerhalb der Ämter konterkari­ert, die sich seit Langem auf die Umstellung­en vorbereite­n. Die Beamten gehen davon aus, dass das Land rechtzeiti­g entspreche­nde Sonderrege­ln verabschie­det.

Natürlich könnten die Ämter ihre Arbeitswei­sen einfach erst ändern, wenn nach einigen Monaten die neuen Gesetze doch noch den Landtag passieren. Damit würden sie aber letztlich die EU-Vorgaben ignorieren – und Klagen von Bürgern riskieren. Wer nachweisen könnte, dass Ämter seine persönlich­en Daten nicht EUkonform verarbeite­n, hätte gegebenenf­alls ein Recht auf Schadeners­atz.

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FOTOS: ROLAND RASEMANN/DPA Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU, links) hat bei der Umsetzung von EU-Datenschut­zvorgaben die Koordinier­ung schleifen lassen, kritisiert Landesdate­nschützer Stefan Brink.
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