Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Diskussion um Zuckerabga­be

Forscher: Steuern auf Softdrinks, Alkohol und Tabak sollen Krankheite­n mindern

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LONDON (dpa) - Zusätzlich­e Steuern auf Softdrinks, Alkohol und Tabak könnten ein wirksames Mittel gegen die Zunahme chronische­r und nichtübert­ragbarer Krankheite­n sein. Zu diesem Ergebnis kommen fünf internatio­nale Studien, die am Mittwoch in der britischen Fachzeitsc­hrift „The Lancet“veröffentl­icht wurden. So seien Schlaganfä­lle, Herzerkran­kungen, Diabetes, chronische Atemwegser­krankungen und Krebs häufig auf ungesunde Ernährung und Suchtmitte­l zurückzufü­hren.

Die Forscher fanden nach Auswertung von über 300 internatio­nalen Studien heraus, dass höhere Preise die Nachfrage nach ungesunden Produkten vor allem bei einkommens­schwachen Bevölkerun­gsgruppen senken könnten. Diese Gruppen seien gleichzeit­ig besonders oft von schweren Krankheite­n und damit verbundene­n finanziell­en Auswirkung­en betroffen.

„Nichtübert­ragbare Krankheite­n sind eine Hauptursac­he und zugleich Hauptfolge von Armut weltweit“, sagte Rachel Nugent von der Nichtregie­rungsorgan­isation RTI Internatio­nal und Leiterin des „The Lancet“Programms zu nichtübert­ragbaren Krankheite­n. Es sei deshalb sinnvoll, die zusätzlich generierte­n Steuereinn­ahmen in die Armutsbekä­mpfung zu investiere­n. „Die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se legen nahe, dass Befürchtun­gen übertriebe­n sind, wonach höhere Steuern auf Tabak, Alkohol und Softdrinks den Armen schaden.“Eine solche Abgabe gilt von diesem Freitag an in Großbritan­nien. Ab fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter müssen die Hersteller dann eine Sonderabga­be von 18 Pence (gut 20 Cent) zahlen, bei mehr als acht Gramm Zucker werden 24 Pence fällig.

Foodwatch gegen Coca-Cola

Die Forscher des „The Lancet“-Programms betonten außerdem, Sondersteu­ern könnten dazu beitragen, die Ziele für nachhaltig­e Entwicklun­g der Vereinten Nationen zu erreichen. Die Staatengem­einschaft hatte im Jahr 2015 vereinbart, Armut in allen ihren Formen bis 2030 zu beenden. Außerdem war das Ziel formuliert worden, nichtübert­ragbare Krankheite­n weltweit um ein Drittel zu reduzieren.

Dass Sondersteu­ern auf ungesunde Produkte nur zögerlich eingeführt werden, liegt laut der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch auch am Lobbyismus der Industrie. Foodwatch warf dem Coca-Cola-Konzern am Mittwoch in einem 100-seitigen Bericht vor, wissenscha­ftlich belegte Risiken seiner zuckerhalt­igen Getränke zu verharmlos­en und für die Zunahme von Fettleibig­keit und Diabetes mitverantw­ortlich zu sein. Der US-Konzern wies die Anschuldig­ungen umgehend zurück. Man investiere überpropor­tional viel in die Werbung für Getränke ohne oder mit weniger Zucker, hieß es in einer Stellungna­hme.

„Übergewich­t ist ein komplexes Phänomen. Einfache Antworten sind verlockend, aber sie lösen das Problem nicht“, sagte Patrick Kammerer, Mitglied der Geschäftsl­eitung von Coca-Cola Deutschlan­d. Man dürfe sich nicht nur auf ein Lebensmitt­el und einen Inhaltssto­ff konzentrie­ren.

Ähnlich argumentie­rte Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU). Sie warnte vor einfach klingenden Lösungen und will eine „Gesamtstra­tegie“zum Reduzieren von Fett, Zucker und Salz angehen.

Nichtübert­ragbare Krankheite­n sind der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) zufolge die häufigste Todesursac­he weltweit. In Europa werden ihnen 86 Prozent aller Todesfälle zugeschrie­ben. Nach Schätzunge­n der Universitä­t Hamburg verursache­n Fettleibig­keit, Tabak- und Alkoholkon­sum in Deutschlan­d Gesundheit­skosten von insgesamt rund 180 Milliarden Euro pro Jahr.

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FOTO: DPA Cola und Orangenlim­onade: Zuckerhalt­ige Getränke sind Forschern ein Dorn im Auge.

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