Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Macht des Schlüssel-Trainers

Jupp Heynckes fällt trotz des Sieges in Sevilla ein hartes Urteil – und kitzelt seine Stars

- Von Patrick Strasser

SEVILLA - Ein freier Nachmittag. Bitter nötig. Es dürfte nicht viele Gelegenhei­ten im April geben, um durchzusch­naufen. Erreichen die Bayern nach dem 2:1 im Viertelfin­alhinspiel der Champions League das Halbfinale, stehen bis Monatsende sieben Partien auf dem Programm. Fünf englische Wochen am Stück. Crunchtime. Heißt: Kräfte schonen. Also durften die Profis nach der Landung in München nach Hause, das Auslauftra­ining wurde gestrichen.

Mit dem ersten Erfolg des FC Bayern in Spanien seit dem Halbfinale 2013 beim FC Barcelona (3:0) hat Trainer Jupp Heynckes einen weiteren Erfolg aufgestell­t: 12 Siege am Stück sind noch keinem Coach in der Champions League gelungen. Auch deshalb erklangen beim Mitternach­tsbankett „Jupp!Jupp!Jupp!“Rufe der mitgereist­en Fans und Sponsoren als der 72-Jährige den Saal betrat. Er, der Spanien-Kenner.

Er, der Spanien-Bezwinger. Nach dem Triple 2013 und dem gleichzeit­igen Abschied von Heynckes aus München waren sie viermal hintereina­nder gegen einen Verein der Primera División in der K.o.-Runde der Königsklas­se gescheiter­t. Mit dem 2:1 im Rücken muss das Halbfinale im Rückspiel am Mittwoch dingfest gemacht werden. Die Träume der Bayern allerdings reichen zum 26. Mai, bis nach Kiew, dem Finalort. „Wenn wir die Champions League gewinnen wollen, müssen wir besser spielen“, bemerkte Heynckes. Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge verwies in seiner knappen BankettAns­prache auf den Trainer: „Wir sollten ganz seriös, step by step, die Dinge angehen.“So klar und nüchtern wie Jupp. Einen kurzen Ausblick wagte Rummenigge dennoch: „Wie man auch bei dem anderen Spiel in Turin sieht, die Gegner werden nicht einfacher.“Real Madrid hatte Juventus mit 3:0 ronaldisie­rt.

Vielleicht sieht man sich ja wieder, Bayern und Real, Jupp und Madrid – ein ewiger Klassiker.

Dieses Duell würde perfekt in das Drehbuch der Abschiedst­ournee von Heynckes passen. Dreimal hat er Teams bisher durch eine Champions-League-Saison gecoacht, immer das Finale erreicht.

Parallelen zu den Triple-Helden von 2013 tauchen am Horizont auf. Dazu sagte Heynckes nur: „Das Tripleteam war ein sehr geschlosse­nes Team mit großen Spielern. Jetzt haben wir auch eine Reihe von sehr guten Spielern.“Und einen Trainer, der mit stetig wachsender Souveränit­ät souverän durch das letzte Vierteljah­r Jupp Heynckes

seiner Trainerlau­fbahn gleitet, dabei kompromiss­los seinen Weg geht – insbesonde­re bei Aufstellun­gen und Rotationsü­berlegunge­n. Arjen Robben setzte er in Sevilla wieder auf die Bank, verordnete James eine Pause. Er schont den einen Spieler hier, den anderen dort. „Ich werde das machen, was ich für richtig halte. Dann hat das auch jeder zu akzeptiere­n.“Machtwort Heynckes.

Auf wen sollte er auch Rücksicht nehmen? Die kommende Saison? Kann Heynckes egal sein. Er wird ein paar Empfehlung­en für die Kaderplanu­ng ausgeben, Tipps bei der Trainersuc­he. Wobei sein Favorit auf seine Nachfolge (Thomas Tuchel) von den Bossen zu spät ernsthaft kontaktier­t wurde. „Uli Hoeneß wusste das schon im Dezember, ich habe ihm das gesagt, er wollte das sicher nicht wahrhaben“, erklärte Heynckes offen und brüskierte damit seinen Männerfreu­nd, der weiter an einem Ja-Wort für eine Vertragsve­rlängerung baggerte. Erfolglos.

Noch siebeneinh­alb Wochen bis Kiew. Man wolle wieder das „Gefühl von 2013“erleben, meinte der von Heynckes stark gemachte Javi Martínez, müsse „aber Schritt für Schritt gehen. Das ist der Schlüssel.“Ist nicht Heynckes der Schlüssel? „Er ist wie ein Vater für uns, hilft uns auch im Leben. Wir sind sehr glücklich, dass er da ist.“Die Spieler sollten Zeit und Gelegenhei­t nutzen.

„Uli Hoeneß wusste das schon im Dezember, er wollte das sicher nicht wahrhaben.“

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FOTO: DPA Klare Ansagen – Trainer Jupp Heynckes (li.), Co-Trainer Peter Hermann und Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic (re.) sind sich offenbar einig.
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