Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Immun gegen Kritik

Das Theater Konstanz verteidigt im Vorfeld sein Konzept von Taboris „Mein Kampf“

- Von Dirk Grupe

KONSTANZ - Die Pressekonf­erenz des Theaters Konstanz zu „Mein Kampf“lässt sich in einem Satz zusammenfa­ssen: „Alles Deppen außer uns.“Die Deppen im Foyer des Theaters sind die Vertreter der Medien sowie solche jüdischer Verbände. „Uns“, also die Wissenden, sitzen auf dem Podium: Intendant Christoph Nix, Regisseur Serdar Somunco, Dramaturg Daniel Grünauer. Vor allem Nix und Somuncu bescheinig­en im Laufe dieser teils emotionale­n Stunde den Anwesenden unehrlich zu sein, die Dinge verfälscht wiederzuge­ben, der „provinziel­len Dünnhäutig­keit“, „kein wirkliches Engagement“zu zeigen und vieles mehr. Gut, dass nun das Theater Konstanz Zivilcoura­ge zeige, was anderswo „nicht ausreichen­d bekämpft“werde.

Antisemiti­smus und Fremdenfei­ndlichkeit sind es, die von Medien und Öffentlich­keit nicht ausreichen­d bekämpft würden. Bundesweit ein Thema war zuletzt allerdings, mit welchen Instrument­en das Theater Konstanz dies tun will. In der Kritik steht unter anderem der Premierent­ermin von „Mein Kampf“– der 20. April, also Hitlers Geburtsdat­um. Intendant Nix offenbart dazu nun etwas überrasche­nd, dass diese Idee „von meinem Freund Tabori“selber stamme. „Mache es an Hitlers Geburtstag, auch wenn sie kotzen werden“, habe dieser ihm schon vor Jahren geraten.

Zum Kotzen, um im Bild zu bleiben, finden Beobachter noch einen ganz anderen Umstand. Nämlich jenen, die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete, dass Besucher, die eine Karte kaufen, bei der Aufführung einen Judenstern tragen sollen (aber nicht müssen). Wer indes eine Hakenkreuz­binde über den Arm zieht, darf gratis rein. Die Idee dazu kommt von Regisseur Serdar Somunco, der Moderator, Musiker und Kabarettis­t ist unter anderem mit szenischen Lesungen von „Mein Kampf“bekannt geworden. Im Vorfeld hieß es, das Konzept sehe vor, „die vierte Wand zu durchbrech­en und die Zuschauer mit zwei stark aufgeladen­en Symbolen zu versehen“. Gleichfall­s sieht ein Sicherheit­skonzept vor, dass Neonazis keinen Zugang zu den Aufführung­en erhalten.

Somunco redet von „Hitler in uns“

Auf der Medienkonf­erenz erklärt Somunco nun, wer sich für ein Hakenkreuz entscheide, offenbare „seinen Geiz“. Und überhaupt, fügt er an: „Hitler ist immer und in uns allen da.“

Geiz als Sozialdiag­nose eines Theaterabe­nds, Hitler in uns; da klingt manches dann doch vor allem angesichts Anspruchsh­altung und Attacken nicht zu Ende gedacht. Auch wenn sich Intendant Nix gegen die nicht zum ersten Mal geäußerten Vorwürfe, vor allem Werbung betreiben zu wollen, wehrt: „Ich bin keine Marketingm­aschine.“Gleichfall­s betont er, dass es ihm leid tue, falls das Theater Mitglieder der jüdischen Gemeinde beleidigt habe.

Genau dies steht aber im Raum. „Wir sind gekränkt“, bekräftigt der anwesende Arthur Bondarev von der Synagogeng­emeinschaf­t Konstanz. „Sie nutzen die Shoa, um Publicity zu erhalten“, so sein Vorwurf. Und Lasse Stodollick von der Deutsch-Israelisch­e Gesellscha­ft Bodenseere­gion zur „Schwäbisch­en Zeitung“: „Es ist geschmackl­os, wie sich die Zuschauer verhalten sollen. Man macht das Konzentrat­ionslager zu einem Erlebnissp­ektakel.“Und nicht zuletzt, sagt Stodollick: „Die Theatermac­her immunisier­en sich gegen Kritik.“

Am Ende beschwert sich Regisseur Somunco wortreich und bedeutungs­schwanger, weshalb sich niemand für die Inszenieru­ng und das Stück interessie­rt. Dann verschwind­et er eilig zur Probe. Dabei hätte man ihn noch gerne gefragt, woran das wohl liegen kann.

Ein Video von der Medienkonf­erenz finden Sie unter: www.schwaebisc­he.de/theater-kn

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FOTO: DPA Rechtferti­gt in Konstanz seine geschmackl­ose Idee: Regisseur Serdar Somuncu.

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