Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Der Diesel ist kaputt“
Ferdinand Dudenhöffer spricht beim Sparkassenforum über Trends der Automobilindustrie
BIBERACH - „Drei, vier böse Buben, die sich in den Konzern einschleichen – und keiner merkt das.“So hat Professor Ferdinand Dudenhöffer süffisant die angebliche Unkenntnis in Automobilkonzernen von Manipulationen der Abgaswerte beschrieben. Vor großem Publikum im Foyer der Kreissparkasse Biberach referierte er über die Zeitenwende in der Autoindustrie. Dudenhöffer ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft der Fakultät Ingenieurwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen und Gründer und Direktor des CAR – Center of Automotive Research an der Fachhochschule Gelsenkirchen.
Landrat Heiko Schmid hatte ihn zuvor mit den Worten begrüßt: „Man nennt ihn den Autoprofessor“und „Sie wissen vermutlich mehr über die Autoindustrie als sonst ein Mensch auf der Welt.“Als Ausgangssituation schilderte Dudenhöffer die heile Welt der Autoindustrie. Die Hersteller haben es verstanden, ihre Produkte mit einer immensen Vielfalt interessant zu halten. Mit allen derzeit marktüblichen Ausstattungsvarianten könnten zehn hoch 18 unterschiedliche Autos gebaut werden. Selbst eigentlich schwer verständliche Ausführungen wie das Coupé mit vier Türen oder aktuell die SUV (Sport Utility Vehicles) – die Geländewagen für die Stadt – fanden Anklang bei den Käufern. Fast 30 Prozent der heute verkauften Pkw seien bereits SUV und es zeichne sich schon wieder ein neuer Trend ab: „Pick-ups sind im Kommen“, diagnostizierte Dudenhöffer.
Weltweit bestehe eine Abhängigkeit der Pkw-Dichte vom Pro-KopfEinkommen der Bevölkerung. Während die westlichen Industrieländer und Japan mit mehr als 600 Pkw pro 1000 Einwohner an der Spitze lägen, markiere China noch das untere Ende der Skala. Dort lebten aber rund 1,4 Milliarden Menschen und mit der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes sei dort der mit Abstand größte Automobilmarkt der Welt entstanden.
Störfaktor CO2
Die heile Welt der Autoindustrie sei Vergangenheit, ist sich Dudenhöffer sicher. Einer der Störfaktoren darin heißt CO2. „Wir sehen, dass wir die Erde zerstören können, wenn wir das CO2 nicht in den Griff bekommen.“Die aktuellen Grenzwerte der EU konnten nicht nur eingehalten, sondern sogar unterschritten werden, aber sie müssen künftig noch weiter reduziert werden von 130 g/km auf 95 g/km im Jahr 2022. Eine große Herausforderung für die Autoindustrie.
Als weiteren Störfaktor bezeichnete der Automobilexperte den Stickoxidausstoß (NOx). Die Problematik sei seit Langem bekannt. Aber man habe einfach nicht darauf reagiert. Nicht nur die Autobauer, sondern auch die Politik haben hier nach seiner Einschätzung versagt. Erst die bekannt gewordenen Schummeleien bei der Abgasmessung von Dieselfahrzeugen haben die gebotene Aufmerksamkeit entfacht. Dabei ist die Problematik viel tief greifender, denn selbst Euro-6-Modelle überschreiten die zulässigen NOx-Werte um ein Vielfaches. „Der Diesel ist kaputt“, stellte Dudenhöffer fest.
Ein Weg aus diesem Dilemma sei für ihn ein tief greifender Wandel in der gesamten Automobilbranche. Er ist überzeugt, dass der Verbrennungsmotor seinem Ende entgegengeht. Elektroautos mit völlig neuen Infrastrukturen und der Nutzung schneller Datenübertragungstechniken seien dagegen die Fortbewegungsmittel der Zukunft. Dabei gebe es für die deutschen Automobilbauer noch viel zu tun. Weltweit hinkten sie bei diesem Thema selbst den Chinesen hinterher.
Paradebeispiel Tesla
Bei dem Beispiel Tesla kam Dudenhöffer beinahe ins Schwärmen: „Ein Elektroauto mit inzwischen über 500 Kilometer Reichweite, das seine Software über Funk updaten kann.“Und am meisten imponierte ihm, dass es samt der dazugehörenden Infrastruktur von einem jungen Startup-Unternehmen entwickelt und verwirklicht wurde und ohne eine aufwendige Vertriebsstruktur weltweit Käufer findet.
Dicht verbunden mit elektrisch betriebenen Pkw sah der Automobilexperte das selbstfahrende Auto und die enge Verzahnung mit den Datenströmen des Internets. Auch dabei ist China bereits einen Schritt voraus: Mit dem Aufbau eines superschnellen 5G-Datennetzes und einer Struktur, die alle Daten einer Stadt sammelt, auswertet und damit auch Verkehrsströme lenken kann, und mit einer Flotte von Elektroautos geht das Land in die Zukunft. Die klassischen Automobilbauer werden in diesem Umfeld nur noch eine wesentlich kleinere Rolle spielen. In der digitalen Welt wird mit der Dienstleistung Geld verdient und weniger mit der Hardware. Die Zukunft der Mobilität liegt laut Dudenhöffer deshalb auch in einer deutlichen Zunahme von Carsharing-Angeboten und in einem weiteren Schritt in einem Netz von autonom fahrenden Autos, die per Internet angefordert und zum jeweiligen Ziel geschickt werden.
Der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse, Martin Bücher, dankte dem Gastredner für seinen interessanten Einblick in die Herausforderungen der Automobilwirtschaft von morgen. Im Bereich der Digitalisierung ließen sich nach seiner Ansicht durchaus Parallelen zum Bankgeschäft ziehen, denn auch bei der Sparkasse nehmen die Onlinekontakte und der mobile Geldtransfer zu. Anschließend rief er zur Diskussion auf und die Zuhörer nutzten diese Gelegenheit zu interessierten Nachfragen.
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