Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sicherheit­sdenken lähmt den Gründergei­st

Entspannte Situation am Arbeitsmar­kt bremst den Mut junger Menschen für den Schritt in die Selbststän­digkeit

-

ULM (sz) - In keiner Region im Land sind es mehr: Pro Jahr entstehen rund um Ulm pro 10 000 Einwohner 6,5 zusätzlich­e Unternehme­n. In Stuttgart, auf Platz zwei der Rangliste, sind es nur 4,9. Dass Ulm deutlich in Sachen Wachstumsi­ntensität führt, erklärt sich Otto Sälzle, Hauptgesch­äftsführer der Ulmer Industrie- und Handelskam­mer (IHK), mit einer relativ geringen Anzahl an Betriebsau­fgaben im Vergleich zur Anzahl der Gründungen. „Die Unternehme­n in der Region weisen also eine hohe Nachhaltig­keit und Marktbestä­ndigkeit auf“, sagte Sälzle jetzt bei der Staffelübe­rgabe im Starter-Center.

17 Jahre ist es her, dass die IHK Ulm die erste Anlaufstel­le für Existenzgr­ünder schuf. Nach 14 Jahren gibt nun der langjährig­e Leiter, Artur Nägele, den Staffelsta­b an seinen Kollegen Michael Reichert. Eine „beachtlich­e Bilanz“zog Sälzle. Was die absolute Zahl der Gründungen angeht, liege Ulm nur im Mittelfeld. In Anbetracht der Wachstumsi­ntensität, seien die Gründungen jedoch besonders nachhaltig. Wie in anderen Regionen Deutschlan­ds auch, ging die Zahl der Start-ups in den vergangene­n Jahren zurück. Die Gründe liegen auf der Hand: In einer Region mit um die zwei Prozent Arbeitslos­igkeit ist der Drang in die Selbststän­digkeit verhaltene­rer als in Gegenden mit höherer Arbeitslos­igkeit.

Rund 70 000 Erstinform­ationen, 6500 individuel­le Einzelbera­tungen und etwa 10 000 Teilnehmer an verschiede­nen Veranstalt­ungsformat­en schleuste Nägele in 17 Jahren durch die zahlreiche­n Angebote der IHK. Zu den „Vorzeigegr­ündern“gehören Hendrik Mächler und Carolin Kasper. Die heute 36-Jährige gründete 2005 als Physiother­apeutin „Interflex“mit drei Mitarbeite­rn. Heute beschäftig­t die Ulmerin 70 Menschen und gehört mit Abschirmlö­sungen für Magnetreso­nanztomogr­afen zu den Marktführe­rn mit Wachstumsr­aten bis zu 680 Prozent. Eine derart erfolgreic­he Firmengrün­dung in einem High-TechGebiet ist aus Sicht von Sälzle eher ungewöhnli­ch für Ulm. Denn an der Donau gibt es zwar eine Universitä­t aber keine außerunive­rsitären Forschungs­institute. Einrichtun­gen wie die Max-Planck-Gesellscha­ft oder die Helmholtz-Gemeinscha­ft gehören aber zu wichtigen Bindeglied­ern zwischen der Wissenscha­ft und der Wirtschaft, die in Ulm fehlten.

„Gutes von Hier“expandiert

Eine eher typische Gründung für Ulm sei daher „Gutes von Hier“. Der heute 42-jährige Geograf Mächler verkaufte 2007 seine Webentwick­lungsfirma, um seinen Traum zu verwirklic­hen: „Nur die besten Produkte, nur aus der Region, nur von Erzeugern, die wir kennen und die sich nicht nur Manufaktur nennen, sondern handwerkli­ch produziere­n“zu verkaufen, wie er er formuliert. Viel besser als erwartet habe sich das Geschäft mit Geschenkbo­xen entwickelt, das bereits als „Spin-off“ausgeglied­ert wurde.

Neun Menschen beschäftig­t Mächler inzwischen. Und hält weiter den Kontakt zum Starter-Center der IHK, etwa wenn es um die Änderung der Rechtsform der Firma geht. Die Ulmer Start-up-Community lebt: Vor einem Jahr wurde von der IHK Ulm zudem die „Start-up-Region Ulm“ins Leben gerufen. Die Mitglieder­zahl hat sich seitdem auf 30 verdoppelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany