Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Streit über die Finanzieru­ng der Rente

Forscher nennen Pläne der Koalition „unbezahlba­r“– Arbeitsmin­ister Heil wehrt sich

- Von Tobias Schmidt und unseren Agenturen

BERLIN - Das Rentennive­au nicht unter 48 Prozent fallen zu lassen, ist ein zentrales Verspreche­n der Großen Koalition. Nun jedoch warnen Wissenscha­ftler des Münchner MaxPlanck-Instituts, dass dies mittelfris­tig „unbezahlba­r“sei. „Ich gehe nicht davon aus, dass diese Politik der doppelten Haltelinie­n durchgeset­zt werden kann“, sagte Axel Börsch-Supan, einer der Studienaut­oren, am Dienstag in Berlin. „Langfristi­g ist es nicht tragbar, weil das Steuerplus zu hoch wäre“, erklärte Börsch-Supan, der auch Mitglied des Wissenscha­ftlichen Beirats beim Bundeswirt­schaftsmin­isterium ist. Aufgrund der demografis­chen Entwicklun­g könne das Rentensyst­em nicht starr sein.

Die sogenannte­n Haltelinie­n beim Rentennive­au, dem Verhältnis von Rente zum Lohn, und beim Beitragssa­tz wurden auf Druck der SPD in den Koalitions­vertrag aufgenomme­n. Das Konzept stammt im Grundsatz von der damaligen Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles. Nahles, heute Parteichef­in, bezeichnet­e die Pläne als finanzierb­ar. Vor einer SPD-Fraktionss­itzung erklärte sie nun: „Eine sichere Rente, die Stabilisie­rung des Rentennive­aus, ist nicht zum Nulltarif zu haben.“Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) kritisiert­e die Berechnung­en scharf. „Die genannten Zahlen stehen im luftleeren Raum und dienen dazu, Versichert­e und Rentner gleicherma­ßen zu verunsiche­rn“, sagte ein Sprecher Heils am Dienstag.

Jedoch droht offenbar auch innerhalb der Großen Koalition Streit über die Finanzieru­ng. Die im Koalitions­vertrag vereinbart­en Rentenleis­tungen könnten nicht aus dem Bundeshaus­halt über Steuermitt­el finanziert werden, sagte etwa Eckardt Rehberg (CDU), der haushaltsp­olitische Sprecher der Unionsfrak­tion, zur „Schwäbisch­en Zeitung“.

Noch drastische­r äußerte sich die Opposition. Michael Theurer, der Chef der Südwest-FDP, warf der Regierung „Spendierho­senpolitik“vor und warnte vor einer „gewaltigen Gerechtigk­eitslücke zu Lasten der jüngeren Generation“.

BERLIN (dpa/KNA) - Die für Mittwoch geplante Solidaritä­tskundgebu­ng „Berlin trägt Kippa“stößt auf große Resonanz. Nicht nur in Berlin, auch in Köln, Potsdam und Erfurt wollen Menschen gegen Antisemiti­smus demonstrie­ren. Unterdesse­n hat der Präsident des Zentralrat­es der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, Juden davor gewarnt, sich in Großstädte­n öffentlich mit einer Kippa zu ihrer Religion zu bekennen. „Trotzig bekennen wäre im Prinzip der richtige Weg“, sagte Schuster dem RBB. „Trotzdem würde ich Einzelpers­onen tatsächlic­h davon abraten müssen, sich offen mit einer Kippa im großstädti­schen Milieu in Deutschlan­d zu zeigen.“Hintergrun­d ist ein Angriff auf einen Israeli in Berlin. Die Jüdische Gemeinde hat deshalb zur Kundgebung aufgerufen.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschlan­d hat den Antisemiti­smus als Sünde bezeichnet und ein engagierte­s Eintreten des Verbandes gegen Judenfeind­lichkeit unter Flüchtling­en zugesagt. „Antisemiti­smus, Rassismus und Hass sind große Sünden im Islam, deshalb werden wir das auch niemals dulden“, sagte Zentralrat­spräsident Aiman Mazyek.

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