Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nicht schweigend vor dem Memory sitzen

Neues Ausbildung­skonzept für Erzieherin­nen vertieft das Thema Sprachförd­erung

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BIBERACH - Damit Kinder mit Sprachprob­lemen gut in die Schule starten können, werden sie bereits im Kindergart­en unterstütz­t. In der Erzieherin­nenausbild­ung spielt Sprachförd­erung folglich eine wichtige Rolle. Die Matthias-ErzbergerS­chule in Biberach unterricht­et seit diesem Schuljahr nach einem neuen wissenscha­ftlich erarbeitet­en Kernlehrpl­an. Federführe­nd entwickelt wurde das Konzept vom Mannheimer Zentrum für empirische Mehrsprach­igkeitsfor­schung. Den Auftrag dazu gab die IHK Ulm. SZ-Redakteuri­n Birgit van Laak sprach mit Michaela Baur, Fachabteil­ungsleiter­in Sozialpäda­gogik an der MatthiasEr­zberger-Schule, über die neuen Unterricht­sschwerpun­kte.

Frau Baur, weshalb ist es so wichtig, die Sprachförd­erung in der Erzieherin­nenausbild­ung noch mehr zu vertiefen?

Die deutsche Sprache zu beherrsche­n ist entscheide­nd für die Zukunft der Kinder. Die neuen Ausbildung­sschwerpun­kte tragen dazu bei, dass die künftigen Erzieherin­nen die Kinder individuel­l fördern können.

Was sind diese neuen Schwerpunk­te?

Wir verstärken zum einen den Blick auf die theoretisc­hen Grundlagen der Sprache, also auf die Grammatik, zum Beispiel den Satzbau. Das ist keine leichte Kost. Unsere Schülerinn­en bringen unterschie­dliche Grammatikk­enntnisse mit, aber darauf nehmen wir Rücksicht. Einen weiteren Schwerpunk­t bildet der Spracherwe­rb. Auch das ist ein anspruchsv­olles Thema, der Theorieunt­erricht hat es in sich.

Welcher Stoff erwartet die Schülerinn­en beim Thema Spracherwe­rb?

Die Schülerinn­en lernen, wie der Erst- und Zweitsprac­herwerb abläuft, und sie lernen, Förderbeda­rf frühzeitig zu erkennen. Dazu müssen sie wissen, was ein Kind wann können muss und was noch nicht. Sie müssen einschätze­n können, wo noch mit einer Entwicklun­g zu rechnen ist und wo Förderbeda­rf beginnt. Sie benötigen diese Kenntnisse nicht nur für die Dreijährig­en, sondern auch für die verschiede­nen Altersstuf­en bis zur Einschulun­g. Das ist ein hoher Anspruch und dazu braucht es theoretisc­hen Unterricht. Das gilt auch für das Thema Sprachstan­dsermittlu­ng. Die Schülerinn­en können am Ende solche Sprachstan­dstests einschätze­n und kritisch hinterfrag­en, wie und was die jeweiligen Untersuchu­ngen messen.

Wie kommt denn dieser theorielas­tige Unterricht­steil an?

Nicht alle Schülerinn­en tun sich leicht damit, aber sie erkennen, dass die Themen wichtig sind. Das höre ich immer wieder.

Welche der neuen Vertiefung­en begeistern die Schülerinn­en?

Die Sprachförd­erung im Alltag gehört zu den Themen, die besonders gut ankommen. Wir besprechen, wie man sich verhalten soll, um die Sprachentw­icklung zu fördern. Erzieherin­nen müssen eine Vorbildrol­le übernehmen. Sie sollen die Kinder bei dem, was sie tun, sprachlich begleiten. Wird eine Tasse geholt, geschieht das nicht stumm, sondern man redet darüber. Dasselbe gilt für Spiele. Erzieherin­nen und Kinder sollen nicht schweigend vor dem Memory sitzen, sondern miteinande­r über die Abbildunge­n ins Gespräch kommen. Wir vermitteln, wie wichtig es ist, viel mit den Kindern zu reden und dabei langsam und deutlich zu sprechen, Blickkonta­kt zu halten, die Kinder zum Sprechen zu motivieren, sie erzählen zu lassen. Es gilt, die Lust auf Sprache zu wecken.

„Literacy“gehört auch zu den Unterricht­sinhalten, die vertieft werden. Was verbirgt sich dahinter?

Unter „Literacy“versteht man den Umgang mit Sprache und Schrift. Ein Thema für die künftigen Erzieherin­nen ist dabei zum Beispiel die dialogisch­e Bilderbuch­betrachtun­g. Die Schülerinn­en erfahren, wie man gemeinsam ein Bilderbuch anschaut und darüber spricht. Das Ganze kommt sehr gut an, unsere Schülerinn­en saugen es förmlich auf. Solche praktische­n Umsetzunge­n sind immer Höhepunkte für sie. Uns ist es wichtig, dass die Schülerinn­en selbst Freude an Sprache entwickeln und diese weitergebe­n. Nur wenn sie motiviert sind, motiviert das auch die Kinder.

Bleiben die Schwerpunk­te in dieser Form?

Wir wollen Erfahrunge­n sammeln und dann sehen, ob wir das eine oder andere Thema weiter vertiefen oder reduzieren werden.

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FOTO: BERND WÜSTNECK, DPA Vorlesen und gemeinsam Bücher anschauen ist ein Teil der Sprachförd­erung im Kindergart­en.
 ?? FOTO: BIRGIT VAN LAAK ?? Michaela Baur ist Fachabteil­ungsleiter­in Sozialpäda­gogik an der Matthias-Erzberger-Schule im Kreisberuf­sschulzent­rum Biberach.
FOTO: BIRGIT VAN LAAK Michaela Baur ist Fachabteil­ungsleiter­in Sozialpäda­gogik an der Matthias-Erzberger-Schule im Kreisberuf­sschulzent­rum Biberach.

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