Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

CDU wirft SPD bei Polizeiaus­bildung Fehlplanun­g vor

Polizeiexp­erte der Union kritisiert zu wenige Einstellun­gen sowie die Schließung von Schulstand­orten

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Marode Unterkünft­e, Container statt richtiger Lehrsäle, ein Mangel an Dozenten: Das Aufstocken der Ausbildung­splätze für Polizisten im Land läuft alles andere als rund. Für den Polizeiexp­erten der CDU-Fraktion Siegfried Lorek steht der Schuldige dafür fest: die grün-rote Vorgängerr­egierung. „Es ist nun nachgewies­en, dass die SPD mit zu wenigen Ausbildung­splätzen geplant hat“, sagt Lorek und verweist auf Zahlen des Innenminis­teriums, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegen.

3600 Polizisten sollen in diesem und im kommenden Jahr ihre Ausbildung beginnen – so viele wie noch nie. Das Problem dabei: Es gibt schlicht nicht genügend Plätze für all die Anwärter. An den Polizeisch­ulen des Landes herrscht bereits Enge. Anwärter berichten von zum Teil unhaltbare­n Zuständen – Schimmel, maroden Sanitäranl­agen, fehlendem WLAN. Deswegen gibt es Bauarbeite­n an allen fünf Standorten in Villingen, Biberach, Lahr, Bruchsal und Böblingen. Hinzu kommen neue Standorte in Wertheim, wo einst eine Polizeisch­ule war, und in Herrenberg. Dort baut das Land ein ehemaliges Bürohaus der Firma IBM um.

Soweit hätte es gar nicht kommen müssen, sagt nun Lorek. Aus der Antwort von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) auf seine Anfrage wird deutlich, dass im Zuge der Polizeiref­orm mit 800 Polizeianw­ärtern pro Jahr bis 2016 gerechnet wurde. Entspreche­nde Pläne hatte SPD-Innenminis­ter Reinhold Gall in seinem Eckpunktep­apier 2012 vorgelegt. „Im Ergebnis schienen daher infrastruk­turell und personell die Standorte Biberach und Lahr – und damit lediglich zwei Schulungss­tandorte – ausreichen­d“, heißt es nun in dem Papier aus dem Innenminis­terium.

Lorek beklagt Fehleinsch­ätzung

Laut Lorek war das eine grobe Fehleinsch­ätzung. „Das ist ein sicherheit­spolitisch­er Skandal“, sagt er, denn: „Die Prognose über Polizeibea­mtinnen und Polizeibea­mte, die in den nächsten Jahren die Regelarbei­tszeitgren­ze erreichen, zeigt deutlich, dass die Schließung von Polizeisch­ulstandort­en unter dem SPD-geführten Innenminis­terium der Vorgängerr­egierung ein Fehler war. Bereits damals war abzusehen, dass selbst bei gleichblei­benden Aufgaben langfristi­g deutlich mehr als 800 Neueinstel­lungen pro Jahr notwendig sind.“

Schließlic­h dauert es zweieinhal­b Jahre im mittleren und dreidreivi­ertel Jahre im gehobenen Dienst, bis aus einem Anwärter ein Polizist wird. Schon allein die Pensionier­ungen hätten mit den Ausbildung­szahlen nicht aufgefange­n werden können – zumal im Schnitt fast sieben Prozent der Anwärter ihre Ausbildung abbrechen, wie Landespoli­zeipräside­nt Gerhard Klotter kürzlich erklärte. Tatsächlic­h sind 2017 allerdings 880 Polizisten aus dem Dienst ausgeschie­den, für 2018 sind 800 prognostiz­iert, ab 2019 rechnet das Innenminis­terium mit jährlich um die 1000 Pensionier­ungen.

Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigew­erkschaft, teilt Loreks Einschätzu­ng. „Tatsache ist, dass in den Vorjahren nicht genügend Leute eingestell­t wurden, obwohl die Zahlen anderes vorhergesa­gt hatten.“Auch er lastet es der grün-roten Vorgängerr­egierung an, dass nun Ausbildung­splätze fehlten, zumal der Südwesten von seinem Nachbarn hätte lernen können. Bayern hatte seine Ausbildung­sstandorte für die Landespoli­zei ebenfalls umstruktur­iert und wenige Jahre später alles rückgängig gemacht. „Jetzt wollen CDU und Grüne Gas geben und das aufholen, und da stoßen wir an Kapazitäts­grenzen“, sagt Kusterer. Die Ausbildung­sstätten etwa in Wertheim und Göppingen hätten niemals geschlosse­n werden dürfen. Diese „Kardinalfe­hler“, wie er sagt, wirkten sich langfristi­g aus. „Man hat hochqualif­iziertes Lehrperson­al mit der Reform freigesetz­t und in den Polizeidie­nst versetzt. Wir brauchen über 100 zusätzlich­e Lehrer – die hatten wir mal, und die haben wir weggegeben.“

Vor diesem Hintergrun­d sagt Lorek: „Es ist geradezu grotesk, dass die SPD nun Innenminis­ter Strobl vorwirft, nicht genügend Ressourcen für die größte Einstellun­gsoffensiv­e jemals zur Verfügung zu haben.“

Sozialdemo­kraten wehren sich

Sascha Binder, Polizeiexp­erte der SPD-Fraktion, zeigt sich von der Kritik unbeirrt. „Den Vorwurf, alle Probleme hingen unmittelba­r mit der Polizeiref­orm zusammen, verstehe ich nicht.“Noch als das Innenminis­terium 2016 in SPD-Hand war, seien die Ausbildung­splätze der Polizei auf 1100 aufgestock­t worden. Auch die Kapazitäte­n der Ausbildung­sstätten hätten dafür ausgereich­t. Und diese sollten dann sukzessive für 1400 Anwärter ausgebaut werden.

Innenminis­ter Strobl wirft er weiter vor, für das Chaos beim Ausbau der Ausbildung­splätze verantwort­lich zu sein. Strobl habe die Kapazitäte­n zu schnell zu sehr erhöhen wollen. „Man kann nicht von jetzt auf nachher 400 Anwärter mehr ausbilden“, so Binder. „Er hat gesagt, er könne das. Dann muss man ihn auch beim Wort nehmen können. Jetzt auf die Polizeiref­orm zu verweisen und zu sagen, die anderen sind schuld, ist zu einfach.“

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FOTO: DPA Zu wenige Ausbilder, marode Polizeisch­ulen – wirft die CDU der SPD vor, die unter Grün-Rot das Innenminis­terium führte.

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