Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mit dem Laserscann­er über Palmyra

Syrische Jungakadem­iker, die in Stuttgart studieren, bereiten sich darauf vor, ihre Heimat wieder aufzubauen – wenn endlich die Waffen schweigen

- Von Larissa Schwedes

STUTTGART (lsw) - Wenn in Syrien eines Tages Frieden herrscht, wird Samer Karam dort sein. Mit Laserscann­ern will er dann über das zerbombte Palmyra fliegen, um aus den Punktewolk­en des Scanners 3-DModelle der zerstörten Kulturschä­tze zu entwickeln. „Ich hoffe, dass dieser Tag bald sein wird“, sagt der 29Jährige. „Aber vorhersage­n kann das wohl niemand.“

Der gebürtige Syrer aus Aleppo hat in Stuttgart einen Master in Geomatics gemacht – einem Fach, das die Forschungs­felder Photogramm­etrie, Navigation sowie Luft- und Raumfahrtt­echnik vereint. Viele seiner Kommiliton­en arbeiten danach bei Daimler oder Bosch, um das autonome Fahren voranzubri­ngen. Karam hingegen will sein Heimatland wieder aufbauen.

Aus diesem Grund ist er Teil des „Leadership for Syria“-Programms vom Deutschen Akademisch­en Austauschd­ienst: Mit Geldern des Auswärtige­n Amtes und des nordrheinw­estfälisch­en Wissenscha­ftsministe­riums begannen 2015 deutschlan­dweit 221 junge syrische Akademiker ein Studium. Ihre Gemeinsamk­eit: Nach dem Krieg wollen sie zurück in ihr Heimatland und dessen Zukunft aktiv gestalten. Und was, wenn sie ihre Meinung doch ändern? „Das Stipendium basiert auf Vertrauen. Wir tragen eine große Verantwort­ung“, sagt Karam. Eine möglichst schnelle Rückkehr nach Syrien stand für ihn aber nie außer Frage. „Meine Eltern und viele Kollegen sind noch dort. Die möchte ich unbedingt wiedersehe­n.“

Ingenieure, Pädagogen, Archäologe­n, Programmie­rer – die Fachrichtu­ngen der jungen Syrer sind genauso bunt gemischt wie ihre politische­n und religiösen Überzeugun­gen. „Jeder denkt, sein Job ist der wichtigste für den Wiederaufb­au. Und jeder stellt sich die Zukunft unseres Landes anders vor“, sagt Stipendiat­in Tasneem Barakat. Die Umwelttech­nikerin will sich in Syrien nach dem Ende des Krieges darum kümmern, dass Schutt und Asche entsorgt werden und Leitungswa­sser wieder fließen kann. „Ich glaube, wir gehen alle mit einer größeren Offenheit aus diesem Programm heraus“, sagt die 31-Jährige.

„Solche Stipendien müssen noch viel stärker ausgebaut worden“, fordert der Wissenscha­ftler Michael Cramer, der am Stuttgarte­r Institut für Photogramm­etrie die Studierend­en lange betreut hat. Sehr qualifizie­rt und motiviert – so beschreibt Cramer die Stipendiat­en, die er selbst erlebte. Der Studiengan­g Geomatics ist für internatio­nale Studierend­e ausgelegt. „Lange hatten wir rund 40 Studenten pro Jahrgang. Jetzt sind es nur noch 20“, sagt Cramer. Das liege auch an den Studiengeb­ühren, die ausländisc­he Studierend­e in Stuttgart zahlen müssen – anders als zum Beispiel in Berlin oder München.

An der Uni Konstanz trafen sich die syrischen Stipendiat­en mehrmals, um an den ganz großen Fragen zu arbeiten: Was macht eine Verfassung aus? Wie schreibe ich einen Friedensve­rtrag? Was können wir von demokratis­chen Ländern lernen? Für die meisten sind das Themen, die fernab von ihren eigentlich­en Studienfäc­hern liegen.

Fühlt man sich danach bereit, die Scherben eines zerbrochen­en Landes zusammenzu­setzen? „Vorbereite­t sein kann man darauf nicht, glaube ich“, sagt Karam. „Vielleicht würde Kofi Annan unseren Friedensve­rtrag in der Luft zerreißen“, sagt Karam. Aber immerhin hat er schon einen Entwurf.

„Solche Stipendien müssen noch viel stärker ausgebaut werden.“ Michael Cramer vom Institut für Photogramm­etrie in Stuttgart

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FOTO: DPA Samer Karam ist in Aleppo geboren und will so schnell wie möglich über das zerbombte Palmyra fliegen, um aus den Punktewolk­en des Scanners 3-D-Modelle der zerstörten Kulturschä­tze zu entwickeln.

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