Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hensoldt legt die Latte höher
Spezialist für Verteidigungselektronik setzt im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro um – und will weiter wachsen
BERLIN/IMMENSTAAD - Man hört wenig, man sieht sie kaum: In die Hensoldt Holding Germany wurde vor rund einem Jahr die Verteidigungselektronik des Airbus-Konzerns ausgegliedert und an den Finanzinvestor KKR verkauft. Vieles läuft im Rüstungsgeschäft eben unter dem Deckmantel der Geheimhaltung. Zum einjährigen Geburtstag des Unternehmens mit Standorten in Immenstaad und Ulm hat HensoldtChef Thomas Müller auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin aber doch ein paar klare Worte gefunden. Schließlich konnte man erstklassige Zahlen präsentieren.
„Wir haben allen Grund zur Freude“, sagte Müller, und verkündete eine „signifikante Steigerung“des Auftragseingangs für 2017 (auf 1,2 Milliarden Euro) und des Umsatzes (1,1 Milliarden Euro). Und: „Wir haben die Rentabilität des Unternehmens deutlich steigern können.“Müller spricht von über 20 Prozent. Ein weiterer Grund zu feiern sei für Hensoldt, dass auch die entsprechenden französischen Aktivitäten der Verteidigungselektronik des Airbuskonzerns auf Hensoldt übertragen wurden. „Damit sind wir jetzt ein deutsch-französisches Unternehmen“, sagte Müller, auch wenn der französische Bereich nicht sonderlich groß sei.
Der Airbus-Konzern hatte sich schon 2014 entschieden, seine Verteidigungselektronik zu verkaufen. Das betraf im Wesentlichen die Bereiche Radar, Optronik (Kameras) und Avionik (Flugelektronik). Nach längeren Verhandlungen hatte sich Airbus damals für den amerikanischen Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) als Käufer entschieden. Der Verkauf wurde zum 1. Mai 2017 wirksam. „Die Idee für das Elektronikgeschäft war, dass die ausgegliederte Firma für alle Flugzeug- und Systemhersteller arbeiten kann und nicht nur für Airbus“, sagte Hensoldt-Pressesprecher Lothar Belz der „Schwäbischen Zeitung“. Dieser Schritt versprach Wachstumspotenzial. Bislang hält der Airbuskonzern noch 25,1 Prozent der Anteile von Hensoldt. Diese sollen nach der endgültigen Trennung der Geschäfte ebenfalls an KKR übergehen. „Bis Mitte des Jahres ist das Thema abgeschlossen“, sagte Firmenchef Müller.
Innovationsstandort Immenstaad
Am Standort Immenstaad (Bodenseekreis) hat Hensoldt sein Geschäft mit Flugzeugelektronik (Avionik) konzentriert. Rund 400 Mitarbeiter arbeiten dort an Flugsteuerungscomputern, Datenschreibern, Planungssystemen und luftgestützten Radaren – alles für den militärischen Bereich. Eines der wenigen zivilen Projekte sind Radarantennen für Satelliten, bei dem Hensoldt weiter mit Airbus zusammenarbeitet. Mit der Übernahme des Pforzheimer Unternehmens Euro Avionics, das auf zivile Flugzeugelektronik spezialisiert ist, sei der Geschäftsbereich im vergangenen Jahr wesentlich verstärkt worden. Nun gelte es, die „technische Hochleistung der Militärsysteme“und die „genau auf Kundenanforderungen zugeschnittenen, großen Stückzahlen des zivilen Marktes“zusammenzubringen, so Belz.
Wie wichtig Immenstaad für Hensoldt ist, unterstrich Unternehmenschef Müller: „Immenstaad ist für uns der zukünftige Innovationsstandort.“Ulm mit seinen rund 2000 Mitarbeitern sei dagegen der Standort mit der höchsten Produktionskapazität, gerade was die Herstellung von Radarsystemen betreffe.
Neben dem Kerngeschäft verfolgt Hensoldt in einem Joint-Venture (Hensoldt Cyber) mit „Secure Elements“auch auf dem Gebiet der Cyber-Sicherheit innovative Ansätze. „Das ist keine Waffe“, sagte Müller bezüglich des sogenannten „DroneCatchers“, den Hensoldt momentan entwickelt. Der sei gerade auch für zivile Anwendungen gedacht, wenn zum Beispiel eine Drohne unerlaubt übers Münchner Oktoberfest fliege. Man könne diese logischerweise nicht abschießen. „Wir brauchen eine Drohne, die diese Drohne fängt und an einen Ort bringt, wo sie unschädlich gemacht werden kann.“Der Drone-Catcher sei eine schnelle, leistungsstarke Drohne, die ein Netz auswerfe.
Auf der Suche nach Zukäufen
In den kommenden Jahren will der „Sensorlösungs-Spezialist“, wie sich Hensoldt selbst bezeichnet, weiter wachsen – sowohl organisch als auch über Zukäufe. „Wir sind jetzt bereit, größere Akquisitionen zu tätigen“, sagt Müller. Es gehe um Firmen, deren
Umsatz im unteren dreistelligen Millionenbereich liege. Feindliche Übernahmen schloß der Unternehmenschef aber aus: „Das geht nur, wenn beide Seiten überzeugt sind, dass es ein guter Weg ist.“Bis zum Jahr 2022 will der Konzern, der aktuell rund 4300 Leute beschäftigt, einen Umsatz von zwei Milliarden Euro erreichen. Die größte Herausforderung sei es jetzt, „diesen Erfolg weiterzuführen“, so Müller. Die Basis für die Zukunft habe man geschaffen.
Zum Abschluss preist Müller auf der Pressekonferenz das von Hensoldt entwickelte „Counter UAV System“, ein Passiv-Radar, das nicht abstrahle und nur elektromagnetische Wellen messe. „Kann man damit auch einen Stealth-Fighter aufklären?“, lautet eine Frage. „Sie kriegen keine Antwort“, sagt Müller bestimmt. Es bleibt eben doch vieles im Geheimen bei Hensoldt.