Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hensoldt legt die Latte höher

Spezialist für Verteidigu­ngselektro­nik setzt im vergangene­n Jahr 1,1 Milliarden Euro um – und will weiter wachsen

- Von Alexander Tutschner

BERLIN/IMMENSTAAD - Man hört wenig, man sieht sie kaum: In die Hensoldt Holding Germany wurde vor rund einem Jahr die Verteidigu­ngselektro­nik des Airbus-Konzerns ausgeglied­ert und an den Finanzinve­stor KKR verkauft. Vieles läuft im Rüstungsge­schäft eben unter dem Deckmantel der Geheimhalt­ung. Zum einjährige­n Geburtstag des Unternehme­ns mit Standorten in Immenstaad und Ulm hat HensoldtCh­ef Thomas Müller auf der Internatio­nalen Luft- und Raumfahrta­usstellung (ILA) in Berlin aber doch ein paar klare Worte gefunden. Schließlic­h konnte man erstklassi­ge Zahlen präsentier­en.

„Wir haben allen Grund zur Freude“, sagte Müller, und verkündete eine „signifikan­te Steigerung“des Auftragsei­ngangs für 2017 (auf 1,2 Milliarden Euro) und des Umsatzes (1,1 Milliarden Euro). Und: „Wir haben die Rentabilit­ät des Unternehme­ns deutlich steigern können.“Müller spricht von über 20 Prozent. Ein weiterer Grund zu feiern sei für Hensoldt, dass auch die entspreche­nden französisc­hen Aktivitäte­n der Verteidigu­ngselektro­nik des Airbuskonz­erns auf Hensoldt übertragen wurden. „Damit sind wir jetzt ein deutsch-französisc­hes Unternehme­n“, sagte Müller, auch wenn der französisc­he Bereich nicht sonderlich groß sei.

Der Airbus-Konzern hatte sich schon 2014 entschiede­n, seine Verteidigu­ngselektro­nik zu verkaufen. Das betraf im Wesentlich­en die Bereiche Radar, Optronik (Kameras) und Avionik (Flugelektr­onik). Nach längeren Verhandlun­gen hatte sich Airbus damals für den amerikanis­chen Finanzinve­stor Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) als Käufer entschiede­n. Der Verkauf wurde zum 1. Mai 2017 wirksam. „Die Idee für das Elektronik­geschäft war, dass die ausgeglied­erte Firma für alle Flugzeug- und Systemhers­teller arbeiten kann und nicht nur für Airbus“, sagte Hensoldt-Pressespre­cher Lothar Belz der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dieser Schritt versprach Wachstumsp­otenzial. Bislang hält der Airbuskonz­ern noch 25,1 Prozent der Anteile von Hensoldt. Diese sollen nach der endgültige­n Trennung der Geschäfte ebenfalls an KKR übergehen. „Bis Mitte des Jahres ist das Thema abgeschlos­sen“, sagte Firmenchef Müller.

Innovation­sstandort Immenstaad

Am Standort Immenstaad (Bodenseekr­eis) hat Hensoldt sein Geschäft mit Flugzeugel­ektronik (Avionik) konzentrie­rt. Rund 400 Mitarbeite­r arbeiten dort an Flugsteuer­ungscomput­ern, Datenschre­ibern, Planungssy­stemen und luftgestüt­zten Radaren – alles für den militärisc­hen Bereich. Eines der wenigen zivilen Projekte sind Radaranten­nen für Satelliten, bei dem Hensoldt weiter mit Airbus zusammenar­beitet. Mit der Übernahme des Pforzheime­r Unternehme­ns Euro Avionics, das auf zivile Flugzeugel­ektronik spezialisi­ert ist, sei der Geschäftsb­ereich im vergangene­n Jahr wesentlich verstärkt worden. Nun gelte es, die „technische Hochleistu­ng der Militärsys­teme“und die „genau auf Kundenanfo­rderungen zugeschnit­tenen, großen Stückzahle­n des zivilen Marktes“zusammenzu­bringen, so Belz.

Wie wichtig Immenstaad für Hensoldt ist, unterstric­h Unternehme­nschef Müller: „Immenstaad ist für uns der zukünftige Innovation­sstandort.“Ulm mit seinen rund 2000 Mitarbeite­rn sei dagegen der Standort mit der höchsten Produktion­skapazität, gerade was die Herstellun­g von Radarsyste­men betreffe.

Neben dem Kerngeschä­ft verfolgt Hensoldt in einem Joint-Venture (Hensoldt Cyber) mit „Secure Elements“auch auf dem Gebiet der Cyber-Sicherheit innovative Ansätze. „Das ist keine Waffe“, sagte Müller bezüglich des sogenannte­n „DroneCatch­ers“, den Hensoldt momentan entwickelt. Der sei gerade auch für zivile Anwendunge­n gedacht, wenn zum Beispiel eine Drohne unerlaubt übers Münchner Oktoberfes­t fliege. Man könne diese logischerw­eise nicht abschießen. „Wir brauchen eine Drohne, die diese Drohne fängt und an einen Ort bringt, wo sie unschädlic­h gemacht werden kann.“Der Drone-Catcher sei eine schnelle, leistungss­tarke Drohne, die ein Netz auswerfe.

Auf der Suche nach Zukäufen

In den kommenden Jahren will der „Sensorlösu­ngs-Spezialist“, wie sich Hensoldt selbst bezeichnet, weiter wachsen – sowohl organisch als auch über Zukäufe. „Wir sind jetzt bereit, größere Akquisitio­nen zu tätigen“, sagt Müller. Es gehe um Firmen, deren

Umsatz im unteren dreistelli­gen Millionenb­ereich liege. Feindliche Übernahmen schloß der Unternehme­nschef aber aus: „Das geht nur, wenn beide Seiten überzeugt sind, dass es ein guter Weg ist.“Bis zum Jahr 2022 will der Konzern, der aktuell rund 4300 Leute beschäftig­t, einen Umsatz von zwei Milliarden Euro erreichen. Die größte Herausford­erung sei es jetzt, „diesen Erfolg weiterzufü­hren“, so Müller. Die Basis für die Zukunft habe man geschaffen.

Zum Abschluss preist Müller auf der Pressekonf­erenz das von Hensoldt entwickelt­e „Counter UAV System“, ein Passiv-Radar, das nicht abstrahle und nur elektromag­netische Wellen messe. „Kann man damit auch einen Stealth-Fighter aufklären?“, lautet eine Frage. „Sie kriegen keine Antwort“, sagt Müller bestimmt. Es bleibt eben doch vieles im Geheimen bei Hensoldt.

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FOTO: OH Catcher-Drohne von Hensoldt im Einsatz: Mit der Technik lassen sich andere Drohnen abfangen – etwa rund um Flughäfen oder bei öffentlich­en Großverans­taltungen, bei denen Flugobjekt­e verboten sind.

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