Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mit allen Sinnen genießen

Das Interesse an Ayurveda als Ernährungs­konzept in der westlichen Welt wächst

- Von Inga Dreyer

PRIEN AM CHIEMSEE (dpa) - Ob Massagen oder Kuren – bei Ayurveda denken die meisten an Wellness. Teil der Idee ist aber auch eine ausgeklüge­lte Ernährungs­lehre. Die mag sich auf den ersten Blick komplizier­t anhören. Wer sich aber einfach an den Grundprinz­ipien orientiert, kann auch ohne viel Tamtam davon profitiere­n.

Ursprüngli­ch bedeutet Ayurveda „Wissen vom Leben“, erklärt Ayurveda-Koch und Autor Nicky Sitaram Sabnis (Foto: Sabine Mader/AT Verlag /dpa). Es geht um gesunde Lebensführ­ung, Heilkunst und Ernährungs­lehre. Ayurveda-Gesundheit­sberater Volker Mehl vergleicht die Lehre mit einem Energiespa­rmodell. Sie setzt auf warme Mahlzeiten, damit der Körper weniger Energie für die Verdauung aufwenden muss. Der Tag beginnt deshalb mit einem warmen Brei.

Außerdem wichtig: regelmäßig und in Ruhe zu essen. „Sonst verliert sich die Seele in dem Rumgerenne“, sagt Mehl. Er betont: In der ayurvedisc­hen Ernährung geht es nicht um Verbote. Wer sich so ernähren möchte, soll aber um die Wirkung bestimmter Lebensmitt­el wissen.

Die ayurvedisc­he Lehre geht nämlich davon aus, dass manche Nahrungsmi­ttel nicht für jeden geeignet sind. Wer sich wie ernähren sollte, hängt von den sogenannte­n Doshas ab. Die Idee dahinter ähnelt der anderer traditione­ller Gesundheit­skonzepte wie der antiken Lehre der vier Säfte. Im Ayurveda sind es Bioenergie­n, die im Körper der Menschen wirken: die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha. Ihnen werden bestimmte Eigenschaf­ten zugeschrie­ben – Vata etwa „kalt, leicht und trocken“.

Je nachdem, in Richtung welcher Dosha der Einzelne neigt, soll er der Lehre zufolge mit seiner Ernährung für Ausgleich sorgen. Überwiegt Vata bei jemandem, kann er beispielsw­eise süß und saftig essen, um diese Dosha zu reduzieren. Letztlich geht es darum, ein Gleichgewi­cht zu schaffen.

Von diesem Konzept sind viele fasziniert, ist Volker Mehls Erfahrung. „Jeder will wissen: Was bin ich für ein Typ?“Für ihn sei dies jedoch der zweite Schritt vor dem ersten. „Das ist genauso, als wenn man anfängt, Englisch zu lernen, und die erste Lektüre ist Shakespear­e.“Er rät dazu, klein anzufangen – zum Beispiel anders als in Deutschlan­d üblich morgens schon ein warmes Frühstück zu sich zu nehmen.

Wer sich mit Ayurveda beschäftig­t, sucht mitunter auch nach einer Lösung für ein gesundheit­liches Problem. In Sabnis’ Kochkurse kämen viele Menschen, die mit Unverträgl­ichkeiten, Allergien oder MagenDarm-Beschwerde­n zu kämpfen haben, sagt er. Vor mehr als 20 Jahren hatte er selbst eine Tumoropera­tion und weiß, was Krankheit bedeutet. Volker Mehl betont jedoch, dass Ayurveda nicht bei allen Problemen helfen kann. „Es gibt auch unheilbare Krankheite­n. Ayurveda kann definitiv nicht zaubern.“

Wissenscha­ftlich nicht bewiesen

Wissenscha­ftlich belegt ist eine heilende Wirkung von ayurvedisc­her Medizin nicht, sagt der Ernährungs­mediziner und Diabetolog­e Matthias Riedl. „Es gibt bei vielen Aspekten noch keine evidenzbas­ierten Beweise.“Das sollte jedoch nicht davon abhalten, ayurvedisc­he Ernährung oder Behandlung­en auszuprobi­eren, sagt er.

Zu Vorsicht rät Riedl bei ayurvedisc­hen Medikament­en. Bei ihnen müsse man einerseits auf die Dosierung, und anderersei­ts auf die Herkunft achten. „Auch Pflanzen haben mitunter Nebenwirku­ngen“, betont er. Es seien schon nicht-zertifizie­rte Ayurveda-Medikament­e aufgetauch­t, die mit Schwermeta­llen belastet waren. Dass Kräuter und Gewürze bei bestimmten Symptomen helfen können, sei dagegen unbestritt­en: Ingwer beispielsw­eise hat sich gegen Entzündung­en bewährt, Weihrauch wird bei rheumatisc­hen Beschwerde­n eingesetzt.

Dass Ayurveda nicht unbedingt mit Verzicht und Askese zu tun hat, will Doris Iding vermitteln. Sie hat gemeinsam mit Markus Dürst und Johanna Wäfler das Buch „Sinnliche Ayurveda-Küche“geschriebe­n. Darin beschäftig­en sie sich unter anderem mit der anregenden Wirkung bestimmter Gewürze. Chili wirke sehr stimuliere­nd, Safran gelte traditione­ll als Aphrodisia­kum. „Früher sagte man, dass es sexuell enthemme.“Auch Zimt und Vanille seien warme, anregende Gewürze.

Iding will zeigen, dass es in der ayurvedisc­hen Ernährungs­lehre darum geht, Lebensmitt­el mit allen Sinnen zu genießen. Keine Zeit zu haben, lässt sie nicht als Ausrede gelten. „Wenn ich mich bewusst dafür entscheide, finde ich auch die Freiräume.“Zeit, betont sie, ist generell eine der wichtigste­n Zutaten für eine gesunde Ernährung. Unabhängig davon, welchem Konzept folgt, was auf den Teller kommt.

Literatur: Markus Dürst, Johanna Wäfler, Doris Iding:Sinnliche Ayurvedakü­che. AT Verlag. 224 S., 24,95 Euro,

ISBN 9783038008­675.

Nicky Sitaram Sabnis:Jetzt koche ich ayurvedisc­h – Schnelle Küche für Einsteiger. AT Verlag. 152 S., 19,95 Euro,

ISBN 9783038009­276.

Nicky Sitaram Sabnis: AyurvedaKü­che zum Abnehmen. AT Verlag. 144 S., 19,90 Euro.

ISBN 9783038007­272. Volker Mehl:Ayurveda-ABC – Alles außer komplizier­t. Die Basics leicht erklärt. Schirner Verlag. 136 S., 9,95 Euro.

ISBN 9783843412­773.

Volker Mehl: Agni vitalis – das Feuer des Lebens. Gute Verdauung und Lebensener­gie sind kein Zufall. Schirner Verlag. 141 S., 9,95 Euro, ISBN 9783843413­046.

 ?? FOTO: JASMIN JESS/SCHIRNER VERLAG/DPA ?? Auch Süßes ist erlaubt – wie etwa Zitronengr­as-Orangen-Waffeln mit Apfel-Ingwer-Kompott.
FOTO: JASMIN JESS/SCHIRNER VERLAG/DPA Auch Süßes ist erlaubt – wie etwa Zitronengr­as-Orangen-Waffeln mit Apfel-Ingwer-Kompott.
 ?? FOTO: ANNELIESE KOMPATSCHE­R/AT VERLAG/DPA ?? Gewürze spielen eine wichtige Rolle.
FOTO: ANNELIESE KOMPATSCHE­R/AT VERLAG/DPA Gewürze spielen eine wichtige Rolle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany