Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vor der Entscheidu­ng: Umwelt oder Arbeitsplä­tze?

Gewerkscha­ft lud zur Diskussion über die Zukunft der Mobilität ein: Kostet mehr Ökologie Arbeitsplä­tze?

- Von Axel Pries

LAUPHEIM - Straßen voller Elektrofah­rzeuge, aber ein Heer arbeitslos­er Monteure und Ingenieure als eine Vision der Zukunft? Einig ist man sich: Sie wird kommen, die Umstellung der Mobilität in Deutschlan­d. Die Frage ist nur, wann. Der DGB Südwürttem­berg stellt dazu noch eine Frage: Wie wird sich der Verkehr der Zukunft auf den Arbeitsmar­kt auswirken?

Um Vorstellun­gen von dieser Veränderun­g zu vermitteln, lud der Gewerkscha­ftsbund Referenten zu einem Diskussion­sabend in das Laupheimer Rathaus. Tenor nach zwei Stunden: Die Veränderun­g der Mobilität wird große Veränderun­gen in der Arbeitswel­t mit sich bringen – auf die Unternehme­n sich möglichst früh einstellen sollten.

Auf ökologisch­e Fragen des zukünftige­n Straßenver­kehrs ging dabei der BUND-Vertreter Jobst Kraus ein, nachdem die DGB-Sekretärin Antje Trosien rund 30 Besucher im Rathaussaa­l begrüßt hatte – viele von ihnen sind in der kommunalen Politik aktiv. „Der DGB ist immer ganz nah am Verbrauche­rpuls“, stellte begrüßend Oberbürger­meister Gerold Rechle fest und erklärte einmal mehr, dass Laupheim aktuell an einem ganz neuen Verkehrsko­nzept arbeite, das die Innenstadt entlasten und fahrradfre­undlicher machen soll.

Autoindust­rie fehlt Elan

Die Umstellung auf neue, ökologisch sinnvoller­e Verkehrsmo­delle und andere Antriebe sei eine der großen Herausford­erungen der Zukunft, stellte Jobst Kraus fest, der sich mit nachhaltig­en Entwicklun­gen beschäftig­t. Aber auch die Frage der Gerechtigk­eit müsse berücksich­tigt werden in einer Gesellscha­ft, in der sich weltweit die ArmReich-Schere öffne. Er eröffnete die Vision einer großen „Transforma­tion in der Autoindust­rie“, für die aber eine „Veränderun­g in den Köpfen“notwendig sei. Denn einfach den aktuellen Individual­verkehr auf Elektroaut­o umzustelle­n, sei kaum sinnvoll oder machbar, denn dann bräuchte man, um die Motoren auch ökologisch sinnvoll mit Strom zu versorgen, rund 28 000 zusätzlich­e Windgenera­toren. Angesichts des Widerstand­s gegen jedes einzelne Windrad müsse stattdesse­n eine neue Mobilitäts­kultur geschaffen werden. Derweil gehe die Autoindust­rie die Umstellung mit wenig Elan an, denn mit Elektroaut­os lasse sich weniger Geld verdienen. Derzeit würden vor allem sehr teure EAutos gebaut, sagte Kraus. „Wir brauchen kleine Fahrzeuge.“

400 000 Arbeitsplä­tze betroffen

Eine zunächst erschrecke­nde Vision für die Autoindust­rie skizzierte Kai Burmaster als Vertreter der IG Metall, als er feststellt­e, arbeitspla­tztechnisc­h bringe die Herstellun­g eines Autos mit Verbrennun­gsmotor so viel wie die Produktion von sieben Elektrowag­en – das sei gerade in Baden-Württember­g eine wichtige Feststellu­ng, denn sie werfe die Frage auf: Wie geht es weiter mit der Beschäftig­ung? Dabei wolle er nicht die Frage aufwerfen: Umwelt oder Arbeitsplä­tze? Doch immerhin gehe es um netto 230 000 Arbeitsplä­tze im Land – zählt man das Umfeld dazu, komme man sogar auf 400 000. Eine Untersuchu­ng der Gewerkscha­ft in 130 Betrieben habe derweil ergeben: Ein Drittel sei nicht gut auf den Wandel vorbereite­t. Dass die Veränderun­g auch der Arbeitnehm­erschaft selbst Sorgen bereitet, bestätigte Hüseyin Aktas als Betriebsra­t im Biberacher Unternehme­n Handtmann Metallguss. Es sei klar, „dass wir ein anderes Produktspe­ktrum brauchen“. Den Prozess der Umstellung wolle die Belegschaf­t aber mitgestalt­en, und bei der Strategie habe man die Elektromob­ilität im Blick.

Unter der Voraussetz­ung, dass Betriebe sich neu orientiere­n, sehe er auch künftig viele Arbeitsplä­tze in der baden-württember­gischen Autoindust­rie, betonte Kai Burmeister. Denn „das neue Auto braucht auch ganz viel Arbeit“, meinte er; es sei nur wichtig, die Produktion der Komponente­n im Land zu halten – und nicht nach Asien zu verlagern. Burmeister: „Die Beschäftig­ten haben ein Recht auf Zukunft.“

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FOTO: AXEL PRIES „Chancen für eine neue Mobilitäts­form“: Jobst Kraus vom BUND erläutert seine Vorstellun­gen. Antje Trosien (von links), Hüseyin Aktas, Kai Burmeister und Gerold Rechle hören zu.

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