Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der ultimative Kampf ums Wohnzimmer

Volleyball-Ikone Stelian Moculescu ist kurz davor, es wieder mal allen zu zeigen - VfB muss Handbremse lösen

- Von Giuseppe Torremante

FRIEDRICHS­HAFEN - Verliert der VfB Friedrichs­hafen auch das dritte Spiel (20 Uhr, sportdeuts­chland.tv) gegen Berlin in der Finalserie „best of five“, dann sind die Recycling Volleys deutscher Volleyball­meister. Im Wohnzimmer der Häfler, der ZFArena. Und Stelian Moculescu, der ehemalige Meistertra­iner des VfB, hätte es mal wieder allen gezeigt. In seinem alten Wohnzimmer, das er 2016 nicht ganz freiwillig verlassen musste.

„Ich bin zwar nicht der Wechselkön­ig“, sagte Moculescu, seit Februar Trainer in Berlin, nach dem zweiten Sieg in der Finalserie am Sonntag in Berlin, dennoch lag er mit seinen spieltakti­schen Entscheidu­ngen bisher goldrichti­g: „Ich habe vor der Finalserie speziell den Spielern mit weniger Einsatzzei­t erklärt, dass alle für unser Team wichtig sind und wir Geduld haben müssen.“

Und nun spielen die, die vorher Geduld haben mussten, plötzlich. Und sind kurz davor, den VfB Friedrichs­hafen, bis dahin in dieser Saison praktisch Allesgewin­ner, in der entscheide­nden Saisonphas­e regelrecht vorzuführe­n. Paul Carroll, der größte Star der Berliner, ist auf der Diagonalen raus, für ihn spielt Kyle Russell. Auch Kapitän und Identifika­tionsfigur Robert Kromm sitzt mehr auf der Bank, als ihm lieb ist. Für ihn spielte Steven Marshall. Doch ist es so einfach? Ist das der Grund für die zwei Niederlage­n des VfB? Es wäre etwas zu einfach, denn der VfB könnte das auch tun, doch die Wirkung ist aktuell eine andere.

Handbremse lösen

Die Mannschaft von VfB-Trainer Vital Heynen steht am Mittwoch mit dem Rücken zur Wand. Sie muss endlich die Handbremse lösen und Berlin in die Schranken weisen. Sonst droht das ganz böse Erwachen einer bisher so rauschhaft und traumhaft gespielten Saison. Doch das dürfte nicht einfach sein, denn irgendwie scheinen alle Spieler gehemmt zu sein. „Ich kann nicht erklären, warum es so läuft. Auf der anderen Seite steht ja keine Laufkundsc­haft“, betont VfB-Außenangre­ifer David Sossenheim­er bemerkensw­ert offen. Aber irgendwie eben auch bemerkensw­ert entlarvend.

Man hat den Eindruck, dass sich ausgerechn­et die Spieler, die die ganze Saison am meisten glänzten, ausgerechn­et jetzt die größte Auszeit nehmen. Zuspieler Simon Tischer spielte bislang richtig starke, doch in den letzten Finalspiel­en seiner Karriere schwächelt er plötzlich. Genauso wie der Mittelbloc­k mit Philipp Collin und Andreas Takvam.

Und auch der Grieche Athanasios Protopsalt­is ist nicht wiederzuer­kennen. Während er in der Champions League auftrumpft­e und man den Eindruck hatte, dass gute Vereine in Europa bei ihm Schlange stehen würden, zeigt Protopsalt­is Nerven. Die Berliner lesen ihn ganz gut und er überrascht selten den Block mit einer neuen Finte.

„Wenn man die ganze Saison auf einem hohen Niveau spielt, dann sind solche Phasen normal, aber sie kommen zur falschen Zeit“, betont Heynen. Im Gegensatz dazu holen die Berliner Mittelbloc­ker Graham Vigrass und Aleksandar Okolic alles aus sich heraus. Keine Gegenmitte­l haben die Häfler gegen die Hinterfeld­angriffe von Adam White. „Die sind auch schwer zu blocken“, meint Sossenheim­er. Berlin gelingt aber auch dies gegen Friedrichs­hafen öfters als dem VfB lieb ist. Und Zuspieler Pierre Pujol ist zwar nicht so gut wie sein Landsmann Benjamin Toniutti (Zaksa Kedzierzyn), aber er hält seine Mitspieler gut im Spiel.

Ist am Mittwoch alles vorbei? „Noch ist alles offen, denn es war bisher wirklich eng. Nur Kleinigkei­ten und etwas mehr Esprit haben in den ersten beiden Spielen den Ausschlag zu unseren Gunsten gegeben.“Damit lobt Stelian Moculescu die erfolgreic­he Spielweise seiner Mannschaft. Dem 67-Jährigen ist es gelungen aus enttäuscht­en Spielern in der Finalserie richtige Spielverde­rber zu machen. Und wenn sie den Glauben an sich nicht verlieren, dann wird es für den VfB im dritten Spiel sehr eng. Berlin punktete in den Playoffs bisher mit starkem Block, guten Aufschläge­n und ganz besonders viel Leidenscha­ft.

Vital Heynen blockt ab. „Nein, wir haben erst das dritte Spiel der Finalserie und wir kommen zurück“, betont er. Das erste Spiel gegen Berlin in der ZF-Arena (1:3) sei schlecht gewesen. In der zweiten Partie habe nur das Ergebnis nicht gestimmt (2:3). Und am Mittwoch kommt die Wende? „Ich habe nach dem Training am Dienstag in die Augen meiner Spieler geschaut und viel Feuer gesehen und den Willen, die Serie zu drehen“, sagt der Belgier.

Ob das Taktikfuch­s Stelian Moculescu zulässt? Die Finalserie ist bislang auch der Kampf zweier Spielsyste­me und zweier Trainer, die sich um das Wohnzimmer streiten. Stelian Moculescu, der draufhauen lässt als gebe es kein Morgen und Vital Heynen, der seinen Spielern beigebrach­t hat, den Gegner die Fehler machen zu lassen. Bislang siegte die Brachialge­walt.

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FOTOS (2): GÜNTER KRAM Weiß, wie man in der ZF-Arena deutscher Meister wird: Stelian Moculescu.
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Will auch mal Meister werden in der ZF-Arena: VfB-Trainer Vital Heynen (li. Libero Markus Steuerwald).

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