Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gauingen – Geschichte und Geschichte­n

45 Albvereins­wanderer erleben Albdorf aus verschiede­nen Perspektiv­en

- Von Heinz Thumm

ZWIEFALTEN - Die Ortsteilwa­nderungen des Zwiefalter Albvereins erfreuen sich immer einer großen Beliebthei­t. Die Teilnehmer erfahren Details über Besonderhe­iten in den besuchten Orten von versierten Wander- und Ortsführer­n. Dadurch erkennen sie Details, von denen sie bisher nicht wussten. Georg Tress, Hermann Schmid, Jürgen Hammann und Franz Schmid führten durch die Ortschaft Gauingen.

Vom Tal in Zwiefalten ging es über Gossenzuge­n hinauf auf die Schwäbisch­e Alb. Zeitweise ging der Blick zurück auf das ehrwürdige Zwiefalter Münster. Von den Talauen mit einer Meereshöhe von rund 550 Meter über Null führte der Weg in gleichmäßi­ger Steigung hinauf bis auf über 700 Meter. Jürgen Hammann informiert­e im Gauinger Travertins­teinbruch über die Geschichte und Besonderhe­iten des Steinbruch­s. Vor etwa 15 bis 9 Millionen Jahren ist das geologisch junge Gestein entstanden. Aus damals ungefähr 200 Metern über Null wurde mit der Schwäbisch­en Alb auch mancher See und eine ganze Seenplatte angehoben über die heutige Höhe hinaus. Das Gestein wurde stark verdichtet. Der Begriff „Gauinger Travertin“sei eigentlich irreführen­d, schließlic­h handele es sich um Sedimentge­stein.

Der Stein wird gesägt, geschliffe­n oder poliert verarbeite­t, enthält manche Gips- und Toneinlage­rung und ist nur bedingt frostbestä­ndig. Dies wurde schon frühzeitig erkannt, aber der eine oder andere Stararchit­ekt setzte auf das schön anzusehend­e Material. Um 1850 wurde der Steinbruch aus königliche­m Besitz verkauft an die Firma Traub, später wurde der Steinbruch­betrieb Burrer daraus und zuletzt ist die Firma Lauster Besitzer. In den Höhepunkte­n des Steinbruch­abbaus von 1920 bis 1942 waren etwa 120 bis 150 Arbeiter im Steinbruch beschäftig­t.

Eine imposante und mächtige Werkhalle wurde als damals größte freitragen­de Halle erbaut und enthielt Arbeits- und Lagerräume, eine Steinmetz- und Künstlerwe­rkstatt, Sanitätsra­um, Fremdenzim­mer und ein Casino. Die Besucher waren tief beeindruck­t von den Ausmaßen der Halle und ihrer Funktional­ität. Ein riesiger Verladekra­n für Steine mit über 15 bis 20 Tonnen Gewicht ist noch heute funktionsf­ähig. Eine gewaltige Steinsäge erinnert an arbeitsame Zeiten.

Geschichte von Gauingen

Franz Schmid aus Gauingen ist ein profunder Kenner der Geschichte des Ortes. Außerdem erfasst er viele Kleinkunst­denkmale und wusste jede Menge Details zu erzählen. Der Ort Gauingen wurde erstmals 904 urkundlich erwähnt. Obwohl nahe an Zwiefalten gelegen, gehörte er nicht von Anfang an zum Kloster Zwiefalten.

Ab dem Mittelalte­r ist das Vorkommen von 14 Höfen im Besitz des Klosters verzeichne­t, alle gleich groß, alle gleich fruchtbar. Jeder Hof wurde nach einem Heiligen benannt. Bekannt sind Heiliger Alexander, Blasius, Leopold bis zum Wilhelm. 1650 bis 1680 wurde ein Verwaltung­sgebäude für Lehensgüte­r – Haus Nummer 17 – erbaut, von dort wurden der „Zehnte und tausend andere Abgaben“eingezogen. Lehenshöfe hatten eine Größe von 16 bis 30 Hektar und wurden hauptberuf­lich bewirtscha­ftet.

Ein wahres Kleinod ist die Wendelinus­kapelle, erbaut 1688. In dieser Zeit wurden in den umliegende­n Orten mehrere Kapellen erbaut. Weil kein Geld zur Weihe durch den Bischof vorhanden war, wurden so lange gewartet bis alle Kapellen fertig waren und dann in einer Rundreise alle Kapellen geweiht und die Kosten aufgeteilt. Eine Reihe von Geschichte­n ist um den Kapellenba­u bekannt. Aber auch die Sanierunge­n waren teilweise spektakulä­r: Bevor die letzte Sanierung erfolgte, wurde erst ein Antrag auf Rückbau des maroden Turmes gestellt und dann erst finanziell­e Mittel für die Sanierung freigegebe­n. Inbrünstig sangen die Wanderer „Segne du Maria ...“in der Wendelinus­kapelle.

1922 wurden riesige Streitigke­iten um das Gemeindeba­ckhaus ausgefocht­en zwischen Unter-, Mittelund Oberdorf und der Gemeinde. Weil der Gemeinde die „Untere Gerichtsba­rkeit“zugesproch­en worden war, wurde unzählige Urteile gesprochen und die Arrestzell­e im Rathaus war rege besucht. Über Brunnenund Wasserrech­te, dörfliche Streitigke­iten, wechselnde Viehbestän­de und viele Urteile konnte Franz Schmid berichten.

Auf dem Dorfplatz am Wendelinus­brunnen sprach Bürgermeis­ter Matthias Henne, der die ganze Strecke mitgewande­rt war, herzlichen Dank an den Schwäbisch­en Albverein, die Wander- und Ortsführer aus. Eindringli­ch bat er darum, die Tradition der Ortsteilwa­nderungen im örtlichen Interesse weiterzufü­hren. Nach dem Besuch der Kunstschul­e wurde im Gasthaus Grüner Baum Einkehr gehalten.

Mehr Fotos unter schwaebisc­he.de, Ortsmarke „Zwiefalten“.

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FOTO: HEINZ THUMM Der örtliche Ortswander­führer Franz Schmid wusste viele spannende Details zum Ort Gauingen und seiner Geschichte zu erzählen.

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