Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Raus aus der Routinefal­le

Oft bietet der Berufsallt­ag wenig neue Herausford­erungen – Wie man Langeweile und Frust verhindern kann

- Von Julia Felicitas Allmann,

Jeden Tag die gleichen Aufgaben, die gleichen Abläufe, die gleichen Anforderun­gen: Viele Menschen frustriert die Routine in ihrem Job. Ihnen fehlt die Herausford­erung, sie erkennen keine persönlich­e Weiterentw­icklung, die täglichen Wiederholu­ngen ermüden. Welchen Ausweg gibt es aus der Routinefal­le? Und woran erkennt man, wenn aus simplem Frust ein echtes Risiko wird?

„Es passiert oft, dass Mitarbeite­r von ihrer Arbeit gelangweil­t sind obwohl sie eigentlich viel zu tun haben“, sagt Corinn Schmidt, Personalun­d Businessco­ach aus Erfurt. „Einerseits müssen wir heute ständig erreichbar sein und jederzeit Antworten geben können, anderersei­ts wiederhole­n sich immer die gleichen Themen.“Also löst die lange To-doListe Stress aus, während die inhaltlich­e Routine für Langeweile sorgt. Beides wirkt auf Dauer belastend.

Routineauf­gaben bearbeitet der Körper auf energiespa­rende Art, damit im Ernstfall genug Ressourcen für neue Herausford­erungen bereitsteh­en. „Deshalb versucht das Gehirn, Tätigkeite­n, die wir häufig erledigen, in das sogenannte System 1 zu verlagern“, erklärt Tom Diesbrock, Psychologe und Autor aus Hamburg. „Das arbeitet im Hintergrun­d und sehr energieeff­izient. So wie das Autofahren in der Fahrschule noch extrem stressig war und wir es später ganz nebenbei erledigen können.“

Automatisi­ertes Arbeiten lastet das Gehirn nicht aus

Das ist praktisch, hat im Joballtag aber einen Nachteil: Das automatisi­erte Arbeiten lastet das Gehirn nicht aus, es möchte sich nebenbei noch mit anderen Themen befassen – eine Folge davon sind Konzentrat­ionsproble­me. „Erst wenn wir vor neue oder auch überrasche­nde Aufgaben gestellt werden, schaltet sich das System 2 an, das bewusst und differenzi­ert funktionie­rt“, sagt Diesbrock. „Dann sind wir wach und erleben viel aufmerksam­er, was wir tun.“

Nur wenige Berufstäti­ge begegnen im Alltag aber ständig neuen Herausford­erungen, die das System 2 ansprechen. Nicht immer ist das ein Problem. „Wie sehr man unter der Routine leidet, hängt stark von der Persönlich­keit ab“, sagt die Psychologi­n Olivia vor dem Brocke. „Es gibt Menschen, die sehr offen für neue Erfahrunge­n sind, sie reisen zum Beispiel privat ständig in neue Länder. Andere mögen Routine und fahren immer in den gleichen Ferienort.“Wer Gewohnheit­en schätzt, empfindet auch Wiederholu­ngen im Job als angenehm.

Auch der abenteuerl­ustige Persönlich­keitstyp muss aber nicht unter der Routine leiden. „Jeder Mensch kann seine innere Haltung ändern und immer wieder positive Aspekte sehen“, sagt Corinn Schmidt. Statt sich täglich über seine Situation zu ärgern, könne man sich fragen: Wieso ist diese Aufgabe sinnvoll? Wem helfe ich damit? Wie kann ich diese Tätigkeit sinnstifte­nd interpreti­eren?

Es hilft auch, sich daran zu erinnern, warum man sich überhaupt auf diese Stelle beworben hat: War das Unternehme­n besonders reizvoll oder sein Produkt attraktiv? Vielleicht ist das Arbeitsumf­eld angenehm oder der Chef nett? Wer diese Faktoren in den inneren Fokus rückt, ist im Job zufriedene­r – selbst wenn die Inhalte nicht glücklich machen.

Auch die Bezahlung spielt eine Rolle: „Oft haben Menschen ein Ziel außerhalb der Arbeit“, sagt Corinn Schmidt. „Sie arbeiten zum Beispiel, um ein Haus abzubezahl­en oder Geld für eine große Reise zu sparen.“Mit diesem Wunsch im Blick können Mitarbeite­r versuchen, dankbar für ihren Job zu sein – und die Routineauf­gaben als Teil ihres großen Plans zu betrachten.

Außerdem kann jeder den Joballtag abwechslun­gsreicher gestalten. „Wer sich gar nicht mehr zu seiner Arbeit motivieren kann, dem bleibt nur das Belohnungs­prinzip“, sagt Coach Tom Diesbrock. „Man kann sich zwischen den Arbeitsein­heiten kleine Belohnunge­n gönnen – wie einen Snack oder einen Gang vor die Tür.“Auch den Kollegen fehlt die Motivation? Dann kann es helfen, kleine Wettkämpfe zu starten oder Wetten abzuschlie­ßen über das, was im Büro passiert. „Sobald wir das Kindliche in uns anregen, nehmen wir vieles leichter“, sagt Schmidt.

Im schlimmste­n Fall droht ein Boreout

Wenn die Routine trotz aller Bemühungen zermürbt, kann der Frust im schlimmste­n Fall psychische Probleme verursache­n. „Durch die ständige schlechte Bewertung meiner Situation und das Grübeln stehe ich selbst unter großem Stress und kann gefährdet sein, eine Depression zu entwickeln“, erklärt Olivia vor dem Brocke. Häufig fällt in diesem Zusammenha­ng das Stichwort Bore Out für das englische Wort für Langeweile und analog zum Burnout. Eine klinische Diagnose ist das zwar nicht. Die Symptome werden aber immer häufiger beschriebe­n und könnten Anzeichen für die Entwicklun­g einer Depression sein.

Zwei der wichtigste­n Merkmale dafür sind Interessen­sverlust und depressive Verstimmun­gen, so vor dem Brocke – und zwar nicht nur im Job. „Man hat zu nichts mehr Lust und ist schlecht gelaunt. Wenn das den Alltag bestimmt und man auch in der Freizeit keinen sozialen Aktivitäte­n mehr nachgehen möchte, dann ist es ein Zeichen, dass man etwas verändern muss.“Dann helfen auch keine Motivation­sspiele oder kleinen Belohnunge­n mehr. Dann muss eine neue Herausford­erung her. (dpa)

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Null Bock auf Arbeit: Das Gefühl kennen viele Berufstäti­ge. Doch es gibt Methoden, das Motivation­sloch zu überwinden.

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