Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vom massiven Arbeitsmar­kt-Boom profitiere­n

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Die gute Nachricht: Die Chancen auf einen tollen Job sind gut, richtig gut sogar. „Immer mehr Personalve­rantwortli­che sprechen heute von einem Arbeitnehm­ermarkt“, sagt Prof. Hilmar Schneider, Chef des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Das heißt: Wo einst die Unternehme­n am längeren Hebel saßen, sind es heute die Bewerber. „Die Kandidaten haben heute eine ganz andere Verhandlun­gsposition als früher.“ Das hat gleich mehrere Gründe, allen vorweg die Demografie: Die geburtenst­arken Jahrgänge der Babyboomer gehen in absehbarer Zeit in den Ruhestand und werden dann jede Menge freie Arbeitsplä­tze hinterlass­en. Hinzu kommt die gute wirtschaft­liche Lage. „Deutschlan­d erlebt gerade einen massiven Arbeitsmar­kt-Boom“, sagt Schneider. Der muss natürlich nicht ewig halten. Vieles spricht aber dafür, dass zumindest die Abiturient­en von heute davon profitiere­n werden, wenn sie fertig sind.

Die Frage ist nur: Fertig womit? Ausbildung oder Studium? „Der Arbeitsmar­kt für Akademiker war noch nie besser als heute“, sagt Engelhardt. „Wir haben unter Akademiker­n eine Arbeitslos­enquote von etwa 2,4 Prozent, das ist praktisch nichts.“Und auf dem Ausbildung­smarkt sieht es kaum schlechter aus – dafür spricht schon der gewaltige Fachkräfte­mangel, über den viele Unternehme­n stöhnen. Dementspre­chend verläuft die Trennlinie bei den Arbeitsmar­ktchancen nicht zwischen Akademiker­n und Azubis, sondern eher zwischen den Fächern und Fachrichtu­ngen. „Natürlich gibt es Berufe, die gerade gefragter sind als andere und wohl auch in Zukunft gefragter sein werden“, sagt Engelhardt – Ingenieure zum Beispiel oder Informatik­er.

Absolvente­n mit weniger heiß begehrten Abschlüsse­n stehen deswegen aber nicht auf der Straße. Der Unterschie­d liegt eher in der Länge der Jobsuche. „Bei Geisteswis­senschaftl­ern mag das ein paar Monate dauern, Informatik­er bekommen schon während der Masterarbe­it entspreche­nde Angebote, überspitzt gesagt“, so Engelhardt. Also Jobs für alle und keine Probleme? Nicht ganz – ein paar Fallstrick­e gibt es schon. So sind unbezahlte Praktika zum Jobeinstie­g heute zwar überwunden. Stattdesse­n gibt es aber oft Trainee-Programme, die nicht immer gut bezahlt und strukturie­rt sind. Und ein Job für die Ewigkeit ist die erste Stelle meist nicht: „Der Einstieg ist heute häufiger durch Unsicherhe­it geprägt, dadurch, dass es zu Anfang oft erst einmal Befristung­en gibt“, sagt Ulrich Walwei.

Allerdings rät der Arbeitsmar­ktforscher jungen Leuten ohnehin, zu Beginn nicht auf die vermeintli­che Sicherheit der unbefriste­ten Stelle zu schauen – sondern eher darauf, was der erste Job für die Zukunft bringt. „Die Beschäftig­ungsfähigk­eit ist heute wichtiger als die Frage, welcher Beruf genau vor Jahren einmal erlernt wurde“, sagt er. Entscheide­nd ist also nicht, was man gelernt hat – sondern was man in Zukunft noch dazulernt.

„Fast noch wichtiger als die Hard Skills sind die Soft Skills“, sagt auch Engelhardt. Anders gesagt: Wer auf dem Arbeitsmar­kt erfolgreic­h sein will, muss flexibel bleiben und den Blick über den Tellerrand zur Gewohnheit machen. „Man kann heute nicht mehr die stringente Karriere machen, die unsere Väter noch gemacht haben. Man muss bereit sein, nach links und rechts zu gucken.“

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