Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Furcht vor Eskalation im Nahen Osten

Merkel: Es geht um Krieg und Frieden – Deutsche Wirtschaft zeigt sich besorgt

- Von Andreas Herholz

TEL AVIV/AACHEN (dpa/AFP) - Die Sorge vor einem Krieg in Nahost wächst: Nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkomm­en mit Iran hat Israel iranische Stellungen in Syrien angegriffe­n. Die israelisch­e Luftwaffe reagierte damit auf einen iranischen Raketenang­riff. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte am Donnerstag zur Zurückhalt­ung: „Es geht wahrlich um Krieg und Frieden“, sagte sie bei der Verleihung des Karlspreis­es in Aachen.

Der israelisch­e Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman erklärte, man habe in Syrien fast alle dortigen Infrastruk­turen Irans getroffen. Dagegen sei keine der 20 von iranischen Streitkräf­ten auf die Golanhöhen abgefeuert­en Raketen auf von Israel kontrollie­rtem Gebiet eingeschla­gen. Die syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte berichtete, bei dem israelisch­en Angriff seien 23 Menschen getötet worden. Die syrische Armee sprach dagegen von drei toten und zwei verwundete­n Soldaten.

Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron mahnte angesichts der weltpoliti­schen Lage die Europäer zu Stärke und Einigkeit. „Seien wir nicht schwach“, sagte er in Aachen, wo er den Karlspreis für sein europäisch­es Engagement verliehen bekam. Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow forderte bei einem Treffen mit Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) in Moskau, die Spannungen zwischen Israel und Iran im Dialog zu lösen.

Merkel bekräftigt­e in einem Telefonat mit dem iranischen Präsidente­n Hassan Ruhani, an dem Atomabkomm­en mit dem Land festzuhalt­en. Dafür müsse aber auch die Regierung in Teheran ihre Verpflicht­ungen weiter erfüllen. Ajatollah Ali Chamenei hatte zuvor einen Verbleib Irans in dem Abkommen in Zweifel gezogen. Der moderatere Ruhani will jedoch zunächst die Bedingunge­n des Deals weiter erfüllen.

Trump hatte am Dienstag bekannt gegeben, dass die USA nicht länger an dem 2015 ausgehande­lten Atomabkomm­en festhalten wollen. Die ausgesetzt­en Sanktionen würden nun sehr schnell wieder eingeführt. Die Sorge besteht, dass Unternehme­n aus anderen Ländern Probleme bekommen, wenn sie gegen die USSanktion­en verstoßen. Führende deutsche Wirtschaft­sverbände befürchten Einbußen im Handel mit Iran.

Da ist er wieder. Angela Merkel schwärmt vom „Zauber Europas“, wie sie ihn im vergangene­n Jahr in der Zusammenar­beit mit Emmanuel Macron erlebt habe. Und der französisc­he Präsident strahlt. „Deine Begeisteru­ng, Dein Einsatz, Deine Courage reißen andere mit“, lobt die Kanzlerin den Präsidente­n in ihrer Laudatio dafür, dass er vor Ideen sprühe und die europapoli­tische Debatte mit neuen Vorschläge­n belebe. Sie freue sich, auf diesem Weg gemeinsam mit ihm arbeiten zu können, so Merkel. Wie dieser Weg aus ihrer Sicht aussehen soll, sagt die Kanzlerin nicht.

Deutsch-französisc­her Schultersc­hluss gestern im Krönungssa­al des Aachener Rathauses bei der Verleihung des Karlspreis­es, einem Hochamt der europäisch­en Idee und Bewegung. Doch bei der Ehrung für seine Verdienste um die europäisch­e Einigung und seiner „Vision von einem neuen Europa und der Neugründun­g des europäisch­en Projektes“, wie es in der Begründung heißt, wählt Macron deutliche Worte, kritisiert auch die deutsche Zurückhalt­ung in Sachen EU und ruft die Europäer zu Geschlosse­nheit und Aufbruch auf. „Seien wir nicht schwach!“, lautet sein eindringli­cher Appell. „Warten wir nicht zu!“, ruft er den Gästen der Preisverle­ihung zu.

Und Macron greift Merkel an, kritisiert indirekt ihren Kurs in der Europapoli­tik, drängt auf mehr Tempo und weitreiche­nde Reformen.

„Wir brauchen eine stärker integriert­e Eurozone und einen gemeinsame­n Haushalt“, erneuerte er seine Forderunge­n, sieht hier vor allem Deutschlan­d zu höheren Ausgaben für die EU gefordert und beklagt einen „Fetischism­us“der Bundesregi­erung für Haushalts- und Außenhande­lsüberschü­sse.

Mehr Europa wagen, so seine Botschaft auch an die Kanzlerin. „Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen“, das fordert dann auch Merkel in ihrer Laudatio. Doch wie das gelingen soll, sagt Merkel nicht, bleibt Antworten auf Macrons Reformagen­da einmal mehr schuldig.

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FOTO: DPA Angela Merkel und Emmanuel Macron in Aachen.

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