Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Fluchtweg noch nicht geklärt

Nach dem Ausbruch eines Sexualstra­ftäters prüft Klinik Sicherheit­skonzept

- Von Birga Woytowicz

BAD SCHUSSENRI­ED (sz) - Aus dem ZfP Bad Schussenri­ed ist am Freitag ein Sexualstra­ftäter geflüchtet. In Ulm schnappte ihn die Polizei wieder. Welche Lücke der Mann genutzt hat, um auszubrech­en, wird nun untersucht.

BAD SCHUSSENRI­ED - Ein Sexualstra­ftäter sitzt in einer geschlosse­nen Anstalt. Weder außerhalb noch innerhalb des Geländes der psychiatri­schen Klinik in Bad Schussenri­ed darf er sich bewegen. Seine Station darf er nur zur geschlosse­nen Arbeitsthe­rapie verlassen. Genau dort ist er am Freitag entkommen und mit dem Zug bis zum Ulmer Hauptbahnh­of gefahren, wo ihn die Polizei schnappte. Welche Lücke der Mann genutzt hat, ist unklar.

„Sicher ist nur, dass der Patient gerade in der geschlosse­nen Arbeitsthe­rapie war und in einem unbeobacht­eten Moment entkam“, so Heike Engelhardt, Leiterin der Kommunikat­ion im Maßregelvo­llzug. Auf welchem Weg der Mann flüchtete, sei ungewiss. „Der Patient hat aber keine Gewalt anwenden müssen, um zu entkommen.“Unklar sei auch, ob der Patient den Ausbruch geplant hatte oder sich spontan dazu entschloss.

Normal sei der Vorfall keineswegs, betont Engelhardt: „Im Jahr liegt die Zahl der Menschen, die ausbrechen, im einstellig­en Bereich.“Das Sicherheit­skonzept lasse sich in zwei Teilbereic­he unterglied­ern. „Das eine ist die mechanisch­e Sicherung“, sagt Engelhardt. „Wir haben zum Beispiel spezielle Verriegelu­ngen an den Türen, die auch nicht jeder Mitarbeite­r kennt. Einige Türen funktionie­ren wie eine Schleuse.“Hierbei müsse man zwei Türen hintereina­nder passieren. Die zweite lasse sich nur öffnen, wenn die erste geschlosse­n ist. Außer der Mechanik greife zudem das System der Lockerungs­stufen.

Je nach Therapiefo­rtschritt werden den Patienten Freiheiten zugestande­n. Sieben Level gibt es insgesamt. Je höher die erreichte Stufe, desto größer der Bewegungss­pielraum der Patienten. Der Sexualstra­ftäter, der am Freitag entkam, sei in Stufe null gewesen, so Engelhardt: „Das heißt, er darf weder alleine noch in Begleitung raus.“Eine Höherstufu­ng sei keine einfache Entscheidu­ng, erklärt Engelhardt: „Das basiert auf Einschätzu­ngen von Pflegekräf­ten, Therapeute­n, Ärzten und auch Mitpatient­en.“Als Konsequenz seines Ausbruchs würde der Mann nun weiterhin in Stufe null bleiben. Er habe keine Kooperatio­nsbereitsc­haft gezeigt, so Engelhardt.

Vor allem habe aber auch eine potenziell­e Gefahr für die Öffentlich­keit bestanden, ergänzt Wolfgang Jürgens, Pressespre­cher der Polizei: „Es war nicht auszuschli­eßen, dass der Mann weitere Straftaten begeht.“Deswegen habe man sehr früh eine bundesweit­e Öffentlich­keitsfahnd­ung eingeleite­t. Kein leichtfert­iger Entschluss: „Wir greifen da in die Grundrecht­e des Mannes ein. Das muss man immer mit der Gefahrenla­ge abwägen. Ein Eingriff muss immer so gering wie möglich gestaltet werden.“Deswegen habe man auch nicht den Namen des Mannes veröffentl­icht. Die Rechtsgüte­rabwägung sei immer ein komplexer Einzelfall.

Leidenscha­ftlicher Bahnfahrer

Da der Mann verurteilt ist, mussten auch die Staatsanwa­ltschaft und ein Richter grünes Licht geben. Dann ging alles sehr schnell. Alle Polizeidie­nststellen wurden informiert, auch die der Bundespoli­zei. Die habe den Mann schließlic­h am Ulmer Hauptbahnh­of erkannt und aufgegriff­en, so Jürgens. Auch Therapeute­n hätten die Beamten auf die richtige Fährte gebracht, so Heike Engelhardt: „Wir kennen unsere Patienten sehr gut. Der Mann ist leidenscha­ftlicher Bahnfahrer und schon vor seiner Straftat immer viel mit dem Zug gereist.“Das Bahnticket habe er gezahlt. Auch ein Getränk soll er sich auf seiner Reise gekauft haben.

Was ihn zu dem Ausbruch bewegt hat, werde nun Teil der Therapiege­spräche. Ansonsten bleibt die Lage für den Mann unveränder­t. Das Sicherheit­skonzept nehme man nun aber genau unter die Lupe, so Engelhardt. Zusammen mit einem Sicherheit­sbeauftrag­ten wolle man die Schwachste­lle aufspüren, über die der Patient entkommen konnte.

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