Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Einblick in die Handelswel­t des Mittelalte­rs

Ravensburg­er Museum zeigt „Die Humpis in Avignon“– Auf den Spuren der Ravensburg­er Kaufleute in der Provence

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RAVENSBURG (bua) - „Die Humpis in Avignon“heißt die neue Ausstellun­g im Ravensburg­er Museum Humpisquar­tier, die bis 23. September zu sehen ist. Sie beleuchtet das Wirken der Großen Ravensburg­er Handelsges­ellschaft unter Führung der Kaufmannsf­amilie Humpis in der mittelalte­rlichen Provence-Stadt. Im Zentrum steht dabei der Handel mit Zucker, bei dem die Ravensburg­er teilweise eine monopolart­ige Stellung hatten.

In einer Zeit, in der die Welt für die meisten Menschen am Horizont endete, machte die Große Ravensburg­er Handelsges­ellschaft Geschäfte in ganz Europa. Sie unterhielt zahlreiche eigene Niederlass­ungen zwischen Antwerpen, Valencia und Venedig. Auch in Avignon, Anfang des 15. Jahrhunder­ts eine der größten Städte Westeuropa­s, waren die Ravensburg­er Kaufleute vertreten. Die Stadt in der Provence war damals einer der wichtigste­n Handelsums­chlagplätz­e im Mittelmeer­raum.

15 000 Besucher erwartet

„Zucker erobert Europa“lautet der Untertitel der Ausstellun­g, die Julia Luibrand kuratiert hat. Die Historiker­in hat dafür ein Jahr lang vor Ort recherchie­rt, Quellen ausgewerte­t und die Schau konzipiert. Für Andreas Schmauder, Direktor des Museums Humpisquar­tier, war ihr Engagement ein „formidable­r Glücksfall“. 15 000 Besucher erwartet Schmauder in den kommenden fünf Monaten, es gibt 150 Führungen und ein umfänglich­es Rahmenprog­ramm.

Die Ausstellun­g zeigt anhand interessan­ter Leihgaben anschaulic­h die Handelswel­t der Kaufmannsf­amilie Humpis. Dabei geht es nicht nur um Wirtschaft­sgeschicht­e, sondern auch um den mittelalte­rlichen Wissensund Kulturtran­sfer, den der europaweit­e Handel mit sich brachte.

Durch die Verlegung des Papstsitze­s 1309 von Rom nach Avignon gewann die südfranzös­ische Stadt erheblich an Bedeutung. In den Augen der Menschen damals sei sie „eine Weltstadt“gewesen, wie Julia Luibrand bei der Eröffnung der Ausstellun­g ausführte. Die Nähe zu bedeutende­n Häfen und die letzte Rhonebrück­e vor dem Mittelmeer machten Avignon zu einem Magneten für Kaufleute.

Die Humpis verschickt­en über Avignon Felle und Leder aus Oberdeutsc­hland, verkauften Reis, Wachs und Safran, tauschten Hanf und handelten mit Zucker. Die süße Verführung war damals ein Luxusgut, das in der Medizin Verwendung fand und den Reichen vorbehalte­n war. Die Ravensburg­er Händler stellten den Zucker in einer eigenen Fabrik in Valencia her. Pro Jahr führten sie bis zu 143 Tonnen Zucker ein. Doch irgendwann brach der Zuckerhand­el ein.

Grund war zunächst die Konkurrenz aus Madeira, dann von den Plantagen im neu entdeckten Amerika. Gegen 1515 endeten die nachweisba­ren Aktivitäte­n der Großen Ravensburg­er Handelsges­ellschaft im Rhonetal, 15 Jahre später erlosch sie komplett. Die Humpis strebten in den Adelsstand. So zeigt die Ausstellun­g auch die Umbrüche im Übergang von Spätmittel­alter zu früher Neuzeit.

Zahlreiche Führungen und ein Begleitpro­gramm, auch für Kinder, sind Teil der Ausstellun­g „Die Humpis in Avignon“. Anmeldung und Fragen zu den Führungen unter Telefon 0751/82820 oder direkt am Empfang des Museums. Weitere Informatio­nen gibt es unter www.museum-humpis-quartier.de

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