Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wärter schmuggelt Drogen ins Gefängnis
Staatsanwaltschaft Ravensburg ermittelt gegen 29-jährigen früheren JVA-Bediensteten
RAVENSBURG - Ein 29-jähriger Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Hinzistobel steht im Verdacht, monatelang Drogen, Handys und Schnaps ins Gefängnis geschmuggelt zu haben. Er soll dafür von Angehörigen der Häftlinge Geld bekommen haben. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg bestätigte am Mittwoch entsprechende Informationen der „Schwäbischen Zeitung“. Sie ermittelt gegen den Mann, der bei der polizeilichen Vernehmung zumindest einige Taten eingeräumt hat und zwischenzeitlich auf eigenen Wunsch hin entlassen wurde.
Laut Christine Weiss, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Ravensburg, arbeitete der Tatverdächtige erst seit Juli 2017 als Schließer in der Justizvollzugsanstalt. Er war noch in der Ausbildung und Beamter auf Widerruf.
Von Oktober vergangenen Jahres an soll er manchen Inhaftierten Gefallen getan haben: Sie ließen sich von ihm Pakete ins Gefängnis zustellen. Darin befanden sich unter anderem Handys, die im Gefängnis verboten sind, damit Häftlinge keine Verbrechen aus der Zelle heraus organisieren können, außerdem Haschisch, Marihuana und „Spice“. Darunter versteht man Kräutermischungen, die illegale berauschende Substanzen enthalten. Das Gerücht, es habe sich auch Kokain in Überraschungseiern in den Paketen befunden, konnte Staatsanwältin Weiss nicht bestätigen.
Übergeben wurden die Päckchen dem angehenden Justizbeamten von Angehörigen der Inhaftierten außerhalb der Gefängnismauern. Von mindestens zweien soll er dafür je 200 Euro bekommen haben, so Erste Staatsanwältin Weiss. Fünf Zustellungen im Zeitraum bis März 2018 soll der 29-Jährige bei der Polizei zugegeben haben, acht werden ihm von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, die wahrscheinlich Anklage erheben wird.
Zu seinem Motiv wollte der Tatverdächtige bei seiner Vernehmung nichts sagen. Angeblich soll er gedacht haben, dass sich in den Paketen Musik-CDs befinden. Aufgeflogen ist der Schmuggel laut Staatsanwältin Weiss, weil sich Anfang April ein Gefangener der Anstaltsleitung offenbart habe.
Thomas Mönig, Leiter der JVA Hinzistobel, äußerte sich am Mittwoch schriftlich zu den Vorwürfen gegen seinen früheren Bediensteten. „Mit den Vorwürfen konfrontiert, hat er seine Entlassung beantragt, die unverzüglich erfolgt ist; bis zu der Entlassung war er vom Dienst freigestellt.“Nähere Hinweise zum Aufkommen des Verdachts müssten „aus Sicherheitsgründen“unterbleiben, so Mönig.
Immer wieder hört man, dass in Gefängnissen Drogen kursieren, obwohl das ja eigentlich absurd erscheint. Teilweise versuchen Verwandte, sie bei Besuchsterminen hineinzuschleusen. Der letzte Fall eines Rauschgift schmuggelnden Justizbeamten in Hinzistobel wurde im Jahr 2005 bekannt. Der Beamte gestand damals, dass er einen Häftling mit Handys, Haschisch und Ecstasy beliefert hatte. Ebenfalls gegen Geld. Laut Steffen Tanneberger, dem stellvertretenden Pressesprecher des baden-württembergischen Justizministeriums, sind Fälle von kriminellen beziehungsweise korrupten Justizbeamten im Land aber eher selten. „Entsprechende Vorkommnisse waren in den vergangenen Jahren absolute Ausnahmefälle“, meinte er auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
In Hinzistobel ist die Kfz-Werkstatt ein potenziell gefährdeter Bereich, weil dort jeder x-beliebige Kunde sein Auto zur Reparatur abgeben kann. JVA-Leiter Mönig antwortet auf die Frage, ob die Werkstatt ein Einfallstor für Schmuggelware ist, allerdings ausweichend: „Der gesamte Anstaltsbetrieb ist mit dem Verkehr von Fahrzeugen, Waren und Personen verbunden. Dem hierin liegenden Risiko für das Einschmuggeln unzulässiger Gegenstände wird durch eine Vielzahl baulich-technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen begegnet.“
Ob und wann es zum Prozess gegen den ehemaligen JVA-Mitarbeiter kommt, steht noch nicht fest.