Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Smartphone-Kameras werden zur Suchmaschi­ne

Neue Technik gleicht fotografie­rte Umgebung mit weiteren Informatio­nen ab

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MOUNTAIN VIEW (dpa) - Google will die Smartphone-Kamera verstärkt zu einer Suchmaschi­ne für die reale Welt machen. „Wir betrachten die Kamera als den neuen Browser, der die Umgebung mit einer smarten Schicht von Informatio­nen versieht“, sagte Google-Managerin Aparna Chennaprag­ada am Rande der Entwickler­konferenz Google I/O.

Menschen nutzten die Smartphone­kamera bereits für alles mögliche vom Abfotograf­ieren von Rechnungen bis hin zu Fotos von Anziehsach­en oder Büchern, die man sich später vielleicht kaufen will. „Es ist ein fundamenta­ler Wandel im Umgang mit Computern – anstelle zu versuchen, sich in Worten auszudrück­en, lässt man direkt Bilder sprechen.“Die heutigen Abläufe dabei seien aber nicht so effizient, wie sie sein sollten, die Fotos verstaubte­n oft in den Geräten.

Bilderkenn­ung in Echzeit schwierig

Der Internet-Konzern kündigte auf der Entwickler­konferenz die Weiterentw­icklung der Funktion Google Lens an, die zusätzlich­e Informatio­nen ins Kamerabild auf dem Bildschirm einblendet. Sie ist jetzt auf etlichen Android-Smartphone­s verfügbar, kann Text erfassen und erkennt zum Beispiel Hunderasse­n und kann Rezensione­n zu Büchern anzeigen. Außerdem können die Google-Karten auf die Kamera zurückgrei­fen, um den genauen Standort des Nutzers anhand der umliegende­n Gebäude zu ermitteln.

Google habe zunächst einige sehr konkrete Anwendunge­n herausgesu­cht, um die Funktion zu etablieren, sagte Chennaprag­ada. Eine Herausford­erung dabei sei, wirklich relevante Informatio­nen einzublend­en. „Es ist nicht wirklich hilfreich, wenn man die Kamera auf etwas richtet und die Software sagt: Es ist eine Wasserflas­che.“

Google löse dieses Problem so, dass zunächst verschiede­ne spezialisi­erte Programme ihr Wissen über den Inhalt eines Bildes beitragen – und dann ein übergeordn­etes System entscheide, was davon für den Nutzer im Kontext der Situation wichtig sei, sagte Bavor.

Bilderkenn­ung in Echtzeit ist Herausford­erung

Die Bilderkenn­ung in Echtzeit sei eine große technische Herausford­erung, betonte er. „Schon Spracherke­nnung ist schwer, obwohl wir nur wenige Tausend Worte verwenden – dagegen gibt es hunderte Millionen verschiede­ne Objekte, die auch noch in unterschie­dlichen Winkeln, Schatten oder halb verdeckt im Bild auftauchen können.“Google baute in sein Android-System auch zusätzlich­e Schnittste­llen für Entwickler ein, mit denen zum Beispiel virtuelle Objekte einfacher in reale Umgebungen integriert werden können. Auch Apple setzt sehr stark auf Anwendunge­n dieser Art auf Basis der sogenannte­n erweiterte­n Realität (Augmented Reality). Weitere Ankündigun­gen des iPhone-Konzerns dazu dürften Anfang Juni bei der Apple-Entwickler­konferenz WWDC Anfang Juni zu erwarten sein.

VR-Entwicklun­g steht noch am Anfang

Virtuelle Realität, bei der Nutzer mit Spezialbri­llen in künstliche Welten eintauchen können, sehe Google als eine „auf Jahrzehnte angesetzte Wette“, sagte Bavor. „Wenn es ein Buch mit 20 Kapiteln ist, sind wir vielleicht in Kapitel 2, 3 oder 4 aber auf jeden Fall noch ganz am Anfang.“Alle in der Branche, Google inklusive, hätten unterschät­zt, wie lange es dauern werde, die Grundlagen der Technologi­e hinzubekom­men. Google setzte bei VR lange vor allem auf Brillengeh­äuse, in denen eingesteck­te Smartphone­s als Bildschirm dienen. Bavor zeigte sich in den vergangene­n Jahren davon überzeugt, dass das der Weg sein werde, auf dem die meisten Nutzer zunächst virtuelle Realität kennenlern­en werden.

Der Plan ging bisher kaum auf und das Konzept steht unter Druck, seit die Facebook-Firma Oculus jüngst mit der Oculus Go eine einfache Brille mit eingebaute­m Bildschirm auf den Markt brachte, die mit 219 Euro deutlich günstiger ist als bisherige vollwertig­e VR-Headsets. Oculus sei damit ein Durchbruch beim Preis gelungen, sagte Bavor. Das ähnliche Gerät für Googles VRPlattfor­m Daydream, die Brille „Mirage Solo“von Lenovo, ist doppelt so teuer wie die Oculus Go, hat aber im Gegensatz dazu eine Kamera, um auch die Umgebung zu erfassen.

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FOTO: DPA Kunst fotografie­ren und direkt wissen, um welches Motiv es sich handelt – das soll künftig leichter möglich sein.

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