Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Fiesta im Doppelpack
Ford präsentiert zwei neue Kleinwagen-Modelle im alten Gewand – ein aufgehübschter Active und ein heißer ST
Ford spendiert dem jüngsten Fiesta zwei neue Sprösslinge: Der eine feiert Premiere und fährt unter dem Namen „Active“in der Kategorie „Crossover“vor, also eine Mixtur aus Limousine und SUV (Sport Utility Vehicle). Die automobile Kundschaft steht zurzeit auf solche Zwitter, weshalb Ford noch in diesem Jahr zwei weitere „ActiveModelle für den KA+ und den Focus folgen lässt. Der andere FiestaSpross läuft unter dem Signet ST (Sports Technology). Dieses ausgesprochen sportliche Derivat gab es schon für die Vorgängermodelle, aber noch nie war es so heiß. Der 200 PS starke 1,5-Liter-Dreizylindermotor macht aus dem Kleinwagen einen veritablen Flitzer, dem man keinem Führerscheinneuling in die Finger geben sollte. In 6,5 Sekunden auf 100 Sachen und eine Höchstgeschwindigkeit von 232 Stundenkilometern sind Fahrleistungen, die mit einem VW Golf GTI mithalten.
Der Active-Fiesta gibt sich cool und folgt dem Trend zu höheren, breiteren und robusteren Autos. Die SUV-inspirierten Designelemente nutzt er vergleichsweise dezent, gerät nicht aus der Form und empfiehlt sich nach Angaben seines Programm-Managers Robert Stiller als Spezialist für widrige Straßenverhältnisse. Das Fahrwerk kann auf die Modi „Normal“und „Rutschig“eingestellt werden. Ob diese Zugabe im Alltagsbetrieb etwas bringt, war auf der Teststrecke im Hinterland von Nizza nicht auszumachen.
19 Millimeter mehr Bodenfreiheit, eine zehn Millimeter breitere Spur und eine Rundumbeplankung mit schwarzem Kunststoff sind die wesentlichen Merkmale, die den Active vom normalen Fiesta unterscheiden. Das Wachstum in der Höhe und in der Breite ist weder in der Sitzposition noch im Innenraum spürbar. Im Gegenteil: Während im Gepäckraum des normalen Fiesta zwei kleine Bordkoffer nebeneinander ohne Probleme Platz haben, fehlt es im Active an Tiefe, sodass sie nur mit Müh und Not hineingequetscht werden können.
Besondere SUV-Ausstattung
Motor, Interieur, Ausstattung und Assistenten entlehnt der Active weitgehend dem Basismodell, das seit Juli 2017 in der achten Generation ab 12 950 Euro zu haben ist. In dieser Sparversion ist der Fiesta mit einem 70 PS starken Ein-Liter-Motor ausgestattet. Für den Active beginnt die Motorenpalette bei 85 PS. In der Grundausstattung „Active“werden dafür dann mindestens 17 950 Euro fällig. Neben einem Fahrspurassistenten, einem Geschwindigkeitsbegrenzer und Sportsitzen gibt es dafür einige nützliche Zugaben. Doch die werden der SUV-affinen Kundschaft nicht reichen. Mit stärkerem Motor und ein paar Sonderwünschen kann der Active-Preis auf bis zu 25 000 Euro klettern, was für einen Kleinwagen eine Menge Zaster ist. Angeboten werden vier Benziner und zwei Diesel, wobei ein Automatikgetriebe nur für das 100-PS-Modell mit Ottomotor verfügbar ist.
Während die Active-Version des Fiesta mit eher kosmetischen, dem Lifestyle geschuldeten Eingriffen punktet, schindet die ST-Variante mächtig Eindruck, was Leistung, Technik und Fahreigenschaften betrifft. Seine Qualitäten sieht man dem Fiesta ST nicht auf den ersten Blick an. Das ST-Logo, der schwarze Kühlergrill mit weit geöffneten Waben, 17-Zoll-Räder im 5-Speichen-YDesign, der Heckspoiler und ein doppeltes Abgasendrohr unterscheiden ihn vom normalen Fiesta. Seine wahren Werte liegen unter der Haube. Der neu entwickelte 1,5-LiterTurbobenziner bringt mit seinen 200 PS ein maximales Drehmoment von 290 Newtonmeter auf den Asphalt.
Schnittige ST-Variante
Wer auf den Recaro-Sitzen Platz nimmt, den Startknopf drückt und an dem eher einem Stick als einem Schaltknauf ähnlichen Hebel auf der Mittelkonsole den ersten Gang einlegt, ahnt schon, was ihn erwartet. „Sit back and hold tight“(lehn dich zurück und halt dich fest) vermitteln Antritt, Sound und Ambiente. Die Schaltung ist knackig, die Lenkung direkt, und der halbe Sechszylindermotor brüllt los und geht beherzt zur Sache. Je nach eingestelltem Fahrmodus (Normal, Sport, Rennstrecke) verändern sich die Motorabstimmung, das Lenkverhalten, die Traktionskontrolle und der Sound des Motors.
Das 1262 Kilogramm leichte Auto lässt sich dynamisch bewegen. Scharfe Kurven nimmt der ST so leichtfüßig und elegant wie die Rennradler, die scharenweise durch die maritimen Alpen sausen. Weil wir zwar Benzin im Blut, aber auch ein Herz für Radler haben, verzichten wir auf eine Kurvenhatz und schalten nach den ersten Kehren den aggressiv klingenden Sport-Modus ab. Dem Kleinen trauen wir dennoch einiges auf der Rennstrecke zu. Dank Vorderachs-Sperrdifferenzial, einer speziellen Verbundlenker-Hinterachse und angepassten Stoßdämpfern dürften auch Fahrer ohne Rennlizenz mit dem Sportsfreund klar kommen.
Für die dreitürige Limousine des ST werden 22 100 Euro fällig, als Fünftürer kostet er 800 Euro mehr. Im Leder-Exclusiv-Paket ab 25 100 Euro ist fast alles drin, samt Bang & Olufsen Soundsystem mit zehn Lautsprechern und Acht-Zoll-Touchscreen. LED-Scheinwerfer, Park-Pilot-System und ein zweifach einstellbarer Gepäckraumboden werden extra berechnet. Der für den ST angegebene Normverbrauch von 6,0 Liter ist nicht zu halten. 8,5 Liter waren es bei eher zurückhaltender Fahrweise auf der Teststrecke. Mit 5,6 Liter waren wir laut Bordcomputer mit dem Crossover-Fiesta Active unterwegs. Er war mit einem 1,5 Liter Vierzylinder-Turbo-Diesel (120 PS) ausgestattet.
Der meistverkaufte Kleinwagen Europas, der seit mehr als 40 Jahren in Köln produziert wird, will einfach vielfältiger werden, wie Wolfgang Kopplin, versichert. Der stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung muss sich anstrengen, alle Varianten zusammenzubekommen, denn sieben verschiedene Autos laufen bei Ford derzeit unter dem Namen Fiesta. Damit sollte es nun wirklich genug sein, zumal der ST als letzter und leistungsstärkster Fiesta nicht mehr zu toppen ist.