Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein „schräger Vogel“, der in der Kunst viel bewirkt
Die Kunsthistorikerin Barbara Honecker stellte den Holzschneider HAP Grieshaber vor
RIEDLINGEN – Vor allem Teilnehmer der diesjährigen Kunstfahrt des Kunstkreises ’84 Riedlingen verfolgten am Donnerstagabend im Kaplaneihaus interessiert die Ausführungen von Barbara Honecker über „Werk und Leben von HAP Grieshaber“. Denn auf ihrer Rückfahrt von Nürnberg besuchen Kunstfahrt-Teilnehmer in Künzelsau eine Ausstellung des „herausragenden Künstlers“, wie die Kunsthistorikerin ihn einordnete.
Sie nannte den 1909 in Rot an der Rot geborenen Holzschneider aber auch einen „schrägen Vogel“, verbrachte er doch einen Großteil seines Lebens auf einem Hanggrundstück an der Eninger Achalm. Dort hatte er einer Gartenhütte weitere Räume angegliedert, so auch eine Werkstatt, in welcher die große Holzpresse stand, an der er arbeitete. Er war „der“Holzschneider des 20. Jahrhunderts, erfuhren die Zuhörer. Die Technik wurde im 14. Jahrhundert entwickelt und sei damals wieder entdeckt worden, vermittelte ihnen Barbara Honecker. „Alles, was gedruckt wird, bleibt stehen“und so entstünden grobe Linien. Wenn der Holzstock fertig geschnitten ist, wird die Farbe aufgetragen und das Ergebnis erscheint seitenverkehrt.
Grieshaber hat den Beruf des Schriftsetzers erlernt und hat von 1926 bis 1928 dank eines Stipendiums Gebrauchsgrafik studiert. Als dieses auslief, hatte er finanziell keine Möglichkeit mehr dazu. 1929 wird er arbeitslos, so Honecker. Von 1931 bis 1933 geht er auf Reisen nach Ägypten und Griechenland. 1933 kehrt der „sehr politische“Grieshaber nach Reutlingen zurück und lässt sich auf der Baumwiese an der Achalm nieder. Er erhält von den Nationalsozialisten als Künstler Berufsverbot, schneidet und druckt jedoch im Untergrund.
In Paul Klee, Lyonel Feininger, Adolf Hölzel, Willi Baumeister, Marc Chagall und Paul Cezanne erkennt die Kunsthistorikerin Vorbilder von HAP Grieshaber, der sich – zum Beispiel an seinem Passions-Zyklus von 1935 – an früheren Holzschnitten orientiert habe. Von Pablo Picasso sei er begeistert gewesen, 91 Bücher über den spanischen Künstler habe er hinterlassen. Eine 1950 entstandene Friedenstaube erinnere an jene Picassos. Ab 1946 hat er Vorträge gehalten auch über Picasso. Mit vielen Beispielen von Kunstwerken, Zyklen und Mappen, wie das Ulmer Tuch (zunächst als Wandgestaltung gedacht), den „Feuervogel“(BallettSzenen, die als Bühnenbild entworfen waren), der vor allem in Oberschwaben berühmte Osterritt oder der Totentanz von Basel schenkten Einblick in sein Schaffen. Die Motive sind breit gefächert, von der Flora und Fauna der Schwäbischen Alb über Liebespaare, religiöse und mythologische Darstellungen bis hin zu politischen, sozialen und ökologischen Fragen.
Documenta in Kassel
In den 1950er Jahren beginnt Grieshaber erfolgreich zu werden. 1955 stellt er erstmals auf der Documenta in Kassel aus. Obwohl sich die Formen auflösen, bleibt er immer der Gegenständlichkeit verhaftet, unterstreicht Babara Honecker. Er unterrichtet an einer Schule, später an der Akademie in Karlsruhe als Nachfolger von Erich Heckel. Grieshaber war immer ein politischer Mensch, davon zeugt auch die Zeitschrift „Engel der Geschichte“, die 1959 erstmals gedruckt wurde und bis zu seinem Tod im Jahr 1981 bestand und sich mit politischen Themen auseinandersetzte.
Arbeit in der DDR
Bei der Documenta 1964 zeigt er nicht nur das Produkt der Holzschnitte, sondern auch den Holzstock selber. Er sei einer der wenigen Künstler gewesen, die auch in der damaligen DDR arbeiten durften, ließ die Kunsthistorikerin wissen. So schnitt er in Dresden den Totentanz, der in Leipzig gedruckt wurde. Als Besonderheit wies sie auf einen Kreuzweg in Bruchsal hin, einen Holzstock, dessen Tiefen mit Gold hinterlegt sind. Mit Metallteilen, Sägen, Zangen entwickelte Grieshaber, der sich als „Handwerker“verstand, den Holzschnitt weiter. Durch ihn sei der Holzschnitt in den 1970er Jahren wieder sehr populär geworden und er habe in der Kunst sehr viel bewirkt, war Honeckers Resümee.
Privat war er zweimal verheiratet. Die Geburt seiner Tochter Ricca mit der Kunstmalerin Ricarda GregorGrieshaber setzte er künstlerisch um, im „Tanz der Gebärenden“, aber auch in verschiedenen KleinkindDarstellungen. Die letzten Lebensjahre verbrachte er mit der Schriftstellerin Margarete Hansmann, welche „Die Jahre mit HAP Grieshaber“in dem Buch „Der Pfauenschrei“thematisierte.