Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Merkel setzt auf China

Kanzlerin bekennt sich in Peking zum Freihandel

- Von Frank Herrmann und dpa

PEKING (AFP/dpa) - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Chinas Ministerpr­äsident Li Keqiang haben sich am Donnerstag in Peking zum freien Welthandel bekannt – und sich gegen US-Präsident Donald Trump gestellt. Deutschlan­d und China setzten beide auf Multilater­alismus und „fairen und freien Handel“, sagte Merkel bei ihrem Besuch.

Bei ihrer Unterredun­g in der Großen Halle des Volkes ging es vor allem um den Handel. Die Bundesregi­erung sehe chinesisch­e Investitio­nen in Deutschlan­d nicht negativ. Zudem freue man sich über die angekündig­te Öffnung bei Joint Ventures in der Automobilb­ranche und die Senkung der chinesisch­en Importzöll­e auf Autos. Vor allem letztere Entscheidu­ng steht im Gegensatz zu Trumps Plänen. Der US-Präsident hatte dem Handelsmin­isterium den Auftrag erteilt, höhere Einfuhrzöl­le auf im Ausland gebaute Autos zu prüfen.

WASHINGTON - Die Gedenkmünz­en waren schon geprägt, die Hotelzimme­r gebucht und der Flugplan für die Air Force One nach Singapur schon ausgearbei­tet. Da verkündete US-Präsident Donald Trump am Donnerstag: Nach zunehmend aggressive­r Rhetorik aus Pjöngjang ist das für 12. Juni in dem asiatische­n Stadtstaat geplante Gipfeltref­fen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un abgesagt.

Trump äußerte sich in seiner Absage an Kim Jong-un enttäuscht. „Die Welt, und Nordkorea im Besonderen, haben eine große Gelegenhei­t für andauernde­n Frieden und großen Fortschrit­t und Wohlstand verpasst. Diese entgangene Chance ist ein wirklich trauriger Moment in der Geschichte“, schrieb er in seinem Brief an den koreanisch­en Machthaber.

Im Weißen Haus sagte Trump später, der Dialog mit Nordkorea sei bis vor kurzem gut gewesen. Er kenne den Grund für die jüngste Veränderun­g, wolle ihn aber nicht nennen. Nun ist die Welt zurück an dem Punkt, an dem sich zwei als unberechen­bar eingestuft­e Politiker gegenseiti­g mit Atomwaffen bedrohen.

Eine Lektion für Trump

Letztlich ist es eine Lektion in Sachen Realpoliti­k für Donald Trump. Auf den letzten Metern vor seinem historisch­en Gipfel hat er lernen müssen, dass sich manche Konstanten nicht so schnell ändern.

Trump hatte die nunmehr geplatzte Begegnung als eine Art Geniestrei­ch verkauft, bei dem ihm gelingen werde, was drei seiner Vorgänger im Oval Office nicht geschafft hatten. Er, der selbsterna­nnte Meister der Verhandlun­g, wollte als der US-Präsident in die Annalen eingehen, der das nordkorean­ische Atomprogra­mm begraben würde. Auf friedliche­m Wege, durch Willensstä­rke und Geschick, schon bald dafür gewürdigt mit dem Friedensno­belpreis. Noch am Donnerstag schien Trumps Strategie aufzugehen. Laut Berichten hatte Nordkorea sein Atomtestge­lände zerstört.

Jetzt ist Trump hart in der Realität gelandet. Die Absage mit feindselig­er Rhetorik Pjöngjangs zu begründen, wie er es in einem offenen Brief an Kim tat, führt am Kern der Sache vorbei. Relevanter ist: Nachdem er die Erwartunge­n hochgetrie­ben hatte, konnte sich Trump kein Treffen leisten, das nicht mit dem von ihm selber beschworen­en Durchbruch enden würde. Der Optimismus, den er mit der ihm eigenen Großspurig­keit verbreitet­e, wirkt im Nachhinein so naiv, wie die Enttäuschu­ng nach dem Schüren der Hoffnung umso krasser ausfällt.

Dabei war nie zu übersehen, welch tiefer Graben zwischen den Interessen der Amerikaner und denen der Nordkorean­er klafft. Spricht Trump von der De-Nuklearisi­erung der Koreanisch­en Halbinsel, meint er die Verschrott­ung sämtlicher Atomwaffen aus den Arsenalen Pjöngjangs. Spricht Kim davon, meint er, dass die USA im Gegenzug den atomaren Schutzschi­rm für ihre ostasiatis­chen Verbündete­n einklappen. Die Einigung ist nun gescheiter­t, und wie lange es bis zum nächsten Anlauf dauert, wagt im Moment niemand zu prophezeie­n. Vielleicht hat man im Oval Office tatsächlic­h geglaubt, Nordkorea durch den massiven wirtschaft­lichen internatio­nalen Druck zum Einlenken zu zwingen, ohne selbst Zugeständn­isse machen zu müssen. Vielleicht haben Optimisten in aller Welt in der notorisch unberechen­baren Kim-Dynastie auf einmal, unter dem Eindruck der Annäherung an die Südkoreane­r, einen potenziell verlässlic­hen Partner gesehen.

Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt, weil sich nichts geändert hat am Wesentlich­en: Im Besitz von Kernwaffen sieht das Regime eine politische Überlebens­garantie. Ihm das Schicksal eines Muammar alGaddafi vor Augen zu führen, wie Trumps forscher Sicherheit­sberater John Bolton es tat, sah Kim als unheilvoll­es Vorzeichen. Auch der Libyer beendete sein Nuklearpro­gramm, nur um ein paar Jahre darauf Macht und Leben zu verlieren. Entweder wollte Bolton dies nicht wahrhaben, oder er suchte die Provokatio­n. Jedenfalls hat das Gerede vom Libyen-Modell zusätzlich­en Sand ins diplomatis­che Getriebe gestreut. Die Rhetorik mag beigetrage­n haben zur Ernüchteru­ng, den Ausschlag gab sie nicht.

Die wahren Gründe gehen tiefer. Zum großen Wurf ist Kim (noch?) nicht bereit. Trump wiederum kann es sich nicht leisten, der erste USPräsiden­t zu sein, der einem nordkorean­ischen Autokraten die Hand reicht – und dann nichts Handfestes vorzuweise­n hat.

 ?? FOTO: DPA ?? US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.
FOTO: DPA US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.

Newspapers in German

Newspapers from Germany