Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wasserstof­fbetrieben­e Bahn auf Probefahrt

Hochschule Aachen testet mit Brennstoff­zelle angetriebe­ne Lok auf der Dampfbahna­nlage in Kürnbach

- Von Manfred Waldeck

KÜRNBACH - Normalerwe­ise fahren auf den Gleisen des Schwäbisch­en Eisenbahnv­ereins in Kürnbach Miniaturlo­komotiven, die historisch­en echten Loks nachgebaut wurden. Dampfend, fauchend und pfeifend machen sie auf sich aufmerksam. Ganz anders dagegen sah die Lokomotive aus, die am vergangene­n Freitag mit zwei voll besetzten Wagen ihre Runden auf der Anlage drehte. Und nicht nur ihr Aussehen, sondern auch ihre Antriebste­chnik unterschie­d sie deutlich von einer Dampflok. Für den Vortrieb sorgten Elektromot­oren, die ihren Strom aus einer Brennstoff­zelle bezogen. Durch eine chemische Reaktion von Wasserstof­f und Sauerstoff wird darin Wärme, Wasser und elektrisch­e Energie erzeugt.

Studenten des Fachbereic­hs Schienenfa­hrzeugtech­nik der Hochschule Aachen haben die Lok konzipiert und gebaut. Sie werden mit ihr Ende Juni an der Railway Challenge, einem Wettbewerb für Schienenfa­hrzeuge, in England teilnehmen. Die Railway Challenge soll das Interesse junger Leute an der Bahnindust­rie forcieren und damit den Nachwuchs an engagierte­n Fachkräfte­n sichern. Für den Wettbewerb bauen und entwickeln Teams von Universitä­ten und Unternehme­n Lokomotive­n.

Bbeste Bedingunge­n

Die Hochschule Aachen hat bereits 2017 als erstes nicht englisches Team teilgenomm­en. Weil die Lok aber gerade erst zum Wettbewerb fertig wurde und deshalb vorab nicht ausgiebig getestet werden konnte, hatten die Studierend­en in England mit allerlei technische­n Problemen zu kämpfen. „Trotzdem konnten sie aus dem Stand heraus den neunten Platz belegen – bei elf Teilnehmer­n – und wurden außerdem mit einem Sonderprei­s für ihre Teamarbeit ausgezeich­net“, berichtete stolz Professor Raphael Pfaff von der Hochschule Aachen. Für die Teilnahme an der Railway Challenge in diesem Jahr sollte die Lok deshalb gründlich im Fahrbetrie­b erprobt werden. Dafür bot die Miniaturba­hnanlage in Kürnbach als einzige in Deutschlan­d mit der geforderte­n Spurweite von 260 Millimeter­n die besten Voraussetz­ungen.

Während „Emma“– so hat das Team die Lokomotive genannt – gemächlich ihre Runden drehte, erläuterte Professor Pfaff, dass es bei dem Wettbewerb nicht um hohe Geschwindi­gkeit geht. Vielmehr würden Eigenschaf­ten wie Fahrkomfor­t, Geräuschen­twicklung, Wartbarkei­t, Beschleuni­gung und Energierüc­kgewinnung beim Bremsen gewertet. Und das sind alles Kriterien, die auch in der realen Schienenfa­hrzeugtech­nik von entscheide­nder Bedeutung sind. Die Entwicklun­g der Lok und ihr Bau bis hin zur Teilnahme an der Railway Challenge stellt deshalb eine ideale praxisgere­chte Ergänzung zur theoretisc­hen Lehre dar. Zum Team von Projektlei­ter Tim Tappert gehören 15 Teilnehmer. „Darunter sind auch drei Informatik­er“, sagte Pfaff. Das Projekt bietet nämlich auch hervorrage­nde Möglichkei­ten, zusätzlich­e Systeme der Leit- und Sicherungs­technik zu erproben, etwa die Erkennung von Hinderniss­en auf der Strecke.

Wettbewerb in Planung

Die bei den Testfahrte­n gewonnenen Erkenntnis­se werden für weitere Verbesseru­ngen der Systemkomp­onenten genutzt. Bevor es dann nach England geht, wird „Emma“aber noch ein weiteres Mal in Kürnbach für Aufsehen sorgen. Pfaff schwebt außerdem vor, einen Wettbewerb nach dem englischen Vorbild auch in Deutschlan­d zu etablieren. Die Bahnanlage in Kürnbach böte dafür gute Voraussetz­ungen. „Das kriegen wir schon hin“, meinte Bertram Hegel vom Vorstand des Schwäbisch­en Eisenbahnv­ereins dazu.

 ?? FOTO: MANFRED WALDECK ?? „Emma“, die wasserstof­fbetrieben­e Lok der Hochschule Aachen, auf der Minibahnan­lage in Kürnbach. Im ersten Wagen hinten fuhren Professor Dr. Raphael Pfaff (im grünen T-Shirt) und neben ihm (halb verdeckt) Projektlei­ter Tim Tappert mit.
FOTO: MANFRED WALDECK „Emma“, die wasserstof­fbetrieben­e Lok der Hochschule Aachen, auf der Minibahnan­lage in Kürnbach. Im ersten Wagen hinten fuhren Professor Dr. Raphael Pfaff (im grünen T-Shirt) und neben ihm (halb verdeckt) Projektlei­ter Tim Tappert mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany