Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mit Pistole und Gewehr groß geworden
Silke Fischer ist nicht nur im Gehörlosenschießsport erfolgreich
Silke Fischer ist nicht nur im Gehörlosenschießsport erfolgreich.
RIEDLINGEN/MENGEN - „Schießen ist eine der ältesten Sportarten überhaupt“, sagt die 17-jährige Silke Fischer aus Mengen. Für Außenstehende mag es ungewöhnlich sein, widmet sich ein junges Mädchen dem Schießsport. Silke Fischer ist sozusagen mit Pistole und Gewehr groß geworden. Der Vater und die ältere Schwester Anja sind erfolgreiche und vielfach prämierte Schützen des Schützenvereins Ennetach. Silke hat ebenfalls einige Medaillen und Trophäen geholt, auch für den TSV Riedlingen. Dort ist sie Mitglied in der Abteilung Behindertensport. Die junge Sportlerin ist nämlich seit ihrer Geburt gehörlos.
Silke ist ein sehr sympathisches und auffallend hübsches Mädchen. Wenn sie lacht, dann lacht sie auch mit den Augen. Fürs Foto geht sie in Position, so wie beim Schützenverein, wenn sie trainiert. Ihr Visier und ihre galaktisch aussehende Brille, mit der sie das Ziel visiert, lässt sie zu Demonstrationszwecken in freier Natur weg. Ihre Lockenmähne bindet sie zusammen. Sie schlüpft in ihre Kapuzenjacke. „Germany“steht drauf. „Diese Jacke habe ich in Südkorea bei der Olympiade getragen.“Denn sie bekam eine Einladung, mit dem Deutschen Olympischen Jugendlager das Flair bei der Olympiade dort mitzuerleben. Im Hintergrund blühende Wiesen, Wolken am Himmel und die Riedlinger Kulisse. Ein romantisches Foto. Wäre da nicht die eindrucksvolle Luftpistole. „Keine Sorge, sie ist nicht gefährlich“, beruhigt sie ihr Gegenüber.
Seit sechs Jahren betreibt Silke Fischer den Schießsport in ihren regionalen Vereinen, sowie regelmäßig an Wochenenden in Baden Württembergs Landesleistungszentrum in Pforzheim. Seit 2016 ist sie im Gehörlosen Nationalkader. „Da war ich schon öfter bei Deutschen Ranglisten und zwei Mal mit den Gehörlosen auswärts“, erzählt sie. Bei der WM in Russland machte sie 2016 einen achten Platz. Im vergangenen Jahr kam sie bei den Deaflympics (Gehörlosenolympiade) in der Türkei auf dem zehnten Platz. Die Reihe der Auszeichnungen, die sie bis jetzt bekam ist sehr lang.
Viermal Training pro Woche
Sie liebe alles, was mit Sport zu tun habe. Viermal pro Woche etwa zwei Stunden trainiert sie im Verein mit der Luftpistole. Kleinkaliber nur mit Begleitung der Mutter, da sie noch keine 18 ist. Etwa 150 Schuss „verballert“sie beim Training. Was wird alles gemacht, um die Mitte zu treffen? Der ganze Körper sei gefordert, Selbstbeherrschung,Haltung, Körperspannung, höchste Konzentration. „Das Konzentrationstraining kommt einem in Mathearbeiten zu Gute“, lacht die Schießsportlerin. Ihr absolute Leidenschaft außer Schießen? Da fällt ihr das Klettern im Donautal ein. Auch Biathlon betreibt sie in ihrer Freizeit. Und – zum Ausgleich – Kalligrafie, sie gestalte gerne Karten, für sie könne ein Tag nie zu lang sein. Die Gymnasiastin, die kommendes Jahr am Gymnasium Mengen ihr Abitur schreibt, ist eine Einserschülerin. Sehr bescheiden gibt sie zu: „Ich bekomme jedes Jahr einen Preis.“
„Meine Hörbehinderung habe ich von Geburt an, rechts ist es aber immer schlimmer geworden, sodass ein Hörgerät nicht mehr ausreichte und ich mir ein Implantat operieren ließ“, erzählt Silke. „Seitdem ist es viel besser, trotzdem möchte ich, wenn möglich, links mein Hörgerät behalten, da dies schönere Klänge aufnehmen kann, etwa bei Musik. Das ist ein bisschen meine Sorge, die ich mit mir rumtrage.“Zur Sicherheit, alles zu verstehen, ließt Silke von den Lippen ab. So unterscheide sie beispielsweise „Haus“und „Maus“. Bei synchronisierten Filmen werde es kompliziert. Sie höre Deutsch, aber sehe Englisch! Dank der Technik kann sie hören und damit auch sprechen. Man merkt ihr die Einschränkung nicht an.
Seitdem Silke über den Nationalkader direkten Kontakt mit Gehörlosen und Schwerhörigen hat, lernt sie fleißig die Gebärdensprache. „Ich fühle mich bei ihnen wie unter Gleichgesinnten, da wir gemeinsam mit gleichen Problemen zu tun haben.“
Wie sieht die junge Sportlerin ihre Zukunft? „Ich wollte schon immer Lehrerin werden und seit den letzten Jahren hat sich meine Vorstellung immer mehr verfestigt, dass ich speziell an Schulen für Schwerhörige und Gehörlose arbeite, da ich so meine Erfahrungen weitergeben kann. Das ist mein Traum.“