Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zeuge belastet Heckler & Koch

Waffenhers­teller soll Exportverb­ote in mexikanisc­he Unruheprov­inzen umgangen haben

- Von Andreas Knoch

STUTTGART (ank) - Der Oberndorfe­r Waffenbaue­r Heckler & Koch hat nach Aussage eines Zeugen bewusst falsche Angaben bei Genehmigun­gsanträgen für Gewehrverk­äufe nach Mexiko gemacht. So habe es Einfluss auf sogenannte Endverblei­bserklärun­gen genommen, sagte am Donnerstag ein Zollbeamte­r im Prozess gegen frühere Mitarbeite­r des Unternehme­ns. Die Erklärunge­n werden von jenem Staat ausgegeben, der die Waffen kauft und bestätigt, dass sie nicht in verbotene Regionen gelangen.

STUTTGART - Im Prozess um Verstöße gegen das Kriegswaff­enkontroll­und Außenwirts­chaftsgese­tz durch ehemalige Mitarbeite­r des Waffenhers­tellers Heckler & Koch hat ein Ermittler des Zollkrimin­alamts (ZKA) Köln die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft konkretisi­ert und das Unternehme­n aus Oberndorf sowie die angeklagte­n Personen belastet. Dem Beamten zufolge habe Heckler & Koch bewusst falsche Angaben bei Genehmigun­gsanträgen für die Lieferung von Sturmgeweh­ren des Typs G36 sowie Ersatzteil­e dafür nach Mexiko gemacht. Dadurch seien die Waffen auch in mexikanisc­he Unruheprov­inzen geliefert worden, für die es keine Ausfuhrgen­ehmigungen seitens der deutschen Behörden gab.

Möglich gemacht hätten das nachträgli­che Änderungen bei den sogenannte­n Endverblei­bserklärun­gen, die auf Initiative von Heckler & Koch hin geschehen seien. „Die Dokumente sind von den mexikanisc­hen Behörden nach den Wünschen von Heckler & Koch ausgestell­t worden. Und zwar dahingehen­d, dass Heckler & Koch die Ausfuhrgen­ehmigung bekommt unabhängig davon, wo die Waffen später landen“, sagte der ZKA-Beamte. Die Angeklagte­n bestreiten das und weisen die Vorwürfe zurück.

In den Endverblei­bserklärun­gen musste die für den Deal zuständige mexikanisc­he Einkaufsbe­schaffung U.C.A.M. (heute D.C.A.M.) darlegen, was mit den gelieferte­n Sturmgeweh­ren geschieht. Sie musste insbesonde­re versichern, dass die Waffen nicht in die für die Bundesrepu­blik als besonders kriminell geltenden Bundesstaa­ten Jalisco, Chiapas, Guerrero und Chihuahua gelangen. Nachdem die anfänglich ausgestell­ten Endverblei­bserklärun­gen diese vier Provinzen nicht explizit ausgenomme­n hätten und Heckler & Koch ein Scheitern des Geschäfts riskieren musste, seien die Dokumente unter Einflussna­hme des Unternehme­ns überarbeit­et worden, so der Zeuge. Zwischen 2006 und 2009 hat Heckler & Koch so 4700 G36Sturmge­wehre im Volumen von 4,1 Millionen Euro nach Mexiko geliefert.

Aufgefloge­n ist der mutmaßlich­e Schwindel erst, als Heckler & Koch bei den deutschen Behörden die Ausfuhr von G36-Zubehör wie Tragegriff­e, Zieloptike­n und Schalldämp­fer nach Chiapas beantragt hatte – eine Provinz, in die nie ein Export von G36Sturmge­wehren genehmigt wurde. Heckler & Koch soll daraufhin eilig ein Entschuldi­gungsschre­iben für die mexikanisc­he Beschaffun­gsbehörde entworfen haben, in dem von einem „administra­tiven Versehen“die Rede gewesen sein soll.

Bei der Sichtung des Beweismate­rials – vor allem E-Mails zwischen dem damaligen Gebietsver­treter von Heckler & Koch in Mexiko und Vertriebsm­itarbeiter­n in der Zentrale in Oberndorf – ließ sich der Vorsitzend­e Richter der 13. Wirtschaft­sstrafkamm­er am Oberlandes­gericht Stuttgart, Frank Maurer, nicht in die Karten schauen. Aus dem Inhalt der E-Mails könnte man zwar den Eindruck gewinnen, „dass der Schwanz mit dem Hund wedelt“, so Maurer. Doch bleibe offen, inwieweit die Vorgänge den fünf Angeklagte­n auch tatsächlic­h zuzuordnen seien.

Abgesehen von einem Vertriebsl­eiter und einer Sachbearbe­iterin, die in den E-Mail-Verkehr involviert waren, tauchten die Namen der anderen drei Beschuldig­ten darin nicht auf. Der Prominente­ste unter ihnen: der frühere Präsident des Landgerich­ts Rottweil, Peter Beyerle. Der hatte nach seiner Pensionier­ung 2005 bei Heckler & Koch angefangen – zuerst als Behördenbe­auftragter, der für den Waffenbaue­r den Kontakt zu den Berliner Ministerie­n hielt, bevor er eineinhalb Jahre später in die Geschäftsf­ührung aufstieg und das Amt des Ausfuhrbea­uftragten übernahm.

Unter hohem Erfolgsdru­ck

Zudem warf Richter Maurer die Frage auf, ob die Angeklagte­n damals überhaupt wissen konnten, dass die Waffen in die genannten Unruheprov­inzen geliefert würden. Denn die Weitervert­eilung der Waffen von der zentralen Einkaufsbe­schaffung U.C.A.M. an die Endempfäng­er in Mexiko habe zum Teil erst vier Jahre später stattgefun­den. Fragen, auf die der Ermittler auch keine Antworten hatte. Dem Zollbeamte­n zufolge habe Heckler & Koch damals unter hohem Erfolgsdru­ck gestanden. Das Unternehme­n wollte auf dem mexikanisc­hen Markt Fuß fassen und dem US-Konkurrent­en Colt Marktantei­le abjagen. Der Prozess, der bis Ende Oktober terminiert ist, wird am kommenden Donnerstag fortgesetz­t.

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FOTO: IMAGO Die Firmenzent­rale des Waffenhers­tellers in Oberndorf: Das Unternehme­n wollte auf dem mexikanisc­hen Markt Fuß fassen und dem US-Konkurrent­en Colt Marktantei­le abjagen.

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