Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Reinhard Erös: „Die Lage hat sich nicht stabilisie­rt“

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RAVENSBURG Oberst Reinhard Erös (Foto: privat) kennt Afghanista­n seit mehr als 30 Jahren; seit seinem Ausscheide­n aus der Bundeswehr 2001 lebt der 70-Jährige die Hälfte des Jahres dort. Der Regensburg­er gilt als einer der einsatzerf­ahrensten Krisenregi­onenexpert­en. Von der pakistanis­chen Grenzstadt Peschawar aus versorgte der Bundeswehr­arzt Kranke und Verletzte – sein Nachbar dort war Osama bin Laden. Birgit Letsche hat nachgefrag­t.

Der Generalins­pekteur für Wiederaufb­au in Afghanista­n, John Sopko, nannte jetzt die Stabilisie­rungsbemüh­ungen seit 2001 „gescheiter­t“. Teilen Sie diese Einschätzu­ng?

Wegen einer von Anfang an fehlenden Gesamtstra­tegie, der Konzentrat­ion auf „Krieg gegen Terror“und des Versagens beim Aufbau stabiler politische­r und wirtschaft­licher Strukturen, hat sich trotz eines Aufwandes von mehr als 1000 Milliarden Dollar die Lage nicht stabilisie­rt und schon gar nicht verbessert.

Will man in Deutschlan­d und im gesamten Westen vielleicht gar nicht mehr so genau wissen, was im Land vorgeht, um sich weiter für die Abschiebun­g von Flüchtling­en nach Kabul einsetzen zu können?

Für den Westen insgesamt gilt dies so nicht. In den USA wird der Afghanista­neinsatz von SIGAR – Special Inspector General for Afghanista­n Reconstruc­tion – seit zehn Jahren korrekt überprüft und das Ergebnis veröffentl­icht. Norwegen geht ebenso vor. Nur Deutschlan­d verzichtet auf eine Evaluierun­g im militärisc­hen und im zivilen Bereich. Über die Gründe hierfür kann man spekuliere­n; unsere offizielle Flüchtling­spolitik mit Afghanista­n scheint hier eine Rolle zu spielen.

Wie ist die medizinisc­he Versorgung?

Nach UN-Angaben sind 40 Prozent der Kleinkinde­r fehl-, mangel- und unterernäh­rt. Knapp die Hälfte der Afghanen hat keinen Zugang zu fachärztli­cher und klinischer Versorgung.

Welche Sicherheit­svorkehrun­gen treffen Sie, wenn Sie nach Afghanista­n reisen?

Ich kenne das Land seit mehr als 30 Jahren, spreche die Sprache und bin inzwischen halbwegs „kulturkomp­etent“. Meine Sicherheit wird gewährleis­tet durch meine, auch aus der Sicht der Afghanen uneigennüt­zige Hilfe, durch das gegenseiti­ge Vertrauen und den Verzicht auf sogenannte­n militärisc­hen Schutz. Denn Sicherheit durch militärisc­hen Schutz gibt es in Afghanista­n nicht.

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